Was ist Barock? Diese Frage, über die schon
viele, ja sogar sehr viele Bücher geschrieben worden sind,
beantwortet sich am einfachsten, indem Sie die Perlen des
oberschwäbischen Barocks einmal selber persönlich besuchen. Sie
werden erkennen, dass diese in der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts entstandenen Bauten zusammen mit ihren Kunstwerken
Ausdruck eines überschwänglichen Lebensgefühls sind.
Gegenüber den einfachen und klaren Formen der
vorausgehenden Renaissance trat zwischen 1600 und 1780 das
Bewegte, Schwellende, Pathetische („barrocco“ = unregelmäßige
Perle) in den Vordergrund. Von Rom und Italien aus hat die
Kunstperiode im 17. und 18. Jahrhundert fast ganz Europa erfasst
und in den einzelnen Ländern auf der Grundlage dortiger
Überlieferungen Sakrales und Profanes geprägt. Architektur,
Ornament, Bildnerei und Malerei verschmolzen zu einem Ganzen.
So ist Barock für rund 150 Jahre eine - und bis
heute die letzte - einheitliche Stilform, die imstande ist, alle
künstlerischen, geistesgeschichtlichen und gesell-schaftlichen
Bedürfnisse der Zeit und deren Menschen abzudecken. In ganz
Europa wird für mehr als anderthalb Jahrhunderte „barock“ zu
einem Lebensgefühl, das alles durchdringt:
Die Plastik und Malerei, die sich mühelos und
ohne Übergänge dem Bauwerk einfügen. Die Musik, die den Hof- und
Kirchenfesten letzten Glanz verleiht. Die schwärmerische
Religiosität, die Literatur, aber auch das Mobilar, das Kostüm
und die Haartracht, ja sogar die Sprechweise.
Barocke Kunst wendet sich an die ganze
Gesellschaft und wird von ihr getragen.
In Oberschwaben begann der Siegeszug des Barocks
nach dem 30-jährigen Krieg. Es galt, die verwüsteten Klöster,
Kirchen, Kapellen, Bürgerhäuser und Schlösser wieder instand zu
setzen. Dabei entschlossen sich geistliche wie weltliche
Herrschaften, sobald die schlimmsten Schäden behoben und
Geldmittel verfügbar waren, mehr und mehr auch zu umfassenden
Neubauten.
Und so wünsche ich Ihnen, das „Himmelreich des
Barock“ hautnah erleben und genießen zu können, wie gerne der
kunstreiche Landstrich zwischen Schwäbischer Alb, Iller,
Oberallgäu, Bodensee, Hegau und Baar bezeichnet wird.
Ich möchte Sie heute schon für die barocken
Attraktionen sensibilisieren, die den Himmel mit allen Mitteln
der Kunst herunter holen, ihn in Stein zu bannen, in Alabaster,
Farben und Töne. Zügeln Sie an diesen Tagen Ihren Intellekt,
lassen Sie Ihrem Gefühl den Vortritt und Sie werden erleben, wie
in den barocken Kleinoden der Himmel jubelt und das ganz
irdisch, die Erde himmlisch erscheint in fast antiker
Heiterkeit, hier jubilieren und singen die Wände und Pfeiler, ja
selbst der Tod tanzt mit:
Barocke Sinnenlust und demütige Bußfertigkeit,
Fleischesfülle und geistige Zucht - stellen Sie sich dann die
Frage, wie das zusammengeht!
Dr. Erich Koch, Altshausen
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