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Umweltschutz

 

Themen:

- Mein kleines Naturparadies

- Weltweiter Tag des Wassers

- Kleine Gewässer - Große Wirkung: Über die wahren Ursachen von
  Hochwasser-Katastrophen und deren Vermeidung

Wald- und Torfbrände in Russland.
  Eine einfäche Möglichkeit zur effizienten Bekämpfung der Feuersbrunst

- Wasser - eine lebenswichtige Ressource wird knapp.
  Ein Praxisbericht zur naturnahen Wasserspeicherung als Anpassungsstrategie zum Klimawandel

Moorlandschaften und Feuchtgebiete aufwerten und neue Fischhabitate schaffen

Das Kubaturen-Modell.
  Das Kubaturen-Modell als naturnaher Hochwasserschutz, Verbesserung des Wasserhaushalts,
  Schaffung neuer Lebensräume und zur Schonung des Klimas

- „Moorgeister und Elfen im Pfrunger-Burgweiler Ried:
  Kritische Anmerkungen eines Steuerzahlers“

Drainagegraben als Wasserspeicher nutzen
  und zusätzliche Lebensräume schaffen

Bald kein Hochwasser mehr in Bad Saulgau?

Auf einen Nenner gebracht:
  Breitwasser statt Hochwasser!"
  Mehr Raum für Flüsse und Auen

- Kleingewässer - Oasen in unserer oberschwäbischen Landschaft

- Sorge um unser Wasser

Streuobstwiesen: Früchtekorb und Futterwiesen zugleich

Biotopverbund - ein modernes ökologisches Schlagwort oder
  ein Erfolgskonzept für den Naturschutz?

- Gewässerrandstreifen prägen und schützen unsere Fließgewässer

Bäche und Flüsse brauchen Totholz

Lebendige Bäche und Flüsse

Wasserspeicher für unsere Wälder schaffen

Wiesengraben - Technische Wasserrinne oder
  ökologisch wertvoller Lebensraum?

Brand- und Klimaschutz
  können gleichzeitig Naturschutz sein

Hochwasser-Katastrophen vermeiden: Ein Konzept zur Vermeidung
  von immensen materiellen Schäden, Verbesserung des Wasserhaushaltes,
  Schaffung neuer Lebensräume und zur Schonung des Klimas

Drainagegraben - 200 Jahre lang falsch konzipiert?

Wohin mit Astholz und Mähgut bei der Gewässerunterhaltung?
  Ein Umwelt-Tipp für Städte, Gemeinden und Vereine

Chemo-Indikatoren als Qualitätskriterien für Komposterden und Kulturböden

Energie sparen mit biologischen Methoden


Erich Koch

Mein kleines Naturparadies
- Anekdoten aus vergangenen Jahren -

Seit Stunden sitze ich an diesem sonnigen Frühlingstag des Jahres 2010 auf meiner Gartenbank, direkt unter einer ausladenden Kätzchenweide und geschützt durch weiteres, dichtes Gebüsch und Stauden. Ich lausche dem vielstimmigen Vogelkonzert, das rings um mich her gegeben wird. Zu meiner Linken eilt ein kleiner Bach, das Strutbächle, unter Erlen und Weiden dem vor mir liegenden Weiher zu. Rechts vor mir setzt sich der Weiher fort, bis er in einem winterbraunen, fast undurchdringlichen Schilfwald endet.

Mit Zufriedenheit betrachte ich diese kleine Welt und meine Gedanken gehen um Jahrzehnte zurück. Es sind genau vier Jahrzehnte.
Damals dehnten sich hier mehrere eintönig nasse Wiesen aus und trotz aller Bemühungen, sie waren nutzlos für die Landwirtschaft. Dazu gehörte noch ein ehemaliger Torfstich, welcher sich klammheimlich über Nacht in einen Friedhof für ausgediente Autoreifen und anderen Müll verwandelte.

Der Vorbesitzer, ein Land- und Gastwirt,  verkaufte mir das ganze, etwa 2 Hektar große Gelände, malerisch inmitten einem der zahlreichen oberschwäbischen Ried- und Waldlandschaften gelegen, sehr gerne und für wenig Geld.

Landratsamt, Forstamt und Gemeinde mussten gefragt werden. Es gab mehrere Begehungen, welche stets einen umfangreichen  Schriftverkehr auslösten, der sich über mehrere Jahre hinzog und immerhin drei dicke Aktenordner füllte. Und die Aktenzeichen der Behörden wurden immer länger, zum Schluss 19-ziffrig.
Doch nach genau achttausendundzwanzig Gramm Behördenpapier, Planzeichnungen und orohydrographischen Flurkarten erhielt ich den amtlichen Segen und konnte  endlich beginnen, mir den seit meiner Schulzeit alten Wunsch erfüllen, Besitzer eines eigenen kleinen Naturparadieses zu sein. Denn genau das wollte ich aus diesen nassen, wertlosen Wiesen mit ihrer wilden Müllkippe machen.

Dieser Wunsch nach einem Naturparadies entstand während meiner Schulzeit in einer katholischen Dorf-Volksschule. Die Volksschulen auf dem flachen Land Oberschwabens waren noch bis 1967 oftmals einklassig und katholisch, obwohl ich ein Evangelischer bin. Einklassig  heißt, es gab nur einen einzigen Klassenraum für alle Schüler der Klassen eins bis acht. Und nur ein einziger Lehrer „regierte“ an einer solchen Dorfschule und hatte alle 8 Klassen zu unterrichten. Auch durfte ein Dorfschullehrer nie krank werden. Denn eine Vertretung gab es nicht.

Ich selber besuchte schon eine „moderne“ Volksschule in Ostrach. Das Dorf war etwas größer, hatte andeutungsweise schon städtische Züge und immerhin 1200 Seelen wohnten dort und wir besaßen ein eigenes, richtiges Schulgebäude mit 4 Klassenräumen. Es waren immer zwei Schuljahrgänge zu einer Klasse zusammengefasst und nach dem Abschluss der achten Klasse begann für uns alle ein neuer Lebensabschnitt, der Beginn einer Lehre oder Besuch der Handelsschule

Auch wenn täglich einige von uns Schüler Tatzen und Hosenspanner bekamen und viele Tränen geflossen sind, wir haben dennoch unsere Schulmeister geachtet und sogar bis heute verehrt . Denn sie haben uns Kindern  viel beigebracht und nahezu jeder von uns Schülern hat ein anständiges Handwerk oder einen angesehenen Beruf erlernt.
Nur  mit Sexualkunde ist es etwas dürftig ausgefallen.
Die gesamte Sexualkunde-Information während meiner Volksschulzeit bestand aus einem einzigen Satz und den hat uns unser damaliger Lehrer Martin Bucher so erklärt:
„Die Mädle, die krieget nur Tatza und koine Hosaspanner, weil dia amol später Kindla krieget“.
Das war’s mit meinem Sexualkunde-Unterricht an der Volksschule in Ostrach!

Doch zurück zu meinem alten Traum, Besitzer eines Naturparadieses zu sein.
Dieser Traum entstand, wie ich bereits erzählte, während meiner Schulzeit im Fach Naturlehre.
Das Fach Naturlehre beinhaltete die heutigen Schulfächer Biologie, Chemie, Physik und Technik. Es gab damals nur ein einziges Lehrbuch, aber da stand alles sehr anschaulich drin, was man für sein späteres Leben brauchen konnte. Auch konnte Lehrer Bucher uns Schüler für die Natur begeistern. Es war immer muksmäuschenstill im Klassenzimmer, wenn unser Lehrer von den Mooren, Sümpfen, Rieden und Seen erzählte, die meine oberschwäbische Heimat prägte.

„Oberschwaben, das ist das Land der tausend Moore, Seen und Wälder. Das müsst ihr Buba und Mäd‘la euch für emmer merka.“

So sprach unser Lehrer und ich hab’s mir nach 60 Jahren immer noch gemerkt.

In der Tat, nur wenige hundert Meter von unserem Wohngebäude, dem Bahnhof von Ostrach, breitete sich eines der größten Moore von Süddeutschland aus, das Pfrunger-Burgweiler Ried. Für mich als Bub war es riesig und unendlich. Wie von magischen Kräften wurde ich von den Sümpfen und Mooren angezogen, dem morastig riechenden Boden und dem Duft der zahlreichen wilden Blumen. Diese Moorlandschaft hatte für mich immer etwas Geheimnisvolles an sich und als wir in der Schule das Gedicht vom Erlkönig von Johann Wolfgang Goethe auswendig lernen mussten, war mein Glaube an Moorgeister und Elfen perfekt.



Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?“
„Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif ?“
„Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.“

Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“

„Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?“
„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind.“

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehen?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“

„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort?“
„Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau,
Es scheinen die alten Weiden so grau“.

„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“
„Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan!“

Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
 

Seitdem bringe ich einen eigenartigen Respekt und tiefe Achtung diesen Landschaften entgegen und so war mein Wunsch geboren, einmal selber Besitzer eines kleinen Natur-Paradieses zu sein.

Mittlerweile sind wir umgezogen, gut 10 Kilometer weiter ostwärts, nach Altshausen. Doch meine Begeisterung, ein Naturparadies zu erschaffen, war auch am neuen Ort ungebrochen und so  machte ich mich vor genau 40 Jahren ans Werk, fing an zu überlegen und zu planen, zu graben und zu pflanzen. Lange Hecken und ein kleiner Wald sollten das Ganze nach außen abschirmen und zwei Weiher, jeweils mit einer Insel, sollten das  Herz meines Naturparadieses bilden.

Bald sah ich ein, dass diese Einmannarbeit mit Spaten und Schaufel sowie einem altersschwachen Schubkarren nicht zu machen war. Ein Kettenbagger eines wohlgesonnenen Klein-Unternehmers aus Altshausen schaffte in acht Tagen, was mir in Monaten, vermutlich sogar nach Jahren mühsamster Arbeit nicht gelungen  wäre, zwei Weiher anzulegen mit einer Ausdehnung von fast 50 Metern und einer Breite von rund 25 Metern. Und die Wassertiefe lag zwischen 2 und 3 Metern.
Und so lernte ich den Bagger als willkommenes Hilfsmittel des Naturschutzes kennen und nicht als eine naturzerstörende Technik.

Der Winter ging vorüber, der Frühling kam, und nun überstürzten sich die Ereignisse. Jeden Tag gab es Neues zu sehen. Auf den ausgehobenen Erdwällen blühte gelb der Huflattich. Die ersten Frösche stellten sich ein, die Teichmolche folgten, der Bachflohkrebs bevölkerte die Uferzonen und die ersten Fische, es waren Elritzen und Karauschen, bezogen ihr neues Habitat.
Die ersten Vögel sahen sich nach Nistgelegenheiten um, und zu meiner Freude konnte ich alle vier verschiedenen Meisenarten ausfindig machen, die Kohl-, Blau-, Baum- und Sumpfmeise.
Es war, als wolle die Natur so schnell wie möglich für ihre Geschöpfe Besitz ergreifen von diesem ihr zugedachten Stückchen Erde.

Jahre sind vergangen. Mittlerweile genau 40 Jahre. Aus dünnen Sträuchern wurde eine Heckenwand. Aus den zarten Waldsämlingen richtige, 25 Meter hohe Laub- und Nadelbäume. Die einst so kahlen Weiher haben sich mit üppiger Flora umgeben. Das Sumpfgebiet bedeckt ein Schilfwald.
Überall wächst und wuchert es. Es ist eine echte Heimat und Zuflucht für allerlei Groß- und Kleingetier geworden.
Und in meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht erwartet, dass sich einmal eines der wertvollsten Landbiotope Mitteleuropas in meinem kleinen Paradies bilden würde, nämlich ein Streuwiesen-Biotop. Erst vor rund 10 Jahren wurde mir bewusst, welches Juwel sich da durch mein zufälliges Tun gebildet hat.
Die Flora der Streuwiesen besticht durch ihren außerordentlichen Artenreichtum. Es wurden schon Bestände mit 60 bis 100 verschiedenen Pflanzenarten auf wenigen Quadratmetern beschrieben. Auffällig ist der hohe Anteil von  ästhetisch ansprechenden und auch seltenen und gefährdeten beziehungsweise vom Aussterben bedrohten Arten wie einige Orchideen, der Mehlprimel, dem Fettkraut oder dem Schwalbenwurzenzian.
Nicht nur die Flora, auch die Fauna der Streuwiesen trägt besondere Züge. Außerordentlich viele Tierarten nutzen sie als Lebensraum, sei es zur Nahrungsaufnahme, zur Fortpflanzung oder als Ruheraum.
Die Lebendigkeit und Lebensqualität der Streuwiesen sind geradezu sprichwörtlich. Je nachdem beansprucht die eine Tierart entweder nur bestimmte Pflanzenarten, eine andere nur bestimmte Teile einer Wiese wie die untere Krautschicht, nur einen bestimmten Wiesentyp oder aber größere, zusammenhängende Feuchtwiesengebiete.

Damit zählen Streuwiesen wahrhaft zu den lebendigsten Lebensräumen Mitteleuropas, entstanden  aufgrund menschlicher Bedürfnisse und durch die wirtschaftende Hand des Bauers.
Mein Zutun war, diese Wiese aus Zeitmangel nur einmal im Jahr, und zwar im Spätherbst mit der Sense zu mähen und das strohige Mähgut abzurechen. Und schon entstand im Laufe der Jahre, für mich unbeabsichtigt,  eines der kostbarsten Landschaftselemente, welche man in Mitteleuropa kennt.

Gewiss, all dies sind keine Sensationen. Was mich aber glücklich macht, ist der Gedanke, in dieser Welt der Massenvernichtung, in dieser Zeit des großen stillen Sterbens in unserer Natur ein Winziges getan zu haben, dieser Vernichtung und diesem Sterben entgegen zu treten.

 

Ein kleiner Ausschnitt aus meinem Naturparadies. Einer der beiden Weiher ist auf dem Bild zu sehen. Der natürliche und auch der naturnahe Weiher („Natur aus zweiter Hand“) gilt als unser artenreichstes Gewässer. Und so trägt auch mein kleiner Weiher dazu bei, bestandsgefährdete Pflanzen- und Tierarten zu erhalten und weiteren wildlebenden Organismen in der Kulturlandschaft Lebensmöglichkeiten zu bieten.

 

Weltweiter Tag des Wassers

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 
Der Weltwassertag, der insbesondere die breite Öffentlichkeit auf die Bedeutung des Wassers für die Menschheit hinweist, wird jährlich am 22. März begangen. Alle Länder sind von den Vereinten Nationen aufgefordert, sich dem Weltwassertag zu widmen und geeignete, konkrete Maßnahmen auf nationaler Ebene durchzuführen – und das zu Recht! Wasser ist der Quell jeglichen Lebens. Das Leben ist im Wasser entstanden und ohne Wasser gäbe es die Erde, wie wir sie heute kennen, nicht.


Es gibt den Weltwassertag bereits seit 1993. Er ist ein Ergebnis der Weltkonferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) von 1992 in Rio de Janeiro und wird seit 1993 jährlich aufgrund einer Resolution der UN-Generalversammlung vom 22. Dezember 1992 gefeiert. Seit seiner ersten Ausführung hat der Weltwassertag erheblich an Bedeutung gewonnen. Der Schutz unserer Wasservorkommen und deren nachhaltige Nutzung – man soll nur so viel sauberes Wasser verbrauchen wie die Natur uns wiedergibt – soll am Weltwassertag besonders ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden.

Jedes Jahr übernimmt eine der vielen UN-Agenturen, die mit dem Thema Wasser befasst sind, die Leitung bei der Förderung und Koordinierung internationaler Aktionen für den Weltwassertag. Er steht jedes Jahr unter einem anderen Schwerpunktthema, welches durch die Vereinten Nationen festgelegt wird. Die Leitthemen der vergangenen 5 Jahre lauteten:
 
  • 2009 „Grenzüberschreitende Gewässer“
  • 2010 „Reines Wasser für eine gesunde Welt“
  • 2011 „Wasser für die Städte: Antwort auf urbane Herausforderungen“
  • 2012 „Wasser und Nahrungssicherheit“
  • 2013 „Wasser und Zusammenarbeit“.

Im Jahre 2014 konzentrieren sich die Feierlichkeiten zum Weltwassertag auf das Motto „Water and Energy“, einem Schwerpunktthema, das sich mit dem Zusammenhang von Wasser und Energie befasst. Die United Nations University (UNU) und die United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) übernehmen im Auftrag von UN-Water die Koordination.

 

Sauberes Trinkwasser wird ein zunehmend knappes Gut.
Deshalb: Jeder Wassertropfen zählt!

 

Kampf ums Wasser
Der „Kampf ums Wasser“ bleibt regional und global eines der bestimmenden Themen der Zukunft. Durch Bevölkerungswachstum, wirtschaftliches Wachstum und die Urbanisierung wird der Bedarf nach Nahrungsmitteln, Wasser und Energie weltweit steigen. Die Deckung des steigenden Nahrungsmittelbedarfs und des damit einhergehenden Energiebedarfs wird zu einem deutlichen Anstieg des Wasserbedarfs und einer weiteren Degradierung von Wasserressourcen und Ökosystemen durch Übernutzung und Verschmutzung führen. Es droht eine deutliche Lücke zwischen verfügbaren Wasserressourcen und Bedarf, die die Versorgungslücke in den wasserärmeren Regionen verschärft, gleichzeitig sich jedoch auch zum Engpassfaktor für die Nahrungsmittelproduktion und die Energieerzeugung entwickelt. Hieraus ergeben sich drei wesentliche Handlungsfelder für eine nachhaltige Entwicklung:

 
  • Die soziale Dimension - Zugang zur Basisversorgung mit Wasser
  • Die ökumenische Dimension - mehr Wohlstand mit weniger Ressourcen
  • Die ökologische Dimension - Investitionen zum Erhalt der Ökosysteme und deren Ökodienstleistungen.
Man erkennt, welche vielschichtige interdisziplinäre Herangehensweise die kritischen Wasserthemen unserer Zeit erfordern. Und wer ist für die Umsetzung dieser Ergebnisse von der Wissenschaft in die Praxis zuständig und sind wir in diesem Punkt schon bei einer wirklichen Transdisziplinarität angelangt?
Auch wenn in Deutschland und Westeuropa die Situation zur Wasserknappheit derzeit weitgehend entspannt ist, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns bereits mitten in einer globalen Wasserkrise befinden. Die Organisation World Wide Fund for Nature (WWF) zählt seit der Jahrtausendwende 2000 weltweit über 50 gewaltsame Konflikte, bei denen es um die Wassernutzung ging. Denn gerade in Grenzregionen ist häufig ungeklärt, wem die Verwendung von Wasserflächen zusteht.


Internationale Dekade „Water for Life“
Die Vereinten Nationen haben den Zeitraum 2005 bis 2015 zur internationalen Dekade für die Aktion „Water for Life - Wasser für das Leben“ erklärt. Die Dekade begann mit dem Weltwassertag am 22. März 2005, der unter dem gleichen Leitthema stand, und wird am 22. März 2015 enden. Mit dem Datum, an welchem voraussichtlich der fünfte Weltwasserbericht veröffentlicht werden wird. Koordinierendes Gremium der internationalen Aktionsdekade ist UN-Water.
Die Wasserdekade hat die verstärkte Umsetzung von Programmen und Projekten zur Verbesserung der Wasserversorgung und die Fortentwicklung der hierfür notwendigen Zusammenarbeit zum Ziel. Ebenso soll die Dekade genutzt werden, weltweit Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit für das Thema Wasser zu sensibilisieren und darauf hinwirken, dass bereits getroffene Verpflichtungen in die Wirklichkeit umgesetzt werden.
Die Aktionsdekade „Wasser für das Leben“ verweist darauf, dass im laufenden Jahrzehnt große Anstrengungen nötig sind, diese Verpflichtungen zu erfüllen. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Frauen, da sie weltweit eine zentrale Rolle im Wassermanagement und in der Wasserversorgung spielen. Wichtige Themen für die Dekade sind: Wasserknappheit, Zugang zu sanitären Einrichtungen und Gesundheit, Wasser und Frauen, Kapazitätenaufbau, Finanzierung, Bewertung, integriertes Wasserressourcenmanagement, grenzüberschreitende Fragen, Umwelt und biologische Vielfalt, Katastrophenvorsorge, Ernährung und Landwirtschaft, Wasserverschmutzung und Energieerzeugung.
 
 
Wachsender Bedarf, schwindende Vorräte
„Ohne Wasser kein Leben.“ Diese Kurzformel hebt die unvergleichbare Bedeutung des Wassers als Lebenselement hervor. Wasser ist die Grundlage unserer Existenz. Ausreichend sauberes Wasser ist die Voraussetzung für ein gesundes Leben. Es geht nicht nur darum, die Ressource Wasser in Schwellen- und Entwicklungsländern zu sichern und zu schützen. Auch in den Industrieländern wird Wasser knapp und seine Trinkwasserqualität ist gefährdet. Selbst das Grundwasser, bisher noch am saubersten, ist gefährdet. In vielen Städten reicht es zur Wasserversorgung nicht mehr aus und muss mit Oberflächenwasser künstlich angereichert werden.
Zudem hat sich die Weltbevölkerung im letzten Jahrhundert verdreifacht, doch der weltweite Verbrauch an Süßwasser hat sich in diesem Zeitraum versiebenfacht. Und angesichts eines weiter zu erwartenden Anstiegs der Weltbevölkerung von derzeit 6,9 Milliarden Menschen auf 8 Milliarden im Jahr 2025 und 9,2 Milliarden im Jahr 2050 rücken vor allem drei essenzielle Themen stärker als bisher in den Vordergrund:
 
  • Wasser
  • Nahrungsmittel
  • Energie
Viele Regionen leiden schon jetzt unter Wasserknappheit. Das Bevölkerungswachstum wird dieses Problem weiter verschärfen. Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2025 rund zwei Drittel der Menschheit mit den Problemen des Wassermangels zu kämpfen haben. Nur ein Bruchteil des gesamten Wassers auf der Erde, etwa 2,6 Prozent, ist Süßwasser, das für den Menschen lebensnotwendig ist. Davon liegt der weitaus größte Teil festgefroren im Eis der Pole und Gletscher. Süßwasser, das für die Trinkwassergewinnung in Frage kommt, macht nur 0,3 Prozent der Gesamtwassermenge aus. Es findet sich in Seen, Flüssen und im Grundwasser.
 

Der Bodensee als Trinkwasserspeicher. Rund 5 Millionen Bewohner von Baden-Württemberg trinken Bodensee-Wasser.

 

Bei einer Analyse des gegenwärtigen Trends wird weltweit 70 Prozent des Trinkwassers in der Landwirtschaft verwendet und bis zum Jahr 2025 wird die Nachfrage nach Süßwasser um etwa 40 Prozent anwachsen.
Die Wassergewinnung wird sich deshalb in Zukunft vor allem auf Technologien zur Entsalzung, auf die Aufreinigung von Süßwasser sowie auf die Wiederaufbereitung von Abwasser konzentrieren müssen.


Sorge um unser Wasser
Das Wasser hat, vor allem in unseren Breitengraden, viel von seiner ursprünglichen Bedeutung und Wertschätzung verloren. Ein Blick auf die antike Literatur zeigt, welch besondere Bedeutung die Völker der Antike dem Wasser in ihrem Weltbild zugewiesen haben. Es war eines der vier Grundelemente (Feuer, Wasser, Luft, Erde) und einige philosophische Lehren erhoben es sogar zum alleinigen Urprinzip des Seins. Diese Vorstellung behielt ihre Bedeutung noch bis Ende des Mittelalters. Doch dann hat das Verhältnis des Menschen zum Wasser in den letzten Jahrhunderten eine vollkommene Wandlung durchgemacht. Es ist für uns heute selbstverständlich, das Wasser zum täglichen Gebrauch mühelos zur Verfügung zu haben.
Die Anschauung von der „geistigen Erfülltheit“ des Wassers verblasste, bis es zuletzt nur noch als Stoff und als Transport- und Energieträger behandelt wurde. Der Mensch lernte, sich das Wasser mit einer imposanten Technik zu unterwerfen und nutzbar zu machen. Er bändigt heute die Kraft des Wassers, staut es hinter mächtigen Dämmen und lässt es als fließende Energie in die Turbinen der Kraftwerke stürzen. Er versteht es, ihm seine physische Kraft mit erstaunlichen Wirkungsgraden abzunehmen.
Schien es zunächst wirtschaftlich und nützlich, Moore und Feuchtgebiete auszutrocknen und daraus Ackerland zu gewinnen, Aue-Wälder abzuholzen, Bäche und Flüsse zu regulieren, Hecken, Raine und Feldgehölze zu entfernen und Landschaften zu verändern, so wird man heute gewahr, dass damit vielfach wesentliche Lebensfunktionen im Gesamtorganismus der Natur empfindlich getroffen und verletzt worden sind. So gehören die Aquafauna und -flora, und hier besonders die Fischbestände, zu den ganz großen Verlierern in der Umgestaltung der Fließgewässer und mitteleuropäischen Landschaften.

Auf vielen Gebieten bahnt sich heute erfreulicherweise ein Wandel an. Die Erkenntnis der ökologischen Zusammenhänge gewinnt immer mehr Raum. Man entdeckt, dass die lebendigen Kreisläufe nicht ohne schwerwiegende Folgen gestört werden dürfen und dass das Wasser mehr ist als bloßer Energiefluss und geeigneter Transportstoff. Die Menschheit hat nicht nur das Wesenhafte des Wassers verloren, sondern ist in Gefahr, auch dessen physische Substanz zu verlieren. Die bedrohliche Gewässerverschmutzung und das Vesiegen unzähliger Quellen über die ganze Erde hin, sind Beweise genug für diese Entwicklung.


Besonders freuen würde ich mich, wenn Sie, lieber Leser, zu Erkenntnissen kämen, die Sie dazu veranlassen, Ihre Lebensgewohnheiten im Hinblick auf die vorhandenen und zukünftigen Wasser-Probleme zu überdenken und wenn nötig zu ändern. Ich möchte Ihnen Mut machen zu einem anderen Umgang mit Natur und Landschaft und somit mit unseren eigenen Lebensgrundlagen. Das Lebenselement Wasser steht dabei stellvertretend für alle natürlichen Ressourcen. Wir müssen lernen, mit unseren Lebensgrundlagen vernünftig und haushälterisch umzugehen.

 

 


Kleine Gewässer - Große Wirkung:

Über die wahren Ursachen von Hochwasser-Katastrophen
und deren Vermeidung

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen


Wasserbau und Kulturmaßnahmen

Die geradezu revolutionären Entwicklungen in der Landwirtschaft ziehen sich durch alle Bereiche der Landnutzung. In ganz besonderem Maße äußerten sie sich im Wasserbau. Die großen Flusskorrekturen des 19ten Jahrhunderts dienten noch vorwiegend oder ausschließlich der Schifffahrt, später auch zur Nutzung der Wasserkraft. Die Flussbegradigung hatte praktisch keinen Einfluss auf Häufigkeit und Stärke der Hochwässer, außer dass die Flut schneller flussabwärts vorankam, dafür aber auch schneller wieder ablief. Erst die massive Eindämmung der Flüsse in ihren früher weitläufigen Auen bewirkte ein starkes Ansteigen der Hochwasser-Höhen, weil sich die Pegel-Durchfluss-Beziehungen zu Ungunsten des natürlichen Abflussgeschehens veränderten. Die einst regelmäßig, aber unvorhersehbar überschwemmten Auen, die nur als Weideland genutzt werden konnten, ließen sich jetzt durch die Damm- und Deichbauten in Ackerland und nutzbares Bauland umwandeln. Ein regelrechter Erschließungsboom setzte ein, weil Bauland in den Flussauen in der Regel attraktiv (weil in Flussnähe), einfach zu nutzen (weil eben) und billig ist. Innerhalb weniger Jahre verwandelten sich dann die ehemaligen Flussauen zu Siedlungs- und Industriegebieten. Diese neue Landnahme entzog den Flüssen ihre Überschwemmungsflächen. Die Seitenausdehnung der Wassermassen war durch den Fluss- und Tal-(Auen)-Verbau massiv beeinträchtigt und ließ die Pegelstände erhöhen. Das verschärfte die Hochwässer in den am Fluss gelegenen Städten ganz erheblich, weil flussaufwärts die Rückhalteräume fehlen. Hier wurden und werden in der Bau- und Landnutzungsplanung regelmäßig Fehler gemacht mit teilweise verheerenden Auswirkungen.
So hat sich die Anzahl der einem möglichen Hochwasser ausgesetzten privaten Gebäuden sowie der gewerblichen und industriellen Anlagen seit Beginn des 20sten Jahrhunderts erheblich vergrößert. Durch die Ansiedlung des Menschen in Gewässernähe und der damit verbundenen Anhäufung von riesigen materiellen Werten sind jetzt enorme Hochwasserschäden die Folge. Verheerende Schäden an Privateigentum, kommunalen Gebäuden, Kulturdenkmälern, Infrastruktur und gewerblich-industriellen Einrichtungen sowie an Kultur- und Naturflächen sind zu beklagen. Durch die Wasserfluten werden Menschenleben bedroht und Arbeitsprozesse behindert. Kurzum, immense Werte werden vernichtet.


Hauptursache für Hochwasser-Katastrophen

Die weitaus größeren Veränderungen erzeugte jedoch der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung im Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Ein Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar der Rinnsale oder nur zeitweise wasserführenden Gräben wurde mit immensem Aufwand an Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder Sickerwasser schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurde.
Dadurch laufen die Hochwasserwellen tendenziell erheblich schneller ab und bilden höhere Spitzen.

 

Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir das Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell an die Unteranlieger weiterleiten oder den Wasser-Rückhalt in der Fläche fördern und dadurch neue Lebensräume für eine Gewässerfauna und –flora schaffen.

 

Ziel der Kulturmaßnahmen war es, auf allen landwirtschaftlichen Produktionsflächen auch möglichst gleichartige Produktionsbedingungen zu schaffen. Standortnachteile sollten behoben werden. Frühere Grenzertragsflächen, deren Bewirtschaftung im Vergleich zum Aufwand kaum Erträge erwarten ließ, konnten durch die Kulturmaßnahmen in die landwirtschaftliche Produktion mit einbezogen werden.Als eine der Hauptwirkungen dieser landesweiten Entwässerung der Fluren verschwanden weithin die Unterschiede in den Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß wurden die Verluste bei den Feuchtgebieten. Moderne, von starken Motoren getriebene Maschinen ermöglichten die Entwässerung von Mooren, Feuchtwiesen und Sümpfen. Die Verlegung von Drainagerohren und das Ausbetonieren von Abzugsgräben gehörte zum Standard des Kulturwasserbaus. Der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung verschlang jene Summen an Steuermitteln, die dringend benötigt worden wären, die Hochwasser-Probleme bleibend zu lösen.Auewälder wurden gerodet. In der Zeit von 1950 - 1975 verloren die mitteleuropäischen Flüsse den größten Teil der noch verbliebenen Auen. Seither gibt es durchschnittlich nur noch etwa 5 Prozent der früheren Auwaldflächen des unregulierten Zustandes. Auwälder, Sümpfe und Moore gehören zu den ganz großen Verlierern in der Umgestaltung der mitteleuropäischen Landschaften.Ein Großteil der Hochwasser-Schäden, die Ende des 20sten Jahrhunderts und vor allem in den letzten Jahren zustande gekommen sind, beruht auf diesen Maßnahmen. Für wenige Hektar hochwasserfrei angelegter Auen, die landwirtschaftlich genutzt werden können, haben die Anwohner flussabwärts und die Steuerzahler insgesamt unverhältnismäßig hohe Schäden abbekommen. Niederschläge normaler Größenordnungen, die keineswegs über Regenmengen früherer Jahrhunderte hinausgehen, schwellen zu nicht mehr kontrollierbaren Fluten an, weil praktisch alle Rinnsale, Gräben, Bäche und Flüsse das Wasser schnellstens ableiten. Die eingeschnürten Flüsse können diese Fluten natürlich nicht mehr fassen.Der Autor dieses Berichtes ermittelte die Gewässerstrecken der Fließgewässer dritter Ordnung in Deutschland, um das riesige Potenzial an Gewässerläufen quantitativ abzubilden. Dabei wurden alle Kleingewässer ab einer Breite von einem halben Meter bestimmt und dies bei einer mittleren Wasserführung. Eine Gewässerstrecke von mehr als 480 000 Kilometer der Gewässer dritter Ordnung wurde für Deutschland ermittelt.Das riesige Potenzial an diesen unzähligen kleineren Fließgewässern mit ihren Regulierungen bewirken in ihrer Summe die eigentlichen Hochwasser-Katastrophen. Anhand der so genannten „Elbeflut" vom August 2002 soll das verdeutlicht werden. Der Begriff „Elbeflut" weist in eine völlig falsche Richtung, denn im Elbetal selbst entstand nur ein Bruchteil der Schäden. Die großen Verwüstungen traten an den Zuflüssen der Elbe auf, oft an kleinen Bächen und harmlos dahin plätschernden Rinnsalen, die in kürzester Zeit zu reißenden Strömen wurden. Und hier muss stets das immense Potenzial an Kleingewässern im Bewusstsein bleiben. Denn kleine Gewässer sind quantitativ und qualitativ die „Kinderstube" der großen Bäche und Flüsse. Deshalb können diese immer nur so gut sein, wie es die vielen kleinen Gewässer im Einzugsgebiet zulassen.So wurde die Stadt Grimma in Sachsen nicht durch die Elbe vier Meter hoch überflutet, sondern durch den Nebenfluss Mulde. Der Ort Weesenstein wurde durch das Flüsschen Müglitz regelrecht zerstört und selbst der Sturzbach durch den Dresdener Hauptbahnhof hatte nichts mit dem Hochwasser der Elbe zu tun, sondern wurde durch die Weißeritz verursacht. Dieser Bach stand mit einem 100-jährlichen Abfluss von 350 m³/s zu Buche, der jetzt ankommende Scheitelabfluss lag bei 600 m³/s. Die Weißeritz, die im Stadtgebiet Dresdens heute teilweise unterirdisch fließt, war diesen Wassermassen nicht mehr gewachsen. Das überschießende Wasser suchte seinen alten Weg - und auf diesem steht mittlerweile Dresdens Hauptbahnhof.
Das Fazit ist: Kleine Gewässer - Große Wirkung!

Und so ist eine der Hauptursachen für die Hochwasser-Katastrophen, dass man die im 19ten Jahrhundert begonnene Regulierung der Flüsse konsequent im 20sten Jahrhundert bis in die Quellbezirke zu Ende führte. Die davon ausgelösten Hochwasser-Katastrophen sind keine Folge einer in Gang gekommenen Klimaerwärmung, sondern hausgemachte Ergebnisse des landwirtschaftlichen Wasserbaus, dessen Verantwortung an den jeweiligen Flurstücken oder spätestens an den Grenzen des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes endet. Auch wenn in der Vergangenheit überregionale Kommissionen für Hochwasserschutzmaßnahmen gebildet wurden, so ist der Gedanke, sich um die Gemeinwesen flussabwärts zu kümmern, immer noch weitgehend fremd.Und hier muss radikal umgedacht werden. Was der Mensch durch den Wasserbau zerstört und gefährdet hat und durch den Klimawandel verstärkt wird, wird ein Wassermangel in Europa sein. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden. Auch das Grundwasser, bisher noch am saubersten, ist gefährdet: In vielen Städten reicht es zur Wasserversorgung nicht mehr aus und muss mit Oberflächenwasser künstlich angereichert werden. Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz" in die Schul- und Lehrbücher sowie in die Gewässer relevanten Gesetzeswerke eingeführt werden:
                                Das Wasser zurückzuhalten muss oberste Priorität haben.

Für eine realistische Lösung der gesamten Hochwasserproblematik im Binnenland gibt es nur einen Weg, nämlich die Wasserrückhaltung in der Landschaft des gesamten Einzugsgebiets eines Gewässers. Denn der Raum, den die Flüsse im unregulierten Zustand früher eingenommen hatten, ist längst anderweitig genutzt und nicht mehr wieder zurückzugewinnen.
Anhand einfacher Grundlagen der Hydrologie können Niederschlag, Wasserabfluss, Verdunstung und Wasserspeicheränderung quantitativ bewertet werden. Hierbei nimmt der Wasserabfluss in der Hydrologie eine Schlüsselstellung ein. Da die Verdunstung insgesamt für ein größeres Gebiet nicht zu erfassen ist, geht die Hydrologie von den Abflussmengen aus, die an den Fluss-Pegeln allgemein seit Beginn des 19ten Jahrhunderts gemessen werden.


Hochwasser-Katastrophen vermeiden

Die Bilanzierung von Wasserumsätzen erfolgt auf der Grundlage des Massenerhaltungssatzes. Die hydrologische Bilanzgleichung lautet in ihrer einfachsten statischen Form:

N  =  A  +  V  +  ΔS

Die Größe N bedeutet den auf ein umgrenztes Gebiet (hydrologisches Einzugsgebiet) fallenden Niederschlag, A die Wassermenge, die ober- und unterirdisch abfließt und V sämtliche Arten der Verdunstung (Evapotranspiration), also die Gesamtverdunstung aus Evaporation, Interzeption und Transpiration. Die 4. Größe berücksichtigt die  Wasserspeicheränderung  ΔS.    Die Wasserspeicherung kann als Eis, Schnee, Oberflächenwasser und unterirdisches Wasser (Boden- und Grundwasser) erfolgen. Die Bewertung der Wasserumsätze durch Niederschlag, Abfluss, Verdunstung und Speicheränderung erfolgt als Volumen pro Flächen- und Zeiteinheit, z.B. mm/d.Die Formel der hydrologischen Bilanzgleichung besagt, dass die Summe der Mengen aus Abfluss, Verdunstung und Speicheränderung eines hydrologischen Einzugsgebietes in einem gewählten Zeitabschnitt (z.B. monatlich) die Niederschlagsmengen ergeben. Damit spielt die Wasserbilanz  eine wesentliche Rolle für die Ermittlung der Wasserspeicherkapazität von Niederschlägen in einem Einzugsgebiet.   Die hydrologische Bilanzgleichung spiegelt weiterhin in einem gewissen Grad das landschaftliche Milieu des Einzugsgebietes eines Flusses wieder. Denn Art, Intensität und Dauer des Abflusses hängen von der Morphologie des Flussgebietes, der Beschaffenheit des Bodens, des Untergrundes sowie der Vegetation ab.Ebenso können sich die menschlichen Eingriffe in Gestalt von Flussbegradigungen, Kanalisierungen, Eindeichung, Erhöhung der Abflussgeschwindigkeit von Bächen und Flüssen, Versiegelung der Böden, ansteigender Auenverbau und zunehmende Besiedlungsdichte signifikant, teilweise sogar entscheidend auf die Abfluss-Bilanz eines Flusses auswirken, wie durch die hydrologische Bilanzgleichung innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts beschrieben werden kann:

A = N - V - ΔS

A    = Abfluss 
N    = Niederschlag
V    = Verdunstung
ΔS  = Wasserspeicheränderung
Alle Terme werden in Volumen pro Flächen- und Zeiteinheit gemessen und beziehen sich auf das hydrologische Einzugsgebiet.


Diskussion der hydrologischen Bilanzgleichung

Fall 1: Es wird eine extrem große Niederschlagsmenge N in einem begrenzten Einzugsgebiet und innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts angenommen. Dann ist die Abflussmenge A primär abhängig von der Niederschlagsmenge N sowie von der Verdunstung V und Änderung der Wasserspeicherung ΔS. In einer Kulturlandschaft mit geringer Wasserspeicheränderung oder einer urbanen Region mit hoher Bodenversiegelung sind die beiden Terme V und ΔS klein. Damit wird die Abflussmenge eines Gewässers im Wesentlichen durch die Niederschlagsmenge N bestimmt. Sintflutartige Regenfälle bedingen dann einen extremen Anstieg des Abflusses.

Ergebnis Fall 1: Eine Flutwelle baut sich auf. Verheerende Hochwasserschäden werden die Folge sein.

Fall 2: Wie im Fall 1, wird von einer extrem großen Niederschlagsmenge ausgegangen. In einer naturbelassenen Landschaft kann die Verdunstung V und die Änderung der Wasserspeicherung ΔS hoch sein. Die Abflussmenge A eines Gewässers wird dann wesentlich durch die beiden Terme Verdunstung  V und Speicheränderung ΔS bestimmt. Der Aufbau einer gefährlichen Flutwelle wird generell vermieden. Es kommt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Wasserpegels. Ein „normales" Hochwasser als völlig natürliche Erscheinung ist die Folge.

Ergebnis Fall 2: Verheerende Überflutungsschäden wie im Fall 1 werden ausbleiben.

Das Resultat der hydrologischen Bilanzierung ist, dass vorbeugender Hochwasserschutz grundsätzlich machbar ist. Grundlegendes Wissen ist hierzu vorhanden. Jedoch beschränkte sich der Hochwasserschutz in der Vergangenheit weitgehend auf bautechnische Maßnahmen. Integrierende Präventionsmaßnahmen wurden bislang nicht oder nur wenig realisiert.


Die praktische Umsetzung

Eine sehr große Zahl an Experten, Universitätsinstituten, Behörden, Landesämter, Bundesanstalten und Staatsregierungen, dann Komitees für Katastrophenvorsorge und die Initiativen zur Verbesserung der Hochwasservorsorge sowie zahlreiche andere Einrichtungen beschäftigen sich seit Jahrzehnten intensiv mit der Hochwasserproblematik. Viele der dort erarbeiteten Konzepte mögen richtig und wertvoll sein, doch die Tatsache bleibt, dass in den letzten 20 Jahren die Schäden durch Flutkatastrophen verheerende Ausmaße angenommen haben.

Dieser Sachverhalt wurde vom Autor zum Anlass genommen, ein einfaches, praktikables, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept zu entwickeln, welches die durch Hochwasser verursachten immensen Schäden im Binnenland signifikant mindert oder gar gänzlich verhindert.
Die grundlegende sowie naheliegende Idee ist, das Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in großdimensionierten, geraden Gerinnen wegzuschaffen, sondern das Niederschlagswasser muss von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers unter optimaler Nutzung aller natürlichen Speichermöglichkeiten zurückgehalten werden. Natürliche Speicher sind Waldungen, Moore, Seen, Tümpel, Weiher, Senken und Überschwemmungsgebiete.
Dränage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit einem Gefälle von 1 bis 2 % zum Vorfluter (= Bach, Fluss) hin verlaufen, erhalten ein „negatives" Gefälle. Sie werden „gekippt" und zur Senke ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt (= Graben für Wasserspeicherung), liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung im Grabenspeicher soll mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Sohle des Fließgewässers betragen. Damit ist gewährleistet, dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.
Das Ziel muss sein, jeden bisherigen Drainagegraben oder jedes Rinnsal zu reaktivieren und als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter hydraulisch vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein Retentionsnetz aufgebaut, um die Flutwelle im Bach oder Fluss zu kappen und in die Breite abzuleiten. Dadurch wird der Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt.
Der Schutz und die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger und naturnaher Kleingewässer wird zukünftig nicht nur eine wesentliche Aufgabe der Wasserwirtschaft sein, sondern erfordert ebenso eine intelligente Zusammenarbeit mit den verschiedensten Verbänden und Organisationen.
Die hohe ökologische Bedeutung solcher alternativen Grabenspeicher ist beachtenswert. Durch den ganzjährig hoch anstehenden Wasserspiegel und das Anlegen von Gewässerrandstreifen können neue Lebensräume von höchster Qualität entstehen, auch für Kleinfisch-Habitate (Beispiel: Karausche). Und oftmals sind solche Grabenspeicher die einzigen aquatischen und amphibischen Biotope in einer monotonen Kulturlandschaft.

 

Ein Beispiel für einen naturnah geschaffenen Retentionsraum durch Ausbau eines ehemaligen Drainagegrabens zu einem Grabenspeicher und Aufweitung am Grabenende zu einem Tümpel. Hier können, je nach Grabenlänge, mehrere 100 m³ Wasser gespeichert werden  und darüber hinaus entsteht ein neuer Lebensraum für eine Wasserfauna und –flora.

 

Weitere Retentionsräume wären Stauseen-Ketten, aber auch Mühlen- und Fischteiche. Es ist vorhersehbar, dass Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Flutungsflächen die Natur künftig mitprägen werden. Die besten natürlichen Vorbilder für eine solche Stauseen-Kette sind unter anderem der Bodensee, Genfer See und Chiemsee.


Synergien

Es bedarf keiner langen Erklärungen, dass durch die gezielte Speicherung von Niederschlägen und Hochwasser sich zahlreiche Synergien für Natur und Landschaft (Biodiversität und Biotopbildung), Wasserwirtschaft (Infiltration) , Landwirtschaft (Fruchtbarkeit) und Mensch (Trinkwasser) ergeben. Wesentlich ist dabei auch die soziale Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern flussabwärts (präventiver Hochwasserschutz). Denn Schadenshochwässer zu vermeiden, gebietet die Menschlichkeit.
Das Lebenselement Wasser steht hier stellvertretend für alle natürlichen Rohstoffe. Wir müssen lernen, mit unseren Lebensgrundlagen vernünftig und haushälterisch umzugehen.

 

 

Wald- und Torfbrände in Russland 

Eine einfache Möglichkeit zur effizienten Bekämpfung der Feuersbrunst

von
Dr. Erich Koch
Altshausen

Es wird ein praktikables, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept beschrieben, um die jährlich wiederkehrenden, zum Teil verheerenden Wald- und Torfbrände in Russland zu minimieren. Die Idee besteht im Aufbau einer Vielzahl kleiner, hydrologisch vernetzter Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche, indem die bereits vorhandenen Drainagegräben in ihrem Gefälle gekippt und zu Wasserspeichern ausgebaut werden. Dadurch entstehen millionenfach kleinere Löschwasserteiche, welche mehr oder weniger gleichmäßig über die gefährdeten Regionen verteilt sein werden. Das notwenige Löschwasser kann jederzeit mittels mobiler Pumpen relativ einfach und vor allem schnell zu jedem Punkt einer Brandstelle gebracht werden.


1   Ursachen für die Wald- und Torfbrände

Wald- und Torfbrände gehören zu den unberechenbarsten Katastrophen und der Kampf gegen die Flammen ist oft verzweifelt und aussichtslos. Ausgelöst werden diese Naturkatastrophen durch Blitzeinschläge in Kombination mit langen Dürre- und Trockenperioden. Doch die meisten Waldbrände werden inzwischen allerdings vom Menschen ausgelöst. Und Russland macht da keine Ausnahme. Viele Wälder sind übersät mit wilden Feuerstellen, an denen Schaschlik gegrillt wird. Auch achtlos weggeworfene Zigaretten oder Streichhölzer haben dabei schon eine Vielzahl von schweren Bränden verursacht. Weiterhin sind gezielte Brandstiftung und purer Vandalismus weltweit immer öfter schuld an Brandkatastrophen. Experten gehen davon aus, dass nur noch 15 Prozent aller Waldbrände auf eine natürliche Entzündung durch Blitze zurückzuführen sind.
In Russland brennt allerdings nicht nur der Wald, sondern auch der Torfboden, auf dem die Bäume stehen. Torf ist ein organisches Sediment, das überwiegend aus Torfmoosen besteht. Im getrockneten Zustand ist Torf ein exzellenter Brennstoff, genau wie Heu oder Stroh, und erreicht einen Heizwert von 20–22 MJ/kg, ähnlich wie Braunkohle. Und so hält der torfige Untergrund die Feuer in Gang.
 

2    Entwässerte Sümpfe begünstigen Brände

Solange die Sümpfe in ihrem ursprünglichen Zustand nass waren, konnten sie nicht brennen. Doch in den letzten 100 Jahren, vor allem nach 1930, sind sie nach und nach trockengelegt worden. Die gewaltigen Landflächen konnten jetzt als Äcker, Wiesen oder Wälder genutzt werden. Und das sind mehr als 10 Prozent der Fläche Westrusslands, was ungefähr dem 1,2fachen der Fläche Deutschlands entspricht.
Durch eine Grundwasserabsenkung wurde Torf in großen Mengen abgebaut, um ihn als Brennstoff zu nutzen oder als Rohmaterial für den Gartenbedarf nach Mitteleuropa zu exportieren.
So sind im europäischen Russland Region entstanden, in der es die größten Torfflächen der Welt gibt und damit sind die Voraussetzungen für verheerende Wald- und Torfbrände vorhanden. In der Regel wird Torf dort in Brand geraten, wo das Grundwasser künstlich abgesenkt worden ist, kein Regen in der Trockenperiode fällt und wo ein Waldbrand wütet. Hohe Lufttemperaturen, geringe Luftfeuchtigkeit sowie Wind begünstigen die Entzündung. So kam es 2010 in Russland zu mehreren dieser riesigen Torffeuern.

Torffeuer sind weltweit ein Dauerproblem. Vor allem in den mächtigen Mooren Südostasiens können sie mehrere Jahre schwelen. In Russland gehen die Brände derzeit nur an wenigen Stellen in tiefere Bodenschichten. Aber auch da braucht es ungeheure Mengen an Löschwasser, um einen solchen Brand in den Griff zu bekommen.
 

3   Verlauf der Wald- und Torfbrände in Russland 2010

Insgesamt brannten auf einer Fläche von 196 000 Hektar zwischen Karelien, Woronesch und der Region südöstlich von Moskau geschätzte 700 Feuer. Es waren zeitweise über 240.000 zivile Rettungskräfte, davon 162.000 Feuerwehrleute und mehr als 2.000 Armee-Angehörige sowie 54 Löschflugzeuge im Einsatz. Weiterhin stellte die russische Regierung alle 300 Löschfahrzeuge ihres Heeres zur Verfügung.
Des Weiteren wüteten große Torffeuer in den Moorlandschaften um Moskau, was die Lage zusätzlich verschärfte. In weiten Teilen Russlands herrschte von Ende Juni bis Mitte August 2010 die größte Hitze seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren. So wurden am 2. August in der Stadt Woronesch 44 Grad Celsius gemessen, in der Region entlang des Stromes Wolga 42 °C, einem der Hauptzentren der Brandkatastrophe. Die schnelle Ausbreitung der Brände wurde durch den vertrockneten torfigen Untergrund begünstigt.

Die Auswertung von Bildern der NASA-Satelitten Aqua und Terra ergaben Anfang August bis zu 564 tagesgleiche Brände, welche sich am 9. August auf 442 Brände reduzierten. Am 14. August 2010 wurden jedoch immer noch 368 Wald- und Torfbrände in Russland registriert. So erklärte das russische Katastrophenministerium im August 2010, dass wohl 239 bestehende Feuer gelöscht wurden, jedoch innerhalb der vergangenen 24 Stunden 247 neue Brände ausgebrochen sind. Damit ist die Dramatik dieser katastrophalen Brände nicht mehr zu überbieten. Selbst der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hat sich am 10. August 2010 höchstpersönlich als Feuerbekämpfer erfolgreich betätigt, indem er als Co-Pilot die Wasserladung eines Löschflugzeuges zielgenau über einer Feuerbrunst im Gebiet Rjasan, ca. 150 km südöstlich von Moskau, abwarf.
 

4   Schadensbilanz

Laut offiziellen Angaben forderten die großflächigen Wald- und Torfbrände in Westrussland im Juli und August 2010 mindestens 62 Tote, wobei Hilfsorganisationen von mehr Opfern ausgehen. Ganze 52 Dörfer und 3.200 Häuser wurden vernichtet. Nach längerem Zögern räumten die russischen Behörden ein, dass die Brände auch in radioaktiv verstrahlten Gebieten wüteten. Allein in der Region Brjansk wurden 28 Wald- und Torfbrände auf einer Fläche von 269 Hektar am 06. August 2010 gezählt. Diese Umgebung, nahe dem Grenzgebiet zur Ukraine und Weißrussland, gehört zu den gefährlichsten Gebieten der Welt. Bekanntlich kam es dort 1986 zur Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl. Zudem hatte es auch in anderen radioaktiv verstrahlten Gegenden gebrannt, wie etwa in Tscheljabinsk am Ural, wo sich ebenfalls mehrere Atomreaktor-Anlagen befinden.

Die wochenlang andauernden Wald- und Torfbrände hatten darüber hinaus alarmierende Folgen für das Weltklima. Nach Schätzungen des GeoBio-Centers der Ludwig-Maximilians-Universität in München wurden bis zu 100 Millionen Tonnen klimaschädigendes Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Das entspricht ca. 12 Prozent der Jahresemission Deutschlands.
Verheerende Auswirkungen hatten insbesondere die Torfbrände, deren Schadstoffbelastung um ein Vielfaches höher ist als die aus brennenden Wäldern. Der dichte Qualm aus brennenden Mooren enthält neben dem Kohlenstoffdioxid das äußerst giftige Gas Kohlenstoffmonoxid. Hinzu kommt noch eine extreme Feinstaubbelastung, welche vermutlich Tausende von Menschen das Leben kostete.
Doch der Feinstaub der Torfbrände hatte nicht nur schlimme Auswirkungen für die Menschen und Tiere in der Katastrophen-Region. Die Gefahr für das Klima wird durch die freigesetzten Rußpartikel zusätzlich verstärkt. Denn die extrem feinen Rußpartikel halten sich sehr lange in der Atmosphäre und können bis zur Arktis getragen werden, wo sie die Eisschmelze weiter beschleunigen.
Der Heizwert des verbrannten fossilen Materials liegt bei ca. 500 PetaJoule, das sind 500 Billiarden Joule. Rechnet man diese Energiemenge äquivalent auf Heizöl um, dann ist ein Energiepotenzial in Höhe von ca. 12 Milliarden Euro nutzlos verbrannt worden.
Russland gehört neben der Europäischen Union, Australien und der USA zu den weltgrößten Getreide-Exporteuren mit einem Exportumfang von jährlich rund 22 Millionen Tonnen. Die russische Regierung verhängte am 5. August 2010 ein Exportverbot für Getreide aufgrund der Dürren und Bränden. Der russische Getreideausfall durch Brände und Dürren lag bei rund 30 Prozent, was einer Tonnage von mehr als 30 Millionen entspricht. Dadurch stiegen die Weltmarktpreise für Getreide, insbesondere bei Weizen, ab Juli 2010 rasant an. Die Brotpreise sind innerhalb kurzer Zeit um deutlich über 20 % gestiegen, teilweise um bis zu 35 %.
Experten aus Russland, ebenso aus Westeuropa, schätzen den materiellen und volkswirtschaftlichen Schaden durch die Wald- und Torfbrände im Sommer 2010 in Westrussland auf mehr als 30 Milliarden Euro.

Neben den Waldbränden im europäischen Russland standen auch im Fernen Osten des Landes weite Gebiete in Flammen. Nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace seien landesweit den Flammen mindestens 12 Millionen Hektar zum Opfer gefallen und damit eine Fläche größer als der gesamte Waldbestand Deutschlands. Greenpeace schätzt die Waldschäden 2010 in Russland auf mehr als 200 Milliarden Euro, also deutlich höher als von den russischen Behörden angegeben. Nach amtlichen Angaben hat es landesweit etwa 30.000 Waldbrandherde auf einer Fläche von mehr als 1,246 Millionen Hektar gegeben.

Die Katastrophe könne sich in Russland jederzeit wiederholen, warnte Greenpeace Ende August 2010. Tatsache ist, dass seit Beginn des Jahres 2011 landesweit 11.060 Naturbrände ausgebrochen sind, welche bereits eine Gesamtfläche von 618.000 Hektar Wald zerstörten. Das ist nahezu dreimal mehr als im Vergleichszeitraum Januar bis Mai des Vorjahres 2010, teilte das Zivilschutzministerium Russlands am 07. Juni 2011 mit. Besonders kompliziert war die Lage in der Region Krasnojarsk und dem Gebiet Irkutsk. Dort loderten neun größere Brände auf einer Fläche von 11.590 Hektar. Die Brände wurden nach Aussage des sibirischen Zentrums des Zivilschutzministeriums hauptsächlich von Aktivitäten der örtlichen Einwohner verursacht, obwohl von den sibirischen Behörden rund 1.500 Posten eingerichtet worden sind, die den Zugang zu den Wäldern einschränken und die Lage beobachten.
 

5    Hauptproblem für die Brandbekämpfung ist fehlendes Löschwasser

Die Löschwasserversorgung für die Feuerwehren ist unzureichend. Ein Teil der Wald- und Torfbrände wütete fernab jeglicher Zivilisation und schlecht erreichbaren Regionen. Die vorjährigen Erfahrungen zeigen, dass die meisten Brände auf verlassenen Feldern entstanden waren. Es handelte sich ursprünglich um Grasbrände, die sich erst später auf die Wälder ausbreiteten. Dort, wo die Landwirtschaft gut funktioniert, gab es keine solchen Feuerkatastrophen im Gegensatz zu den Brachlandflächen. Diese begünstigen die Feuerbildung erheblich und zudem ist fatalerweise in solchen Gebieten die erforderliche Löschwasservorhaltung in aller Regel nicht gegeben.
Wasserentnahmestellen aus Bächen, Kanälen oder Wassergräben waren dort entweder nicht vorhanden oder vertrocknet. So musste das dringend benötigte Löschwasser durch Tankfahrzeuge und Löschflugzeuge teilweise über weite Strecken an die verschiedenen Brandherde aufwändig herangeführt werden. Dadurch konnten sich die Flammen meist ungehindert kilometerweit durch Russlands Felder und dann durch die Wälder fressen.
Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb selbst nach mehr als zwei Monaten die etwa 250.000 Rettungskräfte die verheerenden Feld-, Wald- und Torfbrände immer noch nicht in den Griff bekamen. Auch die Effizienz des Einsatzes der 54 Löschflugzeuge und der 300 Löschfahrzeuge wurde deutlich überschätzt. Gegen solche Katastrophenfeuer, wie sie 2010 im europäischen Russland herrschten, können Löschflugzeuge und Löschfahrzeuge nur in einem sehr geringen Umfang einen effizienten Beitrag zur Brandbekämpfung leisten.
Bei der Bekämpfung von Feld-, Wald- und Torfbränden ist schnelles Handeln entscheidend, denn hier zählt jede Sekunde. Deshalb ist es erforderlich, in dichten Abständen Wasserentnahmestellen für eine kontinuierliche und ausreichende Löschwasserversorgung der Feuerwehren bereitzustellen.
 

6     Eine salomonische Lösung:
       Alte Drainagegräben zu neuen Wasserspeichern ausbauen

Die naheliegende wie einfache Idee ist, das Drainagewasser der Moore und das Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in kanalisierten Rinnsalen und Drainagegräben in einen Vorfluter (= Bach, Fluss) abzuleiten, sondern das Wasser, eines unserer wichtigsten Lebens- und Gebrauchsgüter, von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein „negatives“ Gefälle. Sie werden „gekippt“ und zur Senke ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher oder auch Grabenteich genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist gewährleistet, dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.
Das Ziel muss sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Sölle, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge und des Hochwassers zu speichern.
Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Die Wasserableitung aus dem Vorfluter (Bach, Fluss, Strom, See) erfolgt durch die vorstehend beschriebenen Grabenspeicher, auch Grabenteiche genannt. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender.

 



Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine Länge von rund 200 m wird durch den natürlichen Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 1 000 m³ Wasser gespeichert werden, welche ganzjährig zur Bewässerung von Kulturen oder als Löschwasser bei Bränden zur Verfügung stehen. Und „ganz nebenbei“ entsteht ein neues Biotop für die Aquafauna und –flora. Naturschutz kann damit auch gleichzeitig Brand- und Klimaschutz sein.

 

7   So kann die technische Umsetzung aussehen

Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits Drainagegräben vorhanden, meist entlang von Parzellengrenzen, dann vielfach auch in Waldstandorten, jedoch meistens mit einem Gefälle zum Vorfluter hin ausgebaut und nicht als Senke ausgelegt. Diese bereits millionenfach in Russland vorhandenen Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 2 % der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln, zum Beispiel einem mittelschweren Bagger, zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für das Anlegen eines Grabenspeichers liegen bei durchschnittlich ca. 2 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12 Jahre muss eine Entschlammung der Grabenspeicher sowie der anderen Rückhalteräume durchgeführt werden.
Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle 1 Meter betragen. Am Ende oder je nach Grabenlänge, kann beispielsweise alle 100 Meter durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner Teich mit abgeflachten Ufern für die Wasserentnahme entstehen. Bewährt haben sich Wasserflächen von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr Metern.
 

8   Grabenspeicher mit bivalenter Funktion:  Wasserspeicher und
    Wasserspender für die Land- und Forstwirtschaft

 

Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in solchen Grabenspeichern, je nach Länge und Profil, mehrere tausend Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung, insbesondere während den Trockenperioden. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine natürliche Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem Wiesen und Äckern sowie dem Waldboden das so wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg zugeführt werden. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist dann besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der Heuernte auftritt und wenn der Boden bei starker Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke besonders schnell austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten kennen die Bilder aus den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen über Wochen hinweg fast keine Phytomasse-Entwicklung stattfindet.

In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser ebenso für eine künstliche Bewässerung oder Beregnung der Kulturflächen (Äcker, Wiesen, Wald) eingesetzt werden.

 



Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen Wasser-Rückhalteraumes durch Vertiefung und Aufweitung des Profils eines Grabenspeichers zu einem Grabenteich als Maßnahme für eine Katastrophenvorsorge. Eine Wasserentnahme für die Bewässerung von Kulturflächen oder als Löschwasser ist stets gewährleistet.

 
 

9   Ein neuer Lebensraum entsteht

 

Sehr schnell werden solche Grabenteiche von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen. Und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“, eine so genannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte und an der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten Grabenteiche mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum.
Die Expertise zeigt, dass es mit einfachen Mitteln und einem überschaubaren Aufwand möglich ist, einerseits Wald- und Torfbrandkatastrophen sowie Dürren durch die Anlage von Lösch- und Bewässerungsteichen deutlich zu minimieren und dass andererseits so „ganz nebenbei“ neue Gewässer-Biotope entstehen.
Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass die Speichergräben ganzjährig mit Wasser gefüllt sind und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gewährleistet ist. Die Erfahrung zeigt, dass ein permanent anstehender Wasserspiegel in den Grabenspeichern und Teichen die Voraussetzung ist für die Entwicklung von Lebensräumen mit hoher ökologischer Qualität. Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume sichern vielen Tieren und Pflanzen das Überleben. Es wird hiermit auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinanderstoßen.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens auch inmitten einer durchaus als monoton und uniform bezeichneten Kulturlandschaft zu liegen kommen

 
 

10   Grabenspeicher für die Löschwasserversorgung

 

Durch die hydrologische Vernetzung des Grabenspeichers sowie der anderen Retentionsräume mit dem Fließgewässer (Bach, Fluss) ist ein permanenter Wasserspeicher gewährleistet (perennierendes Gewässer), was bei den bislang vorhandenen Drainagegräben und Wassergräben nicht gegeben ist. Diese sind deshalb für eine Wasserspeicherung nicht geeignet, weil sie im Allgemeinen periodisch und vor allem in den Sommermonaten über einen längeren Zeitraum trockenfallen (temporäres Gewässer).

Die Grabenspeicher und anderen Retentionsräume führen als perennierendes Gewässer deshalb ganzjährig Wasser, weil deren Sohle grundsätzlich tiefer liegt als die Sohle des Vorfluters (Fließgewässer), also des Baches oder Flusses (siehe hierzu Kapitel 6).
Selbst bei einer stunden- oder tagelang anhaltenden Wasserentnahme für eine Brandbekämpfung würde die Löschwasserversorgung nicht zusammenbrechen, weil einmal ständig Wasser aus dem Bach, Fluss, Strom oder See nachfließt und zum anderen wegen der stetig vorhandenen hohen Wasserkapazität im Retentionsnetz selbst.

Die Wasserkapazität des Grabenspeichers kann dadurch erhöht werden, dass am Ende oder in der Mitte durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein Grabenteich für die Wasserentnahme zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Felder oder für die Löschwasserentnahme im Brandfall entsteht. Bewährt haben sich Wasserflächen von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr Metern.
Die weitergehende Vernetzung und der Ausbau mit bereits natürlich vorhandenen Retentionsräumen wie Mulden, Senken, Tümpeln, Rigolen, Sölle, Teiche und Weiher schaffen zusätzliche Wasserspeicherkapazitäten, um selbst gegen größere Naturkatastrophen wie Dürren, Wald- und Torfbrände in einer professionellen Weise angehen zu können.

Die bisherige Nutzung der ehemaligen Torfmoorgebiete wird durch den Umbau der millionenfach vorhandenen Drainagegräben zu Speichergräben in keinster Weise eingeschränkt, sondern das Gegenteil wird eintreten, indem die Infrastruktur eindeutig verbessert und die Katastrophengefahr signifikant gemindert wird.

Die beiden folgenden Schemazeichnungen sollen die grundlegende Idee zur naturnahen Wasserspeicherung verdeutlichen. Die Idee beruht auf dem physikalischen Gesetz der kommunizierenden Röhren.

Die hier beschriebenen Grabenspeicher und Löschteiche stellen Maßnahmen im Sinne einer Katastrophenvorsorge dar und können mit den früher üblichen Dorfteichen verglichen werden. Der Dorfteich gehörte früher zu jeder Siedlung, um im Brandfall Löschwasser zur Verfügung zu haben. Heute besitzen solche Feuerlöschteiche in der Dorfmitte oder am Dorfrand nur noch Seltenheitswert.

 

 

 

11   Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch

Dem permanent mit Wasser gefüllten Grabenspeicher und Grabenteich sowie den Retentionsnetzen lassen sich noch weitere Vorteile zuschreiben.
Die gezielte Speicherung von Sickerwasser, Niederschlägen und Hochwasser in den Grabenspeichern, Grabenteichen und kleinmaschigen Retentionsnetzen dient dem Landbau zur Bewässerung seiner Kulturflächen, der Wasserwirtschaft zur Grundwasseranreicherung (Infiltration) und nimmt insgesamt als stabilisierender Faktor einen positiven Einfluss auf den Wasserhaushalt. So bleibt beispielsweise bei extremen Niedrigwasserzeiten der Fließcharakter des Baches (Vorfluters) weitgehend erhalten, weil aus dem Retentionsnetz Wasser für das Fließgewässer gespendet wird.
Weiterhin wird ein wichtiger Beitrag zum präventiven Hochwasserschutz geleistet, indem die Flutwelle im Vorfluter gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Hier wird eine soziale Verantwortung gegenüber den Anwohnern flussabwärts wahrgenommen, indem Schadenshochwässer vermieden oder wenigstens gemindert werden.
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer geleistet.
Ebenso werden Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes unterstützt. Weiterhin trägt der Aufbau eines kleinmaschigen Retentionsnetzes zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird aufgrund der Schaffung neuer Biotope und der Biotop-Vernetzung erheblich zunehmen (Biodiversität).

 
 

12  Ausblick

Wald- und Torfbrandkatastrophen sind Ereignisse, die nicht vermeidbar sind. Moderne Löschfahrzeuge und Löschflugzeuge sowie zusätzliches Personal lösen das Problem der Wald- und Torfbrände in Russland nur wenig. Entscheidend bei der Bekämpfung dieser Brandkatastrophen ist eine breit angelegte und jederzeit verfügbare Löschwasserversorgung. Hierzu soll die vorliegende Projekt-Studie einen Beitrag leisten, um zukünftige Wald- und Torfbrände in Russland besser unter Kontrolle zu bekommen. Immense materielle Schäden werden dadurch gemindert und menschliches Leid gelindert. Parallel dazu werden die riesigen Mengen an freigesetztem Kohlenstoff, welcher signifikant in seiner gasförmigen Modifikation als Kohlenstoffdioxid zur Erderwärmung beiträgt, deutlich reduziert (Klimaschutz).

 

 

Wasser – eine lebenswichtige Ressource wird knapp
Ein Praxis-Bericht zur naturnahen Wasserspeicherung als Anpassungsstrategie zum Klimawandel

Von
Dr. Erich Koch, Altshausen

 

Nach den aktuell vorliegenden Klimamodellen für die Zukunft in Deutschland ist mit verstärkten Extremwetterereignissen sowie wärmeren und trockeneren Sommern einerseits und milderen und feuchteren Wintern andererseits zu rechnen. Diese Phänomene sind derzeit überall in Deutschland und Mitteleuropa bereits zu beobachten. Unmittelbare Auswirkungen auf Landwirtschaft und Forstwirtschaft, Garten- und Weinbau sowie Fischerei und Teichwirtschaft sind die Folge. So werden Bauern und Forstwirte, Gärtner und Weinbauern, Fischer und Teichwirte mit einem zunehmenden Wasserdefizit während des Sommers konfrontiert. Dem gegenüber steht ein Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr. Im vorliegenden Bericht wird ein einfaches, naturnahes Verfahren beschrieben, wie einem zunehmenden Trockenstress in der Vegetationsperiode einerseits und den zunehmenden Niederschlägen im Winter andererseits in der Praxis begegnet werden kann.

 
 

Wasserbau und Kulturmaßnahmen
Gestern wie heute plant und führt der Mensch wasserbauliche Maßnahmen aus, um Wasser zu nutzen und sich gegen Hochwasser zu schützen. Doch er schafft dadurch neue Gefahrenherde und Risiken. Die größten Veränderungen im vergangenen Jahrhundert wurden im Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus durch den Ausbau der Gewässer III. Ordnung erzeugt. Ein Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar Rinnsale oder nur zeitweise wasserführenden Gräben wurde mit immensem Aufwand an Geld so ausgebaut, dass die Niederschlags- oder Sickerwasser schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurden („Beschleunigungsrinnen“). Dadurch laufen die Hochwasserwellen tendenziell erheblich schneller ab und bilden immer höhere Spitzen. Ein Großteil der Hochwasserschäden, die Ende des 20sten Jahrhunderts und vor allem in den letzten Jahren zustande gekommen sind, beruht auf diesen Maßnahmen. Für wenige Hektar „hochwasserfrei“ angelegter Auen, die landwirtschaftlich genutzt werden können, haben die Anwohner flussabwärts und die Steuerzahler insgesamt unverhältnismäßig hohe Schäden abbekommen. Niederschläge normaler Größenordnungen, die keineswegs über die Regenmengen früherer Jahrhunderte hinausgehen, schwellen zu nicht mehr kontrollierbaren Fluten an, weil praktisch alle Rinnsale, Gräben, Bäche und Flüsse das Wasser schnellstens ableiten. Die eingeschnürten Flüsse können diese Fluten natürlich nicht mehr fassen.
Hinzu kommt oftmals ein weiteres Problem: Wenn sich die Hochwasserscheitel von Nebenflüssen mit dem des Hauptflusses ungünstig überlagern, dann führt dies zu einem Staueffekt mit immer dramatischeren Überschwemmungen. Diesen Staueffekt kann man beispielsweise jährlich in der bayerischen Donau-Stadt Passau beobachten. Denn hier fließen bekanntlich drei Flüsse aus drei Himmelsrichtungen zusammen: Donau, Inn und Ilz. Hier muss die Flut förmlich über die Ufer springen. Damit sind Hochwasser-Katastrophen oftmals von Menschen gemachte Schadenskatastrophen.

Geht man der Frage nach, wie viele Fließgewässer es in Deutschland gibt, und hierbei nur die natürlichen Gewässersysteme berücksichtigt, wie sie in den Topographischen Karten 1 : 25.000 enthalten sind, gibt es allein in Deutschland etwa 680.000 Kilometer Fließgewässerstrecken. Rechnet man die zahlreichen kleinen, künstlichen Fließgewässer wie Gräben, Kanäle usw. hinzu, kommt man auf eine Gewässerlänge von über einer Million Kilometern.
Dieses riesige Potenzial an unzähligen kleineren Fließgewässern mit ihren Regulierungen bewirkt in ihrer Akkumulation der Abflussmengen und Abflussgeschwindigkeiten die eigentlichen Hochwasser-Katastrophen.
Die hohe Bedeutung gerade dieser kleinen Fließgewässer ist in der Vergangenheit ausnahmslos missachtet worden. Denn vor allem kleinere Gewässer mit einem hohen Anteil an versiegelten Flächen können sich innerhalb kurzer Zeit in reißende Flüsse verwandeln, bei denen der Wasserstand sich verzehnfacht, punktuell und bei Extremsituationen sogar mehr als verzwanzigfacht.
Dieses Hochwasser verursachende Gewässer-Potenzial soll anhand der sog. „Elbeflut“ vom August 2002 verdeutlicht werden. Der Begriff „Elbeflut“ weist in eine völlig falsche Richtung, denn im Elbetal selbst entstand nur ein Bruchteil der Schäden. Die großen Verwüstungen traten an den Zuflüssen der Elbe auf, oft an kleinen Bächen und harmlos dahin plätschernden Rinnsalen, die in kürzester Zeit zu reißenden Strömen wurden. Und hier muss das immense Potenzial an Kleingewässern stets im Bewusstsein bleiben. Denn kleine Gewässer sind quantitativ und qualitativ die „Kinderstube“ der großen Bäche und Flüsse. Deshalb können diese immer nur so gut sein, wie es die vielen kleinen Gewässer im Einzugsgebiet zulassen.
So wurde die Stadt Grimma nicht durch die Elbe vier Meter hoch überflutet, sondern durch den Nebenfluss Mulde. Der Ort Weesenstein wurde durch das Flüsschen Müglitz regelrecht zerstört und selbst der Sturzbach durch den Dresdner Hauptbahnhof hatte nichts mit dem Hochwasser der Elbe zu tun, sondern wurde durch die Weißeritz verursacht. Dieser Bach stand mit einem 100-jährlichen Abfluss von 350 m³/s zu Buche, der jetzt ankommende Scheitelabfluss lag bei 600 m³/s. Das Flussbett der Weißeritz, die im Stadtgebiet Dresdens heute teilweise unterirdisch fließt, war diesen Wassermassen nicht mehr gewachsen. Das überschießende Wasser suchte seinen alten Weg – und auf diesem steht mittlerweile Dresdens Hauptbahnhof.
Das Fazit ist: Kleine Gewässer - Große Wirkung!

Eine der Hauptursachen für die Hochwasser-Katastrophen ist, dass man die im 19ten Jahrhundert begonnene Regulierung der Flüsse konsequent im 20sten Jahrhundert bis in die Quellbezirke der Gewässer zu Ende führte. Die davon ausgelösten Hochwasser-Katastrophen sind damit keine Folge einer in Gang gekommenen Klimaerwärmung, sondern hausgemachte Ergebnisse des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Die Verantwortung hierfür endet an den jeweiligen Flurstücken oder spätestens an den Grenzen des hier zuständigen Wasserwirtschaftsamtes. Weiterhin wurden und werden in der Bau- und Landnutzungsplanung regelmäßig Fehler gemacht. Die Missachtung hydrologischer Bilanzierungen und ökologischer Sachverhalte sind oft die Ursachen für Schadenshochwässer mit teilweise verheerenden Auswirkungen.

 

Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir weiterhin das Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell an die Unteranlieger weiterleiten oder den Wasserrückhalt in der Fläche fördern und damit einen Beitrag zur Eindämmung von Hochwasserschäden leisten sowie neue Lebensräume für eine Gewässerfauna und -flora schaffen.

 

Radikales Umdenken gefordert
Jährlich fließen Steuermittel von mehr als einer Milliarde Euro zu einem großen Teil den Flurbereinigungsbehörden zu, um vorhandene Wassergräben, Tümpel und Senken zu verfüllen sowie Flurgehölze, Brachland- und Feldgehölzinseln zu roden, damit größere Flächeneinheiten für landwirtschaftliche Großbetriebe geschaffen werden. Die Flurbereinigung dient primär dem Ziel, im Interesse der industriellen Landwirtschaft möglichst hohe Ertragssteigerungen zu erzielen. Deshalb strebt die Flurbereinigung an, das Oberflächenwasser auf direktem Wege rasch in Kanäle und andere Vorfluter abzuleiten.
Ähnliche Maßnahmen werden auch von den Wasserverbänden, Straßenbauämtern, Land- und Forstwirten sowie von Bauherren durchgeführt, um anfallendes Regenwasser direkt in den nächsten Vorfluter und diesen in die Täler abzuleiten. Um die Strömung der Bäche und Flüsse zu beschleunigen, werden Bachbette tiefer gelegt und zum Teil gepflastert. Weiterhin zählt zum üblichen Standard-Programm der Wasserbaumaßnahmen das Begradigen der Gewässer (sog. „Wasser-Rennstrecken“), ebenso die Verrohrung kleiner Fließgewässer. Uferbewuchs erscheint als unnötiges Hindernis und fällt den Ausbaumaßnahmen zum Opfer. Weiter flussabwärts führen diese Maßnahmen durch den Staueffekt immer wieder zu katastrophalen Verhältnissen und Überflutungen, welche immense Schäden in Milliardenhöhe zur Folge haben können.

Blicken wir in der Geschichte zurück: Im Verlauf des 15ten bis 19ten Jahrhunderts legte man im Gebiet des Landkreises Ravensburg rund 2.400 Weiher an. Im Rahmen der in den Jahren 1978 bis 1981 im Landkreis Ravensburg durchgeführten Feuchtgebietskartierung wurden lediglich noch 659 der 2.409 Weiher und ehemaligen Weiher aufgenommen. Der Rest war trocken gelegt worden. Damit wurde der allergrößte Teil der früheren Weiher aus dem Bild und dem Verbund der Kulturlandschaft völlig eliminiert. Dadurch verlor man 25 bis 30 Millionen Kubikmeter an Speicherraum für das Niederschlagswasser. Und dies allein nur im Landkreis Ravensburg. Die daraus resultierenden Probleme für den Landschaftswasserhaushalt sind allgemein bekannt: Absinken der Grundwasserstände, mangelnde Grundwasserneubildung, schnelle und starke Hochwasserabflüsse durch Kanalisierung und Auslegung des Bachbettes mit Sohlplatten, allgemein stark schwankende Wasserführungen der Fließgewässer sowie zunehmende Überschwemmungen mit immensen materiellen Schäden und Todesopfern. So stellt sich die Frage, ob wir aus der Geschichte wirklich nicht lernen können.
Und hier muss radikal umgedacht werden. Was durch den Klimawandel erfolgt, wird ein Wassermangel in Mitteleuropa sein. Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz“ postuliert werden:

 

Das Wasser zurückzuhalten muss oberste Priorität haben.

 

Problemlösung: Natürliche Wasserspeicher nutzen
Die ehemaligen Auenlandschaften, in denen sich die Wasserfluten ausbreiten konnten, sind weg, zugebaut, verbraucht und können nicht mehr zurück gewonnen werden. Wo kein Platz mehr ist, kann man keine Deiche rückverlegen, keine Auenlandschaften gründen und keine neuen Mäander-Strukturen schaffen. Der Gedanke an eine Renaturierung unserer Flussauen muss daher oftmals leider „Naturromantik des 18ten Jahrhunderts“ bleiben.
Die gebetsmühlenartig geforderte Herstellung von Auenwäldern und Mäanderstrukturen ist nur dann für den Hochwasserschutz und die Anreicherung von Grundwasser wirksam, wenn diese das Gewässer von der Quelle bis zur Mündung begleiten. Nur zwischendrin Auewälder und Mäanderstrukturen für teures Geld zu errichten, bringt so gut wie nichts. Allgemein werden die Renaturierungsmaßnahmen in ihrer Wirksamkeit überschätzt oder falsch dargestellt. Sie können in der Regel kein wirkliches Katastrophen-Hochwasser verhindern, es sogar oft nicht einmal signifikant mindern. Dazu sind die Wassermassen einfach zu riesig, die an den großen Flüssen bei Extremereignissen anfallen.

Die grundlegende sowie nahe liegende Idee ist, das Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in kanalisierten Bachläufen abzuleiten („Beschleunigungsrinnen“), sondern das Wasser, eines unserer wichtigsten Lebensgüter, von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers unter optimaler Nutzung aller natürlichen und künstlichen Speichermöglichkeiten zurückzuhalten. Natürliche Speicher sind Waldungen, Moore, Seen, Tümpel, Weiher, Senken und Überschwemmungsgebiete.

Das Gefälle umkehren!
Dränage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein „negatives“ Gefälle. Sie werden zur Senke ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Dränagegraben signifikant zu erhöhen. Dadurch wird eine natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst erreicht. Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung im Grabenspeicher soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle des Vorfluters liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen auch mehr (> 1 m). Damit ist gewährleistet, dass der ehemalige Wasserabzugsgraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gegeben ist. Neue Lebensräume von höchster Qualität für Aquafauna und -flora können sich dadurch entwickeln.

Der Autor dieses Berichtes möchte aufgrund seiner rund 40jährigen Erfahrung allen Bauern, Forstwirten, Gärtnern und Weinbauern sowie Fischern und Teichwirten Mut machen, bisherige Dränagegräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Weiher, Mühlen- und Fischteiche für eine natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden. Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume mit dem Vorfluter, eine Grundvoraussetzung, muss geschaffen werden. Weiterhin ist zu prüfen, ob alle Maßnahmen zur Verzögerung des Wasserabflusses erfolgt sind. Denn zugespülte Weiher, verschlammte Gräben und Teiche oder vermurte Bäche sind nicht mehr für einen Wasserrückhalt wirksam.
Künstliche Wasserspeicher wären Stauseen-Ketten, aber auch Mühlen- und Fischteiche. Es ist vorhersehbar, dass Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Flutungsflächen die Natur zukünftig mitprägen werden. Die besten natürlichen Vorbilder für eine solche Stauseen-Kette sind unter anderen der Bodensee, Genfer See und Chiemsee.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz an Kubaturen (Geländehohlformen) aufgebaut, um den überwiegenden Teil von Niederschlägen zu speichern. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Speicherräume als Wasserspender.
 

Die Nährstoffauswaschung wird reduziert
Die gezielte Speicherung von Niederschlägen oder Hochwasser dient dem Landbau zur Bewässerung, der Wasserwirtschaft zur Grundwasser-anreicherung (Infiltration) und wirkt als präventiver Hochwasserschutz, indem die Flutwelle im Fließgewässer gekappt und in die Breite abgeleitet wird („Hochwasser zu Breitwasser!“). Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird gefördert.
Die Grabenspeicher sowie allgemein das Retentionsnetz bewirken eine erhebliche Verminderung der Fließgeschwindigkeit des Drän- und Oberflächenwassers und leisten damit einen deutlich messbaren Beitrag zur Verringerung der Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer. Insbesondere wird der Nitrat-Eintrag durch die Selbstreinigungsvorgänge im Retentionsnetz reduziert. Wasserorganismen, Protozoen und Wasserpflanzen nehmen das im Wasser gelöste Nitrat auf, bauen es als körpereigenen Stoff ein und im Stoffwechsel wird das Nitrat zu Eiweißsubstanzen umgewandelt und fixiert.
Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes werden unterstützt und als solche besonders im Sinne der Wasserrahmenrichtlinien nachhaltig verfolgt.
Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird durch den Aufbau eines solchen Retentionsnetzes erheblich zunehmen. Denn stehende Kleingewässer, wie Tümpel und krautreiche Gräben, sind Heimat und Lebensgrundlage für weit über 1 000 Tierarten, besonders Fische, Vögel, Amphibien (z.B. Frösche, Kröten, Molche), darunter viele Kleintiere, und für über 200 Pflanzenarten.
Auch wird eine soziale Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern flussabwärts wahrgenommen. Denn Schadenshochwässer zu vermeiden gebietet die Menschlichkeit. Das „Hydrologische Sankt Florian Prinzip“ darf es nicht mehr geben.


Technische Realisierung
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits Dränagegräben vorhanden, teilweise auch in Waldstandorten, jedoch mit einem Gefälle zum Vorfluter ausgebildet und nicht als Senke ausgelegt. Diese bereits vorhandenen Dränagegräben, welche meist entlang den Parzellengrenzen verlaufen, beanspruchen in der Regel ca. 1 bis 2% der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln, z. B. einem Minibagger, zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für das Anlegen eines Grabenspeichers liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12 Jahre muss eine Entschlammung der Grabenspeicher sowie der anderen Rückhalteräume durchgeführt werden. Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle 1 Meter betragen. Zu Beginn des Grabenspeichers kann ein kleiner Weiher für eine eventuelle Wasserentnahme in den Sommermonaten entstehen. Der Weiher kann nicht leerlaufen, weil er stets mit dem Fließgewässer vernetzt ist. Bewährt haben sich Größen von 20 bis 100 Quadratmetern für den Weiher und einer Tiefe von 1 bis 2 Metern. Sehr schnell wird ein solches Stillgewässer mit seinen abgeflachten Ufern von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“, eine sogenannte „Natur aus zweiter Hand“. Wasservögel besuchen ein solches Biotop stundenweise, zum Teil wird auch gebrütet und selbst Bachforellen gehen dort auf Froschfang.

 

Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen Wasser-Rückhalteraumes („Biotop aus zweiter Hand“) mit einer krautreichen Wasserflora und zugleich Schaffung eines Habitats für gefährdete Kleinfischarten, wie zum Beispiel der Karausche.

 

Bei Hochwasser von 1 m über Normalnull können in solchen Grabenspeichern, je nach Länge, mehrere 100 Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Ein Teil dieser Wassermengen steht den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung. Der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann jetzt während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine Bewässerung sinnvoll genutzt werden.
Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher bedingt eine weitgehend geregelte Evapotranspiration aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen konventionellen Dränagegräben bricht dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel zusammen. Dies führt zu einer Austrocknung des Oberbodens, der Krume bei Ackerböden und dem durchwurzelten Horizont bei Grünlandböden. Deshalb darf die Frage erlaubt sein, ob die seit rund 200 Jahren auf den land- und forstwirtschaftlichen Kulturflächen millionenfach angelegten Dränagegräben richtig konzipiert sind, wenn sie während den Sommermonaten, also genau zur Hauptvegetationszeit, meistens kein Wasser führen.


Klimawandel
Unstrittig ist, dass bei einem Temperaturanstieg die Atmosphäre mehr Wasserdampf aufnehmen kann und es demzufolge grundsätzlich auch zu höheren und damit extremen Regenmengen innerhalb eines Regenereignisses kommt. Über das Jahresmittel wird jedoch die absolute Niederschlagsmenge tendenziell abnehmen. Ebenso hat sich auf breiter wissenschaftlicher Front die Erkenntnis durchgesetzt, dass der beobachtete weltweite Temperaturanstieg von etwa 0,7 °C in den letzten hundert Jahren zu einem wesentlichen Teil vom Menschen verursacht ist. Wir stehen allerdings erst am Anfang einer wirklich bedrohlichen Entwicklung mit einem globalen Temperaturanstieg innerhalb dieses Jahrhunderts um voraussichtlich bis zu 6 °C, auch wenn die internationale Politik bemüht ist, den Temperaturanstieg auf 2 °C bis zum Jahre 2050 zu begrenzen.

Für die landwirtschaftliche Produktion in Mitteleuropa bedeutet dies:

 
  • Zunahme an Wärme
  • Konstanz an Sonnenlicht
  • Abnahme an Wasser
  • Abnahme an Bodenfruchtbarkeit

Eine intensive landwirtschaftliche Nutzung kann nur erfolgen, wenn alle vier Faktoren überreich vorhanden sind. Bei Mangel einer der vier Faktoren bricht bereits nach wenigen Jahren eine Überschussproduktion zusammen. Wollen wir auch zukünftig ernten, um uns ernähren zu können, so muss alles getan werden, fruchtbaren Boden zu erhalten und zu mehren sowie Wasser zu speichern. Machen wir uns bewusst, dass lediglich 0,3 % des Wasservorrats der Erde uns zur Verfügung stehen. Deshalb ist es töricht, ein solch kostbares Lebensgut in kanalisierten Bach- und Flussläufen auf schnellstem Wege abzuleiten. Nach kurzer Zeit ist das wertvolle Süßwasser als Salzwasser „verbraucht“. Deshalb muss es oberstes Ziel sein, so viel Wasser wie möglich und so lange wie möglich in der Fläche zu halten.

Das Lebenselement Wasser steht dabei stellvertretend für alle natürlichen Rohstoffe. Wir müssen lernen, mit unseren Lebensgrundlagen vernünftig und haushälterisch umzugehen.

 

 

Moorlandschaften und Feuchtgebiete aufwerten und neue Fischhabitate schaffen

 

In Deutschland haben sich Moore nach Ende der letzten Eiszeit vor gut 10 000 Jahren gebildet. Ursprünglich waren etwa 4 Prozent der Landesfläche (= 15 000 km²) von Mooren bedeckt. Gerade einmal 5 Prozent dieser Moore können heute noch als intakt angesehen werden. Früher wurden Moore als wertlos und „öde“ angesehen. Heute entdeckt man ihre große Bedeutung als Lebensraum für hochspezialisierte Pflanzen und Tiere, für den Wasserrückhalt und den Klimaschutz. Moore sind wichtige Kohlenstoff- und Stickstoffspeicher.
Viele Fehler aus früherer Zeit können mit geringem Aufwand wieder rückgängig gemacht werden. Dafür gibt es hoffnungsvolle Ansätze im Sinne der Anwendung des Paragrafen 1(3) Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) für einen ausgeglichenen Niederschlags-Abflusshaushalt. Die vorliegende Expertise ist ein Maßnahmenbeispiel für einen solchen Ansatz, erlittenen Schaden wenigstens zu begrenzen. Und ganz nebenbei, quasi als Nebeneffekt, würden zahlreiche Mikrobiotope und Fischhabitate entstehen. Dies wäre ein möglicher großer Erfolg für die Ichthyologie.

 

von
Dr. Erich Koch, Altshausen

 

Den Mooren das Wasser abgegraben
Die Urbarmachung von Mooren und Sumpfgebieten war eine große Herausforderung im 19ten Jahrhundert. In den Sümpfen und Mooren steckten die letzten Landreserven für die damalige Bevölkerung, die sich kaum selbst ernähren konnte. In den Feuchtgebieten verbargen sich noch ungenutzte Möglichkeiten, insbesondere nährstoffreiche Böden, sofern es sich um Flachmoore und Auwälder handelte. Das Zuviel an Wasser schränkte die Nutzung dieser Böden ein. Deshalb wurden Moorkultivierungsprogramme und Gewässerregulierungen in großem Stil in Angriff genommen. Den Sümpfen und Mooren Kulturland abzuringen war gleichbedeutend mit hoher Leistung, Einsatzbereitschaft und Gemeinsinn. Denn der Einzelne wäre machtlos gewesen. Nur in der gemeinschaftlichen Anstrengung konnte es gelingen, die Feuchtgebiete trockenzulegen. Der kontrollierte Wasserentzug legte lockere, sich gut erwärmende und leicht zu bewirtschaftende, humusreiche Böden frei, die viele Jahre lang gute Erträge brachten.
Die Torfmoore lieferten außerdem Brennmaterial für den Hausbrand, umgewandelt in Torfkohle zum Heizen in zahlreichen gewerblichen Betrieben sowie zum Verfeuern in Dampflokomotiven. Weiterhin war Torf das Ausgangsmaterial für Aktivkohlen, Textilien bis hin als Kultursubstrat für den Garten- und Landschaftsbau.
Zwar sind die Bedeutung von Moor- und Sumpflandschaften für den Naturhaushalt heute bekannt und diese Biotope zum Teil geschützt, doch die Gefährdung bleibt bestehen: durch eine zunehmend industrialisierte Landwirtschaft, ebenso durch den zunehmenden Tourismus und Freizeitbetrieb.


Naturlandschaft - Kulturlandschaft

Mit eigenen Augen können wir sehen, wie unsere Landschaften sich verändern, mit einer Geschwindigkeit wie nie zuvor. Landschaft, verstanden als der ganzheitliche Zusammenhang von belebter und unbelebter Natur, von Mensch, Tier und Pflanze, als Lebensraum und Sozialraum, war immer in Veränderung, mal schneller, mal langsamer, aber nie so tiefgreifend wie in den vergangenen sechs Jahrzehnten. Der Mensch hat immer umgestaltend eingegriffen, sodass es heute bei uns eigentlich fast keine Naturlandschaften mehr gibt: Alle Landschaft ist letztlich Kulturlandschaft, vom Menschen gestaltet, nach seinen Bedürfnissen und Zielvorstellungen. Ziel war die Steigerung des Nutzens, der Produktivität.
Der gegenwärtige Zustand der Moore und Feuchtgebiete – egal, ob man ihn als zufriedenstellend oder besorgniserregend bezeichnet – ist eben das Ergebnis jahrhundertelanger menschlicher Eingriffe und Manipulation. Spät, vielleicht zu spät reifte die Erkenntnis, dass man des Guten auch zu viel tun konnte und dass die Erhaltung von Mooren und Feuchtgebieten in anderer Weise bedeutsam ist. Tatsache ist, ob in Bayern oder in der norddeutschen Tiefebene, dass mehr als 90 Prozent der Moore kultiviert sind und der verbleibende Rest ist so stark von außen beeinträchtigt, dass sich nur noch an wenigen Stellen einigermaßen funktionstüchtige Moorkomplexe halten können. Dies ist durch die Langsamwüchsigkeit der Moore bedingt. Als Durchschnittswert für die Torfablagerung in einem Moor ist ein Mittelwert von einem Millimeter pro Jahr anzusetzen. Vereinzelt sind auch bis zu 10 Millimeter bekannt. So benötigte die Entstehung des bekannten norddeutschen Teufelsmoores bei Worpswede etwa 8000 Jahre. Und aufgrund der schweren Eingriffe, welche eine Entwässerung bedeutet, können sich die Moore meist nicht mehr erholen.
Noch stärkere Verluste gab es bei den Feuchtwiesen entlang der Flüsse und Bäche. Das vorhandene Neigungsgefälle der Landschaft reicht zumeist aus, um über Drainagen die feuchten Quellhänge trockenzulegen, die Wiesen maschinengerecht herzurichten und im Verbund mit regulierten Gräben und Bächen eventuelles Hochwasser auf schnellstem Wege abzuleiten. Da die Bäche zumeist kanalisiert wurden, schicken diese das Hochwasser ohne Verzögerung in die Flüsse weiter, wo sich stromabwärts eine Hochwasserwelle aufbaut, die kaum mehr unter Kontrolle zu bringen ist.
Mit umgekehrtem Vorzeichen gilt dies für die niederschlagsarmen Perioden. Die Böden trocknen immer schneller aus, weil keine Speicherkapazitäten in Feuchtgebieten mehr vorhanden sind, die bei anhaltender Dürre ihr gesammeltes Überschusswasser wohldosiert abgeben könnten.


Wie kann es weitergehen?

Das Ziel verschiedener Naturschutzverbände, „200 Jahre menschliche Eingriffe ungeschehen zu machen!“ ist schlichtweg unrealistisch. Eine 200-jährige Kultur- und Naturgeschichte kann man nicht ungeschehen machen. Heute werden die meisten Moorstandorte land- oder forstwirtschaftlich genutzt.
Um wenigstens die Reste einer Naturlandschaft mit ihren herausragenden Lebensräumen zu sichern, können die folgenden Maßnahmen eingeleitet werden:

 
  • Degradierte Flächen verbessern
  • Vorräte schützen
  • Verluste eindämmen
  • Neue Biotope schaffen.
 
Es ist unzweifelhaft, dass intakte Moore faszinierende Landschaften mit einer besonderen Eigenart und Schönheit sind. Ihre scheinbare Unberührtheit, die großflächigen, weiten Feucht- und Auengrünlandbereiche sowie die Allgegenwart des Urelementes Wasser üben eine enorme Anziehungskraft aus. Deshalb müssen wir Maßnahmen ergreifen, diesen unersetzlichen Reichtum verschiedenartiger und zugleich unverwechselbarer Landschaftsbilder mit ihrer Flora und Fauna auch kommenden Generationen zu erhalten.
 

Moore haben die Menschen wohl zu allen Zeiten fasziniert und geängstigt. Auch wenn die Menschen von heute nicht mehr an Elfen und Moorgeister glauben, brauchen wir doch eine neue Ehrfurcht vor diesen letzten Urlandschaften in Deutschland.

 
Das Kubaturen-Modell am Beispiel des Königsauer Mooses in den bayerischen Isar-Auen
Das Königsauer Moos liegt in Niederbayern im Unteren Isartal. Es hat eine Fläche von 1300 ha und bildet eines der letzten großen Niedermoorgebiete in Bayern. Das Königsauer Moos kann die Funktion einer intakten Moorlandschaft nur noch sehr eingeschränkt erfüllen aufgrund der nahezu 200-jährigen intensiven Eingriffe in den Naturhaushalt des Riedes. Vor allem die Kanalisierung und Eintiefung der Isar Ende des 19ten Jahrhunderts bewirkte eine starke Entwässerung der Moorböden.
Von dem etwa 1300 Hektar großen Königsauer Moos sind 130 ha als Biotopflächen und 270 ha als Vertragsnaturschutzflächen ausgewiesen. Der überwiegende Teil des Niedermoorgebietes wird landwirtschaftlich genutzt. Deshalb können für eine Renaturierung des Königsauer Mooses nur eingeschränkte und differenzierende Maßnahmen durchgeführt werden.
Da die Nutzungsfunktionen des Königsauer Mooses auch weiterhin für die Bewohner des Rieds und seines Umfelds in den Isar-Auen einen bedeutenden Stellenwert behalten werden, ist eine räumliche Differenzierung für eine Renaturierung zwingend erforderlich. Daher werden hierfür vier Entwicklungszonen mit von außen (kulturgeprägtes Moor) nach innen (naturnahes Moor) abnehmendem menschlichen Einfluss flächenhaft abgegrenzt:
 
  • Regenerationszone (naturnahes Moor, keine Nutzung)
  • Stabilisierungszone (bedingt naturnahes Moor, Pflege im weitesten Sinne)
  • Extensivierungszone (kulturbetontes Moor, extensive Landwirtschaft)
  • Bewirtschaftungszone (kulturgeprägtes Moor, angepasste Land- und Forstwirtschaft)
Das im Folgenden beschriebene Kubaturen-Modell zur Moorschonung und Moorerhaltung beschränkt sich auf die Bewirtschaftungszone, ist graduell aber auch auf die Extensivierungszone anwendbar.

Extensivierungszone
Die Extensivierungszone umfasst Moorökosysteme mit vorwiegend kulturbetonten Lebensgemein-schaften. In der Praxis ist dies landwirtschaftlich extensiv genutztes Grünland. Der Wasserhaushalt soll in der Weise optimiert werden, dass eine starke Schonung des bestehenden Torfkörpers gewährleistet wird. Die Extensivierungszone nimmt die randlichen Bereiche des Moorkerngebietes ein. Besucherverkehr und Besucherinformation sind unter Beachtung der Nachhaltigkeit möglich.

Bewirtschaftungszone
Die Bewirtschaftungszone mit dem größten menschlichen Einfluss (Land- und Forstwirtschaft) bildet den äußeren Rand des gesamten Moorkomplexes. Hier befinden sich fast ausschließlich kulturgeprägte Lebensgemeinschaften. Der Wasserhaushalt soll so optimiert werden, dass eine weitgehende Schonung des Torfkörpers und damit eine langfristige Nutzbarkeit erreicht wird. In dieser Zone soll sich die naturnahe Erholung konzentrieren.


Seit 1900 ein 100 Kilometer langes Entwässerungsnetz

Die Ende des 19ten Jahrhunderts begonnene Isar-Regulierung und ihre Eintiefung schufen die Grundlage für ein ausreichendes Neigungsgefälle, um den Moorkomplex zur Isar hin zu entwässern. So entstand in den vergangenen 100 Jahren im Königsauer Moos ein engmaschiges Netz an Entwässerungsgräben und Vorfluter mit einer Länge von etwa 100 Kilometern, um dem Moor Kulturland abzuringen.

Moore sind Kinder des Wassers. Es sind nasse, mit niedrigen Pflanzen bewachsene Lebensräume. Das heißt, Moore sind für ihr Wachstum und Überleben dauerhaft auf einen Überschuss an Wasser angewiesen, entweder auf Grund- oder Überflutungswasser aus der umgebenden Landschaft oder im Falle der Hochmoore überwiegend auf Niederschlagswasser. Der ständige Wasserüberschuss bedeutet Sauerstoffmangel und führt zu einem unvollständigen Abbau des abgestorbenen pflanzlichen Materials, welches als Torf abgelagert wird.
 

Der ständige Wasserüberschuss ist der entscheidende Standortfaktor, der intakte Moore und ihre Lebewelt prägt.

 

Die Entwässerung von vormals wassergesättigten Torfen als den wesentlichen „baulichen“ Bestandteilen von Mooren führt zu deren Belüftung. Das konservierte pflanzliche Material zersetzt sich, weil es unter Sauerstoffeinfluss oxidiert und als gasförmiges Kohlenstoffdioxid (CO2) entweicht (Mineralisation). Zusätzlich wird das im Vergleich zu CO2 etwa 310-mal klimaschädlichere Lachgas (N2O) freigesetzt. Diese Belüftung verursacht darüber hinaus komplexe, teilweise irreversible Veränderungen der Torfe infolge von Prozessen wie Sackung, Schrumpfung und Mineralisation, die unter dem Begriff Moorschwund zusammengefasst werden. Moorschwund zeigt sich in einer kontinuierlichen Abnahme der Höhenlage der Mooroberfläche, die bis zu 10 Millimeter pro Jahr betragen kann, in besonderen Fällen sogar 2 cm! Über den Zeitraum eines Jahrhunderts kann der Moorschwund leicht Meterdimensionen erreichen, wie an Brückenbauwerken oder Stelzwurzeln ehemaliger Bruchwalderlen beobachtet werden kann.

 

Das Niveau der Brücke zeigt das Ausmaß einer Moorsackung durch Entwässerung in den vergangenen 100 Jahren. Der Niveauverlust beträgt etwa einen Meter.

 

Degradiertes Königsauer Moos
Für das Wachstum der torfbildenden Vegetation – überwiegend bestimmte Moose, Sauergräser und Schilf – und damit des Moores ist es wichtig, dass sich der Grundwasserspiegel dauerhaft ganzjährig nahe der Mooroberfläche bewegt. Dazu sollte die Wasserzufuhr wie Oberflächenwasser, Grundwasser und Niederschlagswasser möglichst während des ganzen Jahres gleichmäßig verteilt und größer als die Verdunstung sein. Dadurch ist gewährleistet, dass ständig ein natürlicher Abfluss des Überschusswassers möglich ist. Liegen solche Verhältnisse vor, ist die Wasserbilanz „positiv“, also im Sinne eines intakten Moores.
In intakten Mooren schwankt somit der Wasserspiegel oberflächennah und in engen Grenzen. Bei entwässerten Mooren liegt der mittlere Grundwasserstand tiefer und schwankt meist in einer deutlich größeren Amplitude. Wesentlicher Auslöser für derartige Veränderungen sind die Entwässerungsgräben und Dränagen. Deshalb ist es wichtig, alle derartigen Einrichtungen einschließlich ihrer Fließrichtung genau zu erfassen, weil diese zu einem schnellen Wasserabfluss führen, beispielsweise bei Tauwetter.

Bis Mitte des 20sten Jahrhunderts hat die bis dahin praktizierte, eher extensive Landwirtschaft zwar durchaus eine nachhaltige Beeinträchtigung verursacht, in der Summe hat sie jedoch durch die großflächige, eher pflegende Bewirtschaftung der blumenbunten Feucht- und Nasswiesen zur biologischen Vielfalt des Königsauer Mooses beigetragen. Erst mit dem Übergang zu intensiveren Nutzungsmethoden seit den 1960er Jahren hat sich das Bild im Königsauer Moos entscheidend gewandelt. Durch Systemdrainage und Meliorationsdüngung (starke Vorratsdüngung) entstanden hochertragsreiche Vielschnittwiesen. Der rasante Wandel in der Landwirtschaft mit hoher Spezialisierung führte schließlich zu einer Konzentration intensiv genutzten, artenarmen Grünlands.
Und noch immer wird dem Königsauer Moos das Wasser abgegraben, um vermehrt Feuchtwiesen in Ackerflächen umzuwandeln. Beide Tendenzen, Grünland- wie Ackerbewirtschaftung, führten zu einer starken Beeinträchtigung des in naturnahem Zustand weitgehend von mageren Verhältnissen geprägten Nährstoffhaushalts des Moores. Nährstoff-Ungleichgewichte aufgrund starker Stickstoff-Düngung sind heute kennzeichnend für weite landwirtschaftlich genutzte Flächen des Königsauer Mooses. Die blumenbunten und artenreichen Heu- und Streuwiesen sind heute nur mehr rudimentär vorhanden. Ein austrocknender, in Ackerfläche umgewandelter Moorboden zersetzt sich, gibt klimaschädigende Gase wie Kohlenstoffdioxid und Lachgas ab und setzt darüber hinaus grundwasserschädliches Nitrat frei.
Manche Auswirkungen von Eingriffen in den Wasserhaushalt von Mooren treten erst nach vielen Jahren zutage, wenn die Grundwasserpegel abgesunken sind, das Grundwasser mit Schadstoffen kontaminiert ist oder unzeitgemäße Stürme fruchtbare, aber zu trocken gewordene Ackerkrume wegblasen und damit die Aquafauna und -flora von Gewässern belasten. Wenn man mit Händen greifen kann, wie die Arten- und Lebensraumvielfalt (Biodiversität) schwindet, dann haben wir keine Zeit mehr zu verlieren: es muss gehandelt werden.
Das sind nur einige der wichtigsten Gründe, sich für den Lebensraum Königsauer Moos in vielfältiger Weise einzusetzen.


Den Moorschwund eindämmen und degradierte Flächen verbessern

Das Königsauer Moos umfasst ein rund 100 Kilometer langes Entwässerungsnetz. Der nahe liegende Gedanke ist, das seit mehr als 100 Jahren bestehende Entwässerungsnetz ökologisch aufzuwerten.
Die bisherigen Entwässerungsgräben wurden meist mit einem Gefälle von ca. 1 Prozent zum Vorfluter, dem Fließgewässer, angelegt und letztendlich das Wasser in die Isar abgeleitet. Vor allem in den Sommermonaten treten in den Entwässerungsgräben stärkere Wasserstandsschwankungen auf und ein periodisches, längeres Trockenfallen ist die Folge. Dies beeinträchtigt nicht nur die Qualität als Lebensraum erheblich, sondern besonders auch den Erhalt des Torfkörpers.
Die Erfahrung zeigt, dass nur Gräben und Grabensysteme mit einem permanent anstehenden Wasserspiegel die Voraussetzung sind für die Entwicklung von Lebensräumen mit hoher ökologischer Qualität. So stellt sich die Frage, wie mit einfachen Mitteln dem Trockenstress in den Sommermonaten begegnet werden kann, welcher ein ganzes Bündel an negativen Konsequenzen für das Moor bewirkt. Das primäre Ziel ist es, den Moorschwund einzudämmen, die degradierten Flächen zu verbessern und eine Stabilisierung des Natur- und Wasserhaushaltes zu erreichen.


Das Kubaturen-Modell: „Raum statt Fläche“

Die grundlegende Idee des Kubaturen-Modells ist, das Niederschlags- und Drainagewasser nicht durch ein Gefälle der Grabensohle zum Fließgewässer (Vorfluter) hin schnellstmöglich abzuleiten, sondern das Wasser zu speichern, indem das Gefälle „gekippt“ und der Entwässerungsgraben zum Grabenspeicher (Kubatur) ausgebaut wird. Durch das „Kippen“ des Gefälles im Grabensystem erhalten die Drainagegraben ein „negatives“ Gefälle und werden zu Senken ausgebaut. Hiermit wird eine natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst erreicht: eine Maßnahme des Raumes. Die Sohle eines solchen Grabenspeichers liegt damit grundsätzlich tiefer (> 1 m) als die Sohle des Fließgewässers. Damit ist gewährleistet, dass der ehemalige Wasserabzugsgraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist und sich hierdurch neue Synergien entwickeln können. So beispielsweise die flächige Durchnässung des Torfkörpers (Torfkonservierung) bis hin zur Bildung neuer Lebensräume von höchster Qualität aufgrund der hergestellten Durchwanderbarkeit für die Gewässerorganismen.
Das Ziel muss sein, bisherige Wasserabzugsgräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, so genannten Retentionsräumen, zu erreichen („Raum statt Fläche“). Ebenso können Geländehohlformen (Kubaturen) wie Mulden, Senken, Nasswiesen, Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlags- und Sickerwassers genutzt werden. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz an Kubaturen aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge, des Sickerwassers und auch des Hochwassers zu speichern. Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Das bedeutet einen permanenten Kontakt mit dem Fließgewässer. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender. Das Retentionsnetz ist im Prinzip mit einer „Wasserschaukel“ vergleichbar.
Die Schemazeichnung „Gewässer-Systeme“ soll die grundlegende Idee des Kubaturen-Modells zur naturnahen Wasserspeicherung verdeutlichen. Die Idee beruht auf dem physikalischen Gesetz verbundener Gefäße (Kubaturen). Das Gesetz besagt, dass in allen kommunizierenden Gefäßen (= vernetzte Gefäße) die Oberflächen einer ruhenden Flüssigkeit in einer Ebene liegen. Für das Konzept des Retentionsnetzes (Kubaturen-Modell) bedeutet dies, dass alle natürlichen und künstlichen Wasserspeicher (Kubaturen) wie Mulden, Senken, Tümpel, Weiher, Teiche u.ä.m. durch ein vernetztes Grabensystem mit dem Fließgewässer (Vorfluter) verbunden sein müssen. Dann ist der Wasserspiegel im gesamten Retentionsnetz gleich hoch. Hiermit wird eine natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst erreicht.

 
 

Aus alten Gräben entstehen neue Biotope
Am Anfang eines Grabenspeichers kann, falls möglich, durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner Grabenteich mit abgeflachten Ufern geschaffen werden. Dies verbessert die Lebensverhältnisse der Limno-, Amphibien- und Avifauna. Sehr schnell wird ein solcher Grabenteich von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen, wie beispielsweise für die stark gefährdete Karausche.
Und ohne Zutun des Menschen bildet sich aus dem Grabenteich bald ein „Froschweiher“, eine so genannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte und an der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten Grabenteiche mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum, ein Mosaik unterschiedlichster Funktionsräume auf engstem Raum. Das begründet die Artenvielfalt (Diversität) und die Individuendichte (Abundanz).
Das Kubaturen-Modell zeigt, dass es mit einfachen Mitteln und einem überschaubaren Aufwand möglich ist, eine Verbesserung der Lebensräume von devastierten Moorgebieten zu schaffen. Vor allem an kleineren Gewässern, wie am Wiesengraben, lassen sich innerhalb eines kurzen Zeitraums sichtbare Erfolge erzielen.

Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass die Speichergräben ganzjährig mit Wasser gefüllt sind und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gewährleistet ist. Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume sichern vielen Tieren und Pflanzen das Überleben. Dadurch wird ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinanderstoßen.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens inmitten einer degradierten Moorlandschaft zu liegen kommen.

 

Ein Beispiel für einen naturnah geschaffenen Wasserrückhalteraum durch Aufweitung und Vertiefung des Profils eines ehemaligen Wasserabzugsgrabens zu einem Grabenteich. Neue Biotope für bestandsgefährdete Pflanzen- und Tierarten werden geschaffen, ebenso neue Fischhabitate. Durch den Wasserrückhalt wird weiterhin ein wesentlicher Beitrag zur Eindämmung von Hochwasserschäden geleistet.

 

Laichgründe entstehen
Es ist offenkundig: Die meisten Bäche und Flüsse in Europa haben trotz vielfach verbesserter Wasserqualität weder ihren früheren Artenreichtum, noch ihre einstige Produktivität wiedererlangt. Bereits in den 1970er Jahren wurde deutlich, dass eine gute, chemisch zu messende Wasserqualität nicht ausreicht. Die bisherige Nutzung der Bäche und Flüsse hat diese früher reich besiedelten Lebensräume vielerorts in verödete, unbewohnbare „Linien in der Landschaft“ verwandelt. Fische wurden daran gehindert, aufwärts zu ihren Laichplätzen zu wandern und früher gewundene Gewässer verwandelten sich zu eintönigen Kanälen, die unnötig hart unterhalten werden. Die Zerstörung von Lebensräumen im und am Gewässer ist offenkundig. Die einst reiche Natur der Gewässer verarmte. Und so kommt gerade den kleineren Gewässern eine besondere Bedeutung zu, vor allem den Bachoberläufen mit ihren verzweigten Grabensystemen und den kleineren Flüssen für die Vernetzung der Landschaft aufgrund ihrer sehr großen Streckenlänge.

Durch den möglichen Umbau der ehemaligen Drainagegräben zu Grabenspeichern, Grabenteichen und kleinen Weihern wird ein Netz an naturnahen Wasserrückhaltespeichern für Mensch und Technik, aber ebenso für Natur und Landschaft entstehen. Dieses kleinmaschige Gewässernetz aus krautreichen Gräben und Grabenteichen schafft eine ökologisch wertvolle Biotopvernetzung, welche den Graslaichern hervorragende Möglichkeiten bietet, ihren Laich abzulegen. Die ausgeschlüpften Brütlinge von Hecht, Barsch und Cypriniden finden dann ideale Habitate in solchen Grabensystemen. Diese seichten und vielfach auch gut strukturierten Kleingewässer eignen sich auch deshalb als hervorragende Laichplätze, weil sich in solchen Gewässernetzen die Brutfische, geschützt vor Hochwasser und Fraßdruck, ungestört entwickeln können um dann, wenn sie größer werden, ins Hauptgewässer abzuwandern. Nur die Herstellung von Laichgründen, verbunden mit der Wiederherstellung von geschützten Jungfischhabitaten, kann die verloren gegangene Selbstreproduktion wieder zurückbringen.


Synergien für Natur, Klima, Landwirtschaft und Mensch

Der gezielte Ausbau des im Königsauer Moos vorhandenen Grabensystems zu Grabenspeichern und Grabenteichen, was aus topografischen Gründen in der Isar-Aue einfach durchführbar wäre, ergäbe eine Reihe von Synergien:

1. Moorschwund eindämmen
Die Regeneration eines Niedermoores ist weniger aufwändig als die eines Hochmoores. Handelt es sich jedoch um Gebiete, die jahrelang landwirtschaftlich genutzt wurden, sind sie, aufgrund der Düngung und intensiven Bodenbearbeitung, nicht mehr für eine Renaturierung geeignet. Dies sind vor allem die Bewirtschaftungszonen, in abgeschwächter Form auch die Extensivierungszonen, also ein vom menschlichen Einfluss geprägtes Moorgebiet. Und hier findet das Kubaturen-Modell mit dem kleinmaschigen Retentionsnetz für eine Wasserrückhaltung seine Anwendung, um zumindest die Funktion als Pufferzone zu übernehmen.
Grabenspeicher und Grabenteich zeichnen sich durch eine permanente Wasserspeicherung aus (perennierendes Gewässer), im Gegensatz zum herkömmlichen Drainagegraben. Beim Drainagegraben liegen stärkere Wasserstandsschwankungen und im Allgemeinen ein periodisches, längeres Trockenfallen vor (temporäres Gewässer). Der Wasserstand schwankt meist mit einer großen Amplitude. Dies führt zu einer Mineralisation des Torfkörpers (= Moorschwund) und klimaschädigende Gase werden freigesetzt.
Grabenspeicher und Grabenteich führen dagegen als perennierendes (ganzjähriges) Gewässer ausdauernd Wasser. Der Wasserspiegel schwankt in engen Grenzen und bewirkt eine flächige Durchnässung des Torfkörpers (Moorkonservierung). Dies sichert den im Moor vorhandenen Kohlenstoffvorrat. Damit wird ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet.
Die periodische Einleitung von Hochwasserspitzen aus dem Fließgewässer in die Grabenspeicher und Grabenteiche bewirkt eine zusätzliche Wiedervernässung des Moorkörpers und leistet zusätzlich einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Hochwasserschutzes. Die Synergien mit dem Hochwasserschutz gilt es verstärkt zu nutzen.
Durch diese Sicherungsmaßnahmen in den Randzonen des Moores können sich dann langfristig im Kerngebiet natürliche und naturnahe Biotope und Biozönosen aufbauen.

2. Natur- und Landschaftsschutz
Durch die Grabenspeicher und Grabenteiche werden nicht nur neue Kleingewässer geschaffen, sondern es wird ein Netz an naturnahen Wasserrückhaltespeichern entstehen. Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume mit ihrer Biotop-Vernetzung kommen übrigens nicht nur gefährdeten Fischarten zugute, sondern sichern vielen anderen Arten (Vögel, Amphibien, Libellen u.a.), die durch menschliche Eingriffe in die Gewässerstrukturen in ihrem Fortbestand gefährdet sind, das Überleben. Vermutlich kommen im Projektgebiet zwischen 10 und 20 Fischarten vor. Eine umfassende Bestandsaufnahme der Fischfauna ist sehr erwünscht. Denn Fischbestände sind eine der vier Qualitätskomponenten der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL 2000) zur Beurteilung des ökologischen Zustandes von Fließgewässern.
Sicherlich werden solche technisch einfach durchführbaren Maßnahmen zur Biotoperhaltung und Biotopneuschaffung im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sein, deren erklärtes Ziel es ist, die Oberflächengewässer in einen mindestens „guten ökologischen und guten chemischen Zustand“ zu bringen.
Der Schutz und die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger und naturnaher Kleingewässer wird zukünftig nicht nur eine wichtige Aufgabe der Wasserwirtschaft sein („nationales Bachprogramm“), sondern erfordert ebenso eine intelligente Zusammenarbeit mit den verschiedensten Verbänden und Organisationen. Das Königsauer Moos bietet hierzu eine breite Palette an Möglichkeiten, biologische Vielfalt und Klimaschutz mit dem Hochwasserschutz zu verbinden. Es gibt wohl keine schönere und beglückendere Möglichkeit, technische Funktionen mit der Schaffung vielfältigster naturnaher Lebensräume zu verknüpfen.

3. Präventiver Hochwasserschutz
Die wirkungsvollste Möglichkeit, Hochwasserschäden zu begrenzen, ist der Rückhalt von Hochwasserspitzen bereits im Einzugsgebiet von Bächen und Flüssen unter optimaler Nutzung aller natürlichen und künstlichen Speichermöglichkeiten („Raum statt Fläche“). Durch den Aufbau einer Vielzahl naturnaher, hydrologisch vernetzter Retentionsräume (Grabenspeicher, Grabenteiche, Geländehohlformen) im Königsauer Moos kann ein wichtiger Beitrag zur dezentralen Hochwasserprävention geleistet werden, indem die Flutwelle im Vorfluter gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Hier wird eine soziale Verantwortung gegenüber den Anwohnern flussabwärts der Isar und Donau wahrgenommen, indem Schadenshochwasser vermieden oder wenigstens gemindert werden.

4. Wasser zu speichern – ein Segen für die Landwirtschaft
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in einem Grabenspeicher, je nach Länge und Profil, tausend und mehr Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem Wiesen und Äckern das so wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg zugeführt werden. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist dann besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der Heuernte auftritt und der Boden bei starker Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke besonders schnell austrocknet.
In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser aus den Grabenspeichern und Grabenteichen für eine künstliche Bewässerung oder Beregnung der Kulturflächen (Äcker, Wiesen, Wald) eingesetzt werden.
Auch das Kleinklima kann von diesen Bedingungen beeinflusst und nachhaltig verändert werden. Wenn die frostmildernde Wirkung der Wasserspeicher in der Landschaft fehlt, treten Spätfrostschäden häufiger auf. Die Pflanzen sind stärkeren Schwankungen ausgesetzt und sie werden dadurch anfälliger.
Das sind handfeste wirtschaftliche Gründe, die gegen die Wasserabzugsgräben und für die Grabenspeicher sprechen. So wäre es für die Land- und Forstwirtschaft eher ein Segen, sich vom konventionellen Drainagegraben als technische Entwässerungs- und Wasserbeschleunigungsrinne zu verabschieden und dafür mit dem Wasser haushälterisch umzugehen: Das Wasser zurückzuhalten, muss oberste Priorität haben.


Alle sollen gewinnen!

Nicht nur die wild lebenden Tiere und Pflanzen sollen im Moor überleben – auch die Menschen können ein einzigartiges Stück Natur zurück gewinnen und damit ein Plus an Lebensqualität.

 

Ein ehemaliger Industrie-Torfstich wurde durch behutsame Renaturierungsmaßnahmen wieder ökologisch deutlich aufgewertet.

 

Moore sind Naturkleinode und eine Attraktion als Erholungsraum für eine ganze Region. Moore kühlen das Kleinklima und sorgen für Frischluft. Zudem bilden Moore einen wichtigen Baustein im landesweiten Biotopverbund. Und auch die Landwirtschaft soll profitieren – durch ein positives Verhältnis zum Wasser, durch neue Perspektiven und naturverträgliche Landnutzungskonzepte.

Noch ist es nicht zu spät, unsere restlichen Moore und Feuchtgebiete so zu schützen, dass sie heute und künftig ihre Funktionen im Naturhaushalt erfüllen können und gleichzeitig Reserven für die Zukunft bilden. Noch haben sie die Fähigkeit zur Regeneration. Gerade jetzt, in einer Zeit des Überflusses, sollten wir es uns am ehesten leisten können, für die Zukunft vorzusorgen. Dazu kann jeder seinen Beitrag leisten.


Das Kubaturen-Modell


Das „Kubaturen-Modell“ als naturnaher Hochwasserschutz, Verbesserung des Wasserhaushalts, Schaffung neuer Lebensräume und zur Schonung des Klimas

 

Von
Dr. Erich Koch, Altshausen

 

Hochwasser-Katastrophen verursachen Jahr für Jahr in Deutschland immense Schäden, zum Teil in Milliardenhöhe. Menschliche Fehlplanungen und Handlungen, Missachtung hydrologischer Bilanzierungen und ökologischer Sachverhalte sind oft die Ursachen für die immer gewaltiger werdenden Auswirkungen beim letztlich nicht verhinderbaren Naturereignis Hochwasser. Nicht Hochwasser, sondern die Schadenshochwasser müssen von vornherein vermieden werden. Ein praktikables, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept, diese jährlich wiederkehrenden Schadenshochwasser zu vermindern, besteht im Aufbau einer Vielzahl kleiner, vernetzter Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche („Kubaturen-Modell“). Soziale Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden muss gegenüber den Anwohnern flussabwärts geleistet werden. Das „Hydrologische Sankt-Florian-Prinzip“ muss verneint, dafür ein „nationales Bachprogramm“ sowie darüber hinaus eine institutionelle und räumliche Grenzen überschreitende „Hochwasserschutz-Ökoallianz“ für die großen Flüsse und Ströme gegründet werden.

 

1. Vorwort
Wie so häufig, lassen sich nicht alle Probleme allein mit technischen Mitteln lösen. Der technische Hochwasserschutz durch Mauern, Deiche, Schöpfwerke oder Hochwasserrückhaltebecken kann die Nutzungsbedingungen am Gewässer zwar verbessern, die Hochwassergefahr als solche aber nicht beseitigen. Jeder technische Hochwasserschutz hat immer nur eine sektorale Wirkung. Es wird der lokale Hochwasserschutz verbessert, aber oftmals wird damit die Hochwasser-Problematik weiter flussabwärts verlagert.
Die Erfahrungen aus den Hochwasser-Katastrophen der letzten 30 Jahre brachten den eindeutigen Beweis, dass der technische Hochwasserschutz an seinen Grenzen angelangt ist. Wir können Hochwasser nur mindern helfen, wenn wir die natürlichen Funktionen des Wasserrückhaltes in der Fläche nachhaltig fördern. Extreme Hochwasser mit Sicherheit zu verhindern, ist letztlich unmöglich, doch die Hochwasserschäden mit einem Bündel an dezentralen Maßnahmen zu begrenzen, ist sehr wohl zu erreichen. Eine solche Einzelmaßnahme aus einem Bündel anderer Möglichkeiten ist das „Kubaturen-Modell“, welches hier vorgestellt werden soll.


2. Hausgemachte Verschärfung der Hochwasserereignisse
Neben den natürlichen Hochwasserursachen wird das Hochwassergeschehen auch durch den Menschen beeinflusst. Durch die Eingriffe des Menschen laufen die Hochwasserwellen heute schneller ab und bilden höhere Spitzen. Dies ist unter anderem eine Folge der Flussbegradigung und Kanalisierung, durch die die Flüsse natürliche Rückhalteräume in Form von Überschwemmungsgebieten verlieren und die Fließgeschwindigkeit erhöht wird. Ebenfalls haben Deichbau, Baugebiete und Verkehrswege in Überschwemmungsgebieten die natürlichen Überflutungsflächen bis zu vier Fünftel reduziert und den Hochwasserablauf weiter beschleunigt.
Die weitaus größeren Veränderungen im Wasser-Kulturbau erzeugte jedoch der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung (kleine Flüsse, Bäche, Gräben) im Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Generationen von Wasserbau-Ingenieuren haben daran gearbeitet, das Wasser immer schneller aus unserem Land herauszubringen. So wurde ein Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar Rinnsale oder auch nur zeitweise Wasser führenden Gräben mit immensem Aufwand an Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder Sickerwasser schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wird („Beschleunigungsrinnen“). Damit erhöhte sich die Entwässerungsgeschwindigkeit von früher 1 m/h auf heute bis zu 4000 m/h, zusätzlich bedingt durch eine verringerte Wasseraufnahme-Kapazität von Böden und Wäldern sowie eine immer noch zunehmende Flächenversiegelung durch Siedlung, Gewerbe, Industrie und Verkehr.

Geht man der Frage nach, wie viele Fließgewässer es in Deutschland gibt, und hierbei nur die natürlichen Gewässersysteme berücksichtigt, wie sie in den Topographischen Karten 1 : 25.000 enthalten sind, gibt es allein in Deutschland etwa 680.000 Kilometer Fließgewässerstrecken. Rechnet man die zahlreichen kleinen, künstlichen Fließgewässer wie Gräben, Kanäle usw. hinzu, kommt man auf eine Gewässerlänge von über einer Million Kilometern.
Dieses riesige Potenzial an unzähligen kleineren Fließgewässern mit ihren Regulierungen (= „Beschleunigungsrinnen“) bewirkt in ihrer Akkumulation der Abflussmengen und Abflussgeschwindigkeiten die eigentlichen Hochwasser-Katastrophen.
Die hohe Bedeutung gerade dieser kleinen Fließgewässer ist in der Vergangenheit ausnahmslos missachtet worden. Denn vor allem kleinere Gewässer mit einem hohen Anteil an versiegelten Flächen können sich innerhalb kurzer Zeit in reißende Flüsse verwandeln, bei denen der Wasserstand sich verzehnfacht, punktuell und bei Extremsituationen sogar mehr als verzwanzigfacht.


3. Ein symptomatisches Beispiel für den Verlust an Speicherraum
Blicken wir in der Geschichte zurück: Im Verlauf des 15ten bis 19ten Jahrhunderts legte man im Gebiet des Landkreises Ravensburg (Baden-Württemberg) rund 2.400 Weiher an. Im Rahmen der in den Jahren 1978 bis 1981 im Landkreis Ravensburg durchgeführten Feuchtgebietskartierung konnten nur noch 659 der 2.409 Weiher und ehemaligen Weiher aufgenommen werden. Der Rest war trocken gelegt und oftmals verfüllt worden. Damit wurde der allergrößte Teil der früheren Weiher aus dem Bild und dem Verbund der Kulturlandschaft völlig eliminiert. Dadurch verlor man 25 bis 30 Millionen Kubikmeter an Speicherraum für das Niederschlagswasser. Und dies allein nur im Landkreis Ravensburg. Die daraus resultierenden Probleme für den Landschaftswasserhaushalt sind allgemein bekannt: Absinken der Grundwasserstände, mangelnde Grundwasserneubildung, schnelle und starke Hochwasserabflüsse durch Kanalisierung und Auslegung des Bachbettes mit Sohlplatten, allgemein stark schwankende Wasserführungen der Fließgewässer sowie zunehmende Überschwemmungen mit immensen materiellen Schäden und Todesopfern. So stellt sich die Frage, ob wir aus der Geschichte wirklich nicht lernen können.
Und hier muss radikal umgedacht werden. Was durch den Klimawandel erfolgt, wird ein Wassermangel in Süd- und Mitteleuropa sein. Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz“ postuliert werden:

 

Das Wasser zurückzuhalten muss oberste Priorität haben.

 
 

4. Problemlösung: Natürliche Wasserspeicher nutzen
Die notwendige Rückverlegung von Deichen, verbunden mit einer möglichst weitgehenden Rückgewinnung von verlorenem Retentionsraum (Gewässerauen) mit natürlicher Überflutungsdynamik, bleibt oftmals nur Wunschdenken. Der Raum, den die Flüsse und Bäche im unregulierten Zustand einnahmen, ist längst anderweitig genutzt und oft nicht mehr zurück zu gewinnen. Weniger als 20 % ihrer natürlichen Überschwemmungsgebiete stehen den Flüssen nur noch zur Verfügung.
Für eine realistische Lösung der gesamten Hochwasserproblematik im Binnenland gibt es nur einen Weg, nämlich die Wasserrückhaltung in der Landschaft des gesamten Einzugsgebiets eines Gewässers. Denn der Anteil des Niederschlags, der direkt abflusswirksam ist, ist für die Hochwasserentstehung verantwortlich. Das Abflussgeschehen wird durch die Wechselwirkungen vieler verschiedener Faktoren bestimmt. Dazu gehören sowohl natürliche Gegebenheiten wie das Wasserspeichervermögen der Böden oder die zeitliche wie räumliche Verteilung der auftreffenden Regenmassen, als auch vom Menschen beeinflusste Veränderungen wie Bebauung und Nutzung der Flächen oder Gestaltung der Wasserläufe und Auen.
Wie groß der Anteil dieses Direktabflusses ist, hängt von dem Rückhaltevermögen des Einzugsgebietes ab. Maßgebend für diesen so genannten Gebietsrückhalt und damit für die Abflussbildung sind die Speichermedien Bewuchs, Boden, Gelände und Gewässernetz einschließlich der Gewässerauen. Dabei ist der Boden das leistungsfähigste Speicherelement. So weist die Bodenmatrix von Grünlandstandorten die günstigsten Infiltrations- und Speichereigenschaften auf.
Ein weiteres Speicherelement kann als flankierende Maßnahme mit einfachen Mitteln durch die bereits millionenfach vorhandenen Drainagegräben geschaffen werden. Der Drainagegraben ist bekanntlich ein Zweckbau im Sinne eines Entwässerungsgrabens, welcher Bodenwasser, Grundwasser, Hangwasser oder Quellwasser sammelt und in einen anderen Graben oder Bach (Vorfluter) abführt. Sein Verlauf ist meistens gestreckt, allenfalls leicht gekrümmt. Die Breite reicht von wenigen Dezimetern bis zu mehreren Metern und sein Profil ist meist kasten- oder trapezförmig. Vielfach markieren solche Gräben die Grenzen von landwirtschaftlichen Flurstücken.
Zweckbau heißt, dass ökologische Überlegungen oder die Überlegung, möglichst naturnah zu gestalten, beim Bau überhaupt keine Rolle gespielt haben. So hat der Drainagegraben primär eine technisch-ökonomische Bedeutung und dient der Sicherstellung eines hinreichenden Wasserabflusses (Dränung). Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (= Graben, Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der Drainagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 % angelegt.


5. Gefälle umkehren! - Das Kubaturen-Modell
Die nahe liegende, wie einfache Idee ist, den bisherigen Drainagegraben als Wasserabflussgraben in einen Wasserspeichergraben (= Grabenspeicher) umzubauen, indem sein Gefälle „gekippt“ wird. Die Drainage- und Wassergräben verlaufen bislang mit einem Gefälle zum Vorfluter, um das Sicker- und Niederschlagswasser schnellstmöglich in den Vorfluter abzuleiten. Durch das „Kippen“ des Gefälles im Grabensystem erhalten die Drainagegräben ein „negatives“ Gefälle und werden zu Senken ausgebildet, um das Wasser von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten. Hiermit wird eine natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst erreicht.
Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen mehr (> 1m). Damit ist gewährleistet, dass der ehemalige Wasserabzugsgraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gegeben ist. Neue Lebensräume von höchster Qualität für Aquafauna und -flora können sich dadurch entwickeln.

Das Ziel sollte sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, so genannten Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Geländehohlformen (Kubaturen) wie Mulden, Senken, Nasswiesen, Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlagswassers genutzt werden. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz an Kubaturen aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge und des Hochwassers zu speichern. Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume (Kubaturen) mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Das bedeutet einen permanenten Kontakt mit dem Fließgewässer. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender. Das System kann mit einer „Wasserschaukel“ verglichen werden. Das Retentionsnetz wirkt als stabilisierender Faktor für den Wasserhaushalt bis hin zur Milderung der Austrocknung von Bächen und Flüssen in Trockenzeiten.


6. Umweltwirkung
Das Ausmaß und die Art der Umweltwirkungen sind aufgrund der zahlreichen Synergien durchweg positiv. Das Retentionsnetz ist auf eine naturnahe Weise in die Landschaft integriert. Grabenspeicher, Grabenteich sowie die anderen natürlichen Kubaturen (Kleinrückhaltespeicher) führen als perennierndes (ganzjähriges) Gewässer ausdauernd Wasser und sind somit in der Lage, eine dauerhaft aquatische Lebensgemeinschaft zu beherbergen. Die so wichtige ökologische Durchgängigkeit zum Fließgewässer ist für die Aquafauna, wie Fische und Wirbellose, gewährleistet.


7. Das Kubaturen-Modell und seine hydrologische Wirkung
Die Idee des Kubaturen-Modells beruht auf dem physikalischen Gesetz verbundener Gefäße (Kubaturen). Das Gesetz besagt, dass in allen kommunizierenden Gefäßen (= vernetzte Gefäße) die Oberflächen einer ruhenden Flüssigkeit in einer Ebene liegen. Für das Konzept des Kubaturen-Modells bedeutet dies, dass alle natürlichen und künstlichen Wasserspeicher (Kubaturen) wie Mulden, Senken, Tümpel, Weiher, Teiche u.ä.m. durch ein vernetztes Grabensystem mit dem Fließgewässer (Vorfluter) verbunden sein müssen. Dann ist der Wasserspiegel im gesamten Retentionsnetz gleich hoch. Eine natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst wird dadurch erreicht. Die hydrologische Wirkung entspricht dem eines ungesteuerten Retentionsspeichers. Es wird Einfluss genommen auf Abflussbildung, Abflussvolumen und Wellenablauf im Fließgewässer.

Das Kubaturen-Modell (Kleinrückhaltespeicher, Geländehohlformen) als wirksame dezentrale Hochwasserschutzmaßnahme zeichnet sich durch seine Einfachheit aus, sowohl in der Erstellung wie danach in seiner Wirkung: naturnah und ohne menschliche oder technische Steuerung. Es ist eine mögliche Maßnahme für einen dezentralen Hochwasserschutz aus einem ganzen Bündel anderer Möglichkeiten. Gerade diese Summeneffekte sind für das hohe Retentionspotenzial dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen von großer Bedeutung und bewirken ihre Nachhaltigkeit.

Literatur:
Koch, E.: „Breitwasser statt Hochwasser!“. AFZ-Fischwaid, Heft 4, S. 14-19 (2013). Offenbach/M.


8. Drosseln als wertvolle Bausteine für das Kubaturen-Modell
Um ein frühzeitiges Ausufern des Fließgewässers bei Hochwasser in die Grabenspeicher zu ermöglichen, wurden schmale Gehölzstreifen als Drosseln in die Uferböschung des Fließgewässers gepflanzt. Als vorherrschende Holzart verwendete man die Schwarz- oder Roterle (Alnus glutinosa) sowie einige Baumweiden wie Bruchweide (Salix fragilis), Fahlweide (Salix rubens) und Silberweide (Salix alba). Auf reicheren Böden eignen sich als Ufergehölze die Esche (Fraxinus excelsior) und Traubenkirsche (Prunus padus). Zu ihnen gesellen sich Sträucher wie Hasel (Corylus avellana), Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus), Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) und Bluthartriegel (Cornus guinea).
Durch den ingenieurbiologischen Uferverbau wurde ein natürliches Profil mit Drosselfunktion in das Fließgewässer eingebaut, um ein Gleichgewicht zwischen dem Abfluss im Fließgewässer und der Wasserspeicherung im Retentionsnetz herzustellen. Sobald der Wasserstand über die Mittelwasserlinie hinaus ansteigt, wird das Fließgewässer eingestaut und die Retentionsräume (Grabenspeicher) in der Aue aktiviert. Die hydrologische Wirkung ist damit vergleichbar der eines ungesteuerten Hochwasserrückhaltebeckens, jedoch ein äußerst kostengünstiges Ausführungsmodell und insbesondere naturnah.
Als Drosseln eignen sich beispielsweise je nach örtlicher Gegebenheit auch Flussbausteine, Störsteine und Steinbuhnen, ebenso Weidengeflechte oder schräg zum Ufer installierte Pfahlbuhnen sowie auch nur aus wenigen Pfählen bestehende senkrecht zum Ufer eingeschlagene Pfahlreihen.


9. Vorteile des Kubaturen-Modells:

 
  • kostengünstig, da keine bautechnischen Maßnahmen erforderlich
  • geringer Flächenverbrauch durch eine kubisch angelegte Maßnahme („Raum statt Fläche!“)
  • minimaler Planungsaufwand
  • ökologisch wertvoll
  • Synergien für Mensch, Natur und Umwelt durch eine Verbesserung der Strukturgüte und des Landschaftsbildes
  • Ertragssteigerungen in der Land- und Forstwirtschaft durch Verbesserung der Bodenstruktur.
10. Historisches
Das Kubaturen-Modell wurde 1973 von Dr. Erich Koch begründet und auf seinen eigenen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flurstücken auf der Gemarkung Altshausen des Landkreises Ravensburg, Bundesland Baden-Württemberg, in die Praxis umgesetzt. Ausgangspunkt waren die mehrfachen jährlichen Überflutungen der Flurstücke durch ein angrenzendes kleines Fließgewässer. Eine sinnvolle Bewirtschaftung der Flächen war nicht mehr gegeben.
Die Schadensursache war aufgrund des Beobachtens der Naturgewalten eindeutig zu ermitteln. Es war die spontan auftretende Flutwelle im Fließgewässer. Hierbei handelt es sich physikalisch um eine extrem ansteigende potenzielle Energie. Die nahe liegende Idee war, diese schadensverursachende potenzielle Energie zu mindern. Dies wurde dadurch erreicht, dass die vor ungefähr 200 Jahren angelegten und alle etwa 30 Meter vorhandenen Drainagegräben mit Schaufel und Spaten auf eine Länge von zirka 100 Metern ausgehoben wurden. Der ehemalige Drainagegraben wurde in seinem Gefälle deutlich gekippt und zur Senke ausgebildet (Flutungsgraben). Die Sohle eines solchen Grabens, hier als Grabenspeicher bezeichnet, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Fließgewässers (Vorfluter). Mit dieser einfachen Maßnahme einer erheblichen Laufwegverlängerung sowie dem Einbau einiger Drosseln (Erlen und Weiden) am Uferrand des Fließgewässers traten seit rund 40 Jahren keine Überschwemmungsschäden mehr an den Flurstücken auf. Als einer von mehreren Synergieeffekten konnte bereits nach wenigen Jahren eine deutliche Zunahme an Biodiversität in den Grabenspeichern und deren Einzugsgebiet festgestellt werden.
 

 

„Moorgeister und Elfen im Pfrunger-Burgweiler Ried:
Kritische Anmerkungen eines Steuerzahlers“


Vortrag von Dr. Erich Koch, Altshausen, gehalten am 02. Juni 2010 in Laubbach, Gemeinde Ostrach.


Meine Damen und Herren!

Manche von Euch kennen mich seit rund 60 Jahren, einige kennen mich noch nicht. Deshalb möchte ich mich kurz vorstellen.
Mein Name ist Erich Koch, ich bin hier in Ostrach aufgewachsen und zur Schule gegangen.
Jeden Morgen, wenn ich die hölzernen Fensterläden von unserem Kinderzimmer öffnete und abends wieder verschloss, richtete sich mein Blick nach Laubbach.
Wir wohnten vor rund 60 Jahren im Bahnhofsgebäude von Ostrach und das damalige 50 Seelendorf Laubbach lag genau im Blickwinkel von unserem Kinderzimmer, allerdings ganze 2 Kilometer weiter südlich, idyllisch am Hang gelegen.
Und so verbinden mich angenehme und schöne Erinnerungen an Laubbach, vor allem dann, wenn ich an die nette Mädele von Birkhofers und Müllers denke.

 
Das Pfrunger Ried und vor allem der „Halder-Weiher“ waren damals beliebte Ziele für uns Buben am Nachmittag nach der Schule.
Der „Halder-Weiher“ wurde so von den Ostrachern genannt, die Burgweiler sagen dazu „Burgweiler Baggersee“ und in der Amtssprache heißt er „Fünfeckweiher“.
Für mich als Bub war das Ried riesig und unendlich. Wie von magischen Kräften wurde ich von den Sümpfen und Mooren angezogen, dem morastig riechenden Boden und dem Duft der zahlreichen wilden Blumen.
Das waren einst Kindheitserlebnisse vor rund 60 Jahren, mittlerweile bin ich Rentner und nach wie vor Steuerzahler und damit wie Sie, verehrte Zuhörer, Mitfinanzierer der Ried-Stiftung, wenn auch nur zu einem kleinen Bruchteil.

Und so möchte ich mit ihnen zusammen als Bürger und Steuerzahler einige Facetten der Vernässungsaktionen hinterfragen.

Damit soll das Thema meines Referates lauten:

„Moorgeister und Elfen im Pfrunger-Burgweiler Ried:
Kritische Anmerkungen eines Steuerzahlers“

Meine Damen und Herren,
 
schon immer umgibt Sümpfe und Moore etwas Geheimnisvolles. Kein Wunder, dass sich um diese Lebensräume Sagen ranken und an fast jeder deutschen Schule gehört das Gedicht vom Erlkönig von Johann Wolfgang Goethe zum Pflichtprogramm im Deutschunterricht:



Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

„Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?“
„Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron und Schweif ?“
„Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.“

Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.“

„Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?“
„Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind.“

„Willst, feiner Knabe, du mit mir gehen?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.“

„Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort?“
„Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau,
Es scheinen die alten Weiden so grau“.

„Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.“
„Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan!“

Dem Vater grauset’s, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
 

 

Das Gedicht beschreibt, ohne es direkt beim Namen zu nennen, das beklommene Gefühl, das viele Menschen beim Thema Moor und Sumpf über Jahrtausende hinweg hatten.
Ein eigenartiger Respekt wurde diesen Landschaften entgegengebracht, in denen Moorgeister und Elfen vermutet wurden.

Auch wenn die Menschen von heute nicht mehr an Elfen und Moorgeister von damals glauben, so möchte ich dennoch einen Bezug zwischen Goethes Gedicht vom Erlkönig und den heutigen aktuellen Verhältnissen im Pfrunger-Burgweiler Ried herstellen.

Der Erlkönig mit seinen Moorgeistern und Elfen, das könnte die Stiftung Naturschutz Pfrunger-Burgweiler Ried sein.
Denn vor allem im Stiftungsvorstand gibt es Moorgeister, welche in der Vergangenheit sehr verlockende Versprechungen für die Bevölkerung machten:


• Alle werden gewinnen
• Es entsteht ein Plus an Lebensqualität für die Riedanwohner
• Ein einzigartiges Natur-Juwel wird entstehen
• Eine abwechslungsreiche und vielgestaltige Natur- und Kulturlandschaft entsteht
• Die gesamte Region profitiert von der Attraktivität als Erhlolungsraum
• Die Landwirtschaft soll profitieren durch neue Perspektiven.
• Blühende Landschaften mit blumenreichen Wiesen entstehen
• Und das Klima wird gerettet: Denn durch die Wiedervernässung von Mooren wird die Freisetzung großer Mengen von Kohlendioxid und Stickstoff
  verhindert.

In der Vaterrolle, da sehe ich die politisch Verantwortlichen, wie die Bürgermeister, Ortsvorsteher, die meisten Mitglieder der Gemeinderäte, den Stiftungsrat, dann die 41 Mitglieder aus verschiedenen regionalen und nationalen sowie privaten Institutionen, welche die
Projektbegleitende Arbeitsgruppe (PAG) bilden.

Deren Stimme sagt:

„Bleib ruhig, mein Bürger, bleib ruhig. Das ist deine erste Pflicht. Es geschieht dir nichts. Es wird alles gut.
Der Erlkönig, die Moorgeister und Elfen, das sind alles gute Leut‘. Die wollen nur das Beste für euch,  Bürger aus Waldbeuren, Burgweiler und Laubbach“.  

Dann das Kind aus Goethes Gedicht. Es ist der eindeutige Verlierer:

„Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.“

Mit dem Kind in Goethes Gedicht ist vergleichbar:

• Die Riedanwohner. Konkret: Die Bürger von Waldbeuren, Burgweiler und Dichtenhausen
• Die Natur und Landschaft
• Der Steuerzahler

Auch der Allgemeinheit wird dieses traurige Schicksal angedroht, denn im Internet wird von den Moorgeistern gewarnt:

Achtung Legensgefahr!
Eine Begehung der wiedervernässten Bereiche ist lebensgefährlich!

Das heißt für Ostracher Bürger, wenn sie einen sonntäglichen Spaziergang oder Radausflug ins Pfrunger-Burgweiler Ried unternehmen, dass sie dieses Naturerlebnis eventuell mit dem Tode bezahlen müssen, so wie der Knabe in Goethes Gedicht „Der Erlkönig“.
Denn es wird ja ausdrücklich gewarnt von den Verantwortlichen der Stiftung Naturschutz: Achtung – Lebensgefahr!

Und diese Moorgeister, die vor einem lebensgefährlichen Ausflug warnen, und sich dabei heroisch Naturschützer nennen, haben sich in einer
Stiftung Großprojekt Pfrunger-Burgweiler Ried vereinigt, deren Hauptaufgabe es offensichtlich ist, sauer erarbeitetes Geld der Bauersleut, von Arbeitern und Handwerker in Millionenhöhe in das Moor hineinzustopfen und dazu noch die Ried-Anwohner zu ängstigen.

Dann haben wir es mit weiteren, modernen Moorgeistern zu tun. Es sind allerdings keine aus Fleisch und Blut, sondern aus Glas und hartem Stahl.
Der eine von den Moorgeistern, der verursacht einen Höllenlärm, wenn fliegende Baumstämme über das Moor im Pfrunger-Burgweiler Ried transportiert werden.
Und der andere, ebenfalls ein technisierter Moorgeist, ist genauso schwergewichtig und mit einem langen Arm ausgestattet, welcher alle Wasserläufe  mit Querbauwerken von bis zu 65 Metern Breite verriegelt, alles perfekt wasserdicht macht, damit Pflanzen und Milliarden über Milliarden an Bodentieren sterben, qualvoll, dafür aber lautlos.

Das ist der Grund, weshalb die Bürgerinitiative aus Waldbeuren und Burgweiler zu dieser Veranstaltung heute Abend hier nach Laubbach eingeladen hat, um zu hinterfragen, ob es überhaupt solche Moorgeister gibt, welche die jetzige Natur regelrecht ersäufen wollen, um eine andere, ganz spezielle Natur heran zu züchten, die vielleicht einmal in Hunderten oder gar Tausenden von Jahren  entstehen könnte.
Doch das weiß keiner so genau.

Sicher ist nur, dass der Arbeiter und Bauer mit seiner Hände Arbeit und seinen Steuergeldern in Millionenhöhe diese Ideologie einiger Weniger bezahlen muss. Tatsache ist, dass Millionen an Steuergelder ausgegeben werden, damit eine über Jahrzehnte, ja, sogar über zwei  Jahrhunderte  gewachsene Kultur- und Naturlandschaft ausgelöscht wird.

Aber um einen sicheren Schülertransport für unsere Kinder von Burgweiler nach Wilhelmsdorf zu organisieren, dafür ist seit Jahren kein Geld vorhanden.

Das soll ein normal denkender, arbeitender und brav steuerzahlender Bürger noch verstehen!

Werte Bürger aus dem Ostrachtal, ich verstehe es auf jeden Fall nicht!
 

Unser Protest

Kommen wir zur Sache. Unser Protest richtet sich nicht gegen die jahrzehntelangen Bemühungen des Schwäbischen Heimatbundes (SHB) zur Erhaltung des Pfrunger-Burgweiler Riedes, welcher bereits 1939 größere Moorflächen für Naturschutzzwecke erworben hat. Auch die Leistungen des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) in Zusammenarbeit mit Patienten und Arbeitstherapeuten der Suchtklinik und dem Fachkrankenhaus Ringgenhof wissen wir sehr zu schätzen. Denn wir  Bürger und Naturfreunde halten Moore für äußerst wertvolle Lebensräume.
Und wir treten nachhaltig für den Erhalt „unseres“ Pfrunger-Burgweiler Riedes ein, gestaltet nach unseren Bedürfnissen und Zielvorstellungen, weil dies unser Wohn- und Lebensraum bedeutet. Hier sind wir aufgewachsen, hier leben und arbeiten wir, hier wohnen wir mit unseren Familien  und dies ist unsere angestammte Heimat.

Deshalb wehren  wir uns vehement gegen eine Unterwerfung der Natur  durch  eine Stiftung, welche nach jetziger Sachlage für 10 Jahre vorgesehen ist (2002 – 2012) und  deren Mitglieder und Verursacher dann sang- und klanglos untertauchen und dabei möglicherweise einen nicht finanzierbaren „Scherbenhaufen“ hinterlassen, welchen dann wir Anwohner von Burgweiler und Waldbeuren über Jahre und Jahrzehnte wegzuräumen haben und der Bürger mit seinen Steuergeldern diese unseligen Hinterlassenschaften bezahlen muss.

Es ist eine seit Jahrtausenden vom Menschen gemachte Erfahrung, dass die Natur nicht alles mit sich machen lässt. Bei allem Willen zur Herrschaft über sie, über Nacht aus Wiesen und Wäldern, aus einem Niedermoor ein Hochmoor im Pfrunger-Burgweiler Ried schaffen zu wollen, das kann ein Frevel an der Natur sein.
 
Wenn jemand nur einfache, elementare Kenntnisse über Naturprozesse besitzt, so wie es meine Generation vor rund 60 Jahren im Fach Naturlehre an der damaligen Volksschule in Ostrach von unseren verehrten Lehrern Martin Bucher, Hans Mayer und Fidelius Teufel gelernt hat, dann muss man sich der Natur anpassen und man muss vor allem mit ihr schonend umgehen. Wenn das aufgrund einer ideologischen Verbrämtheit nicht eingesehen wird, dann kommt es unweigerlich zu Katastrophen.

Welche Katastrophen ereignen sich
durch die Vernässung?

Die erste Katastrophe, welche durch die Vernässung angerichtet wird, wird von der Allgemeinheit nicht bemerkt, weil sie sich lautlos, aber qualvoll vollzieht. Es ist die Bodenzerstörung.
Das Leben im Boden ist bekanntlich unvorstellbar vielfältig und artenreich. Bereits in einem Fingerhut, gefüllt mit Erde, befinden sich mehrere Milliarden von Lebewesen. Denn der Boden ist das größte Reservoir für biologische Vielfalt auf unserer Erde.

Boden und die darin lebenden Organismen gehören untrennbar zusammen. Dies ist ein Grundgesetz der Biologie.

Der Boden, so wie wir ihn vorfinden, ist weitgehend ein Produkt seiner Bewohner. Und ein gesunder Boden hat Hohlräume, die für das Leben darin und für einen ständigen Stoffaustausch, wie zum Beispiel den Luftaustausch , zwingend notwendig sind.

Durch die Vernässungsaktionen wird die Bodengare und damit die Bodenbiologie in wenigen Augenblicken nahezu vollständig zerstört. Innerhalb kürzester Zeit wird ein auf Sauerstoffbasis aufgebautes Edaphon, also das Bodenlebewesen, regelrecht zerstört und in ein lebensfeindliches, anaerobes Milieu umgewandelt, in ein Milieu ohne Luftsauerstoff. Die biologische Aktivität des Bodens wird erheblich beeinträchtigt, indem die Tätigkeit der vorwiegend aerob lebenden Mikroflora wie die Nitratbildner, Stickstoffsammler, Schwefelbakterien und vieles anderes, ebenso wie die der Bodentiere massiv gehemmt wird.
Myriaden, das heißt unendlich viele Bodenlebewesen werden durch die Vernässung abgetötet bis hin zu den Kleinsäugern, die lautlos, aber qualvoll durch die High-tec-Hubschraubervernässungsaktionen sterben.

Für uns Naturfreunde aus dem Ostrachtal ist das eine Vergewaltigung der Natur, weil hier Leben vorsätzlich zerstört wird.
 
Auch verstößt die Riedstiftung gegen bestehende Gesetze, wie dem Bundesnaturschutz-Gesetz, weil hier zum Beispiel geschützte Bodentiere und Kleinsäuger  getötet werden sowie die Lebensgrundlage für geschützte Pflanzen entzogen wird.

Naturfreunde aus dem Ostrachtal wissen, dass die Stabilität im Landschaftshaushalt weitgehend durch biologische Vielfalt in der Landschaft gewährleistet wird. Vielfalt, das bedeutet eine gewisse Mannigfaltigkeit von Biotopen und damit ein Reichtum an Pflanzen- und Tierarten.
 
Durch die Vernässungsaktionen  werden zahlreichen Tieren und Pflanzen ihr angestammter Lebensraum durch die Vernässung brutal zerstört. Und es sind eine große Anzahl an Tieren und Pflanzen, welche als gefährdet oder stark gefährdet auf den „Roten Listen“ aufgeführt sind und damit gesetzlich geschützt werden müssen.

Die biologische Vielfalt wird durch die Vernässung erheblich zusammenbrechen, was auch die berechtigten Bedenken des Kreisnaturschutzwartes sind.

Doch die Moorgeister der Riedstiftung sind da anderer Meinung. Es muss alles platt gemacht werden, mit Kosten in Millionenhöhe an Steuergeldern, damit Sonnentau, Wollgras und Torfmoos gedeihen können, was jedoch niemand garantieren kann und eventuell bis zu mehreren tausend  Jahren für das Aufwachsen des Moores dauern kann, wie der Moor-Experte Dr. Alois Kapfer  seinem Buch „Sümpfe und Moore“ auf Seite 12 beschreibt. Er schreibt, dass unter bestimmten Bedingungen, und ich zitiere jetzt wörtlich aus dem Buch von Dr. Kapfer „so können daraus leicht 10 000 Jahre werden.“
Viele von Ihnen wissen, dass Dr. Kapfer ein anerkannter Fachmann auf diesem Gebiet ist und selber den Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL) für die Ried-Stiftung Pfrunger-Burgweiler Ried erstellt hat.
 
Ganz allgemein, der Beginn der Moorbildung des Pfrunger-Burgweiler Riedes reicht  bis in die Anfänge der Nacheiszeit vor über 10 000 Jahren zurück. Und dies ist auch der Grund, weshalb das Bayerische Landesamt für Umwelt in ihrer Broschüre „Entwicklungszeiträume von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen – Arbeitshilfen zur Entwicklung und Erhaltung von Ökoflächen“ regelrecht auf den Seiten 6 und 7 davor warnt, Hochmoore wieder herzustellen.
Ich halte einige dieser Broschüren für Interessierte kostenlos bereit.
In der amtlichen bayerischen Broschüre wird regelrecht mit drei Ausrufezeichen davor gewarnt, zu versuchen, Hochmoore wieder herzustellen, weil sie als „nicht regenerierbar“ deklariert werden.
Die Begründung ist, weil das Wiederherstellungsrisiko von Hochmooren von vielen Faktoren abhängig ist, welche vom Menschen überhaupt nicht beherrschbar sind. Und je länger ein Lebensraum zur Entwicklung benötigt, wie beim Hochmoor von mehreren tausend Jahren, umso größer ist sein Wiederherstellungsrisiko und umso unsicherer ist der Erfolg.
 

Was heißt das im Klartext?

Es werden Steuergelder in Millionenhöhe ausgegeben, um eine über Jahrzehnte gewachsene Natur- und Kulturlandschaft mit hoher biologischer Vielfalt auszulöschen, damit eine eventuelle ganz spezielle, hochspezialisierte und höchst anfällige monotone Vegetation mit einem extrem hohen Herstellungsrisiko in etwa 10 000 Jahren entstehen könnte.
Jeder normal denkende Mensch würde ein solches Ansinnen als absurd bezeichnen. Doch es sind ja „nur“ die Steuergelder des arbeitenden Menschen, welche da in einer verantwortungslosen Weise für Hubschrauber-Vernässungsaktionen und sehr kostspielige Oberflächen-vermessungen für ein digitales Terrainmodell per Flugzeug durchgeführt wurden, man eine Brücke für 300 000 Euro baute und hinterher feststellte, dass sie für den landwirtschaftlichen Einsatz um einen halben Meter zu schmal ist,   während auf der anderen Seite der Staat mit fast 2 Billionen Euro  verschuldet ist.

Dürfen moderne Moorgeister und Elfen derart verantwortungslos mit dem Geld des Bürgers umgehen? Ich meine, über diese zentrale Frage sollte jeder Einzelne einmal nachdenken.

Zur Gesundheit der Bürger von Waldbeuren und Burgweiler

Durch die Vernässung wird sich das Mikroklima für die Bewohner von Waldbeuren und Burgweiler erheblich verschlechtern. Dicke Nebelschwaden hängen an vielen Tagen des Jahres schwer über dem morastig riechenden Boden. Die Sicht wird im Frühjahr und Herbst gerade mal ein paar Meter weit reichen und selbst wenn die Sonne ab und an mal durchbricht, bekommt man dann im Landschaftsbild einige verkrüppelte Birken zu sehen.

Die Schnakenplage im Sommer wird für die Bewohner zum Alptraum und die Atemwegserkrankungen der hiesigen Bevölkerung wird aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit eindeutig zunehmen.
Das Grundwasser wird durch Schwermetall-Ionen sowie toxische organische Derivate aufgrund der einsetzenden Anaerobie der Bodenhorizonte kontaminiert und damit besteht auch die berechtigte Sorge, dass die Trinkwasser-Qualität abnimmt.
Die Atemluft wird durch die entstehenden Faulgase aufgrund der Vernässung durch toxische Gase verunreinigt, vor allem durch das giftige Gas Schwefelwasserstoff und das globale Klima wird durch die Entstehung von Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid, Methan, Wasserstoff, Schwefelwasserstoff, Stickoxide wie das Lachgas N2O  geschädigt.

Alternativen zur  geplanten Vernässung

Um das Moor zu konservieren, würde der logisch denkende Mensch in der Tal-Aue der Ostrach beginnen, einmal aus topographischen Gründen und zum anderen, weil dort die größte Moormächtigkeit von bis zu 8 Metern vorliegt. Die technische Durchführung in der Bachaue ist relativ einfach, weil man hier sämtliche Drainagegräben „kippen“ und zu Senken ausbilden kann. Dadurch wird der Wasserhaushalt verbessert (Infiltration), der Natur- und Landschaftsschutz durch Biotop-Vernetzung ökologisch aufgewertet, die Biodiversität durch Schaffung neuer Lebensräume erheblich erweitert. Es werden Retentionsräume geschaffen und damit ein signifikanter Beitrag zum präventiven Hochwasserschutz geleistet, damit  flussabwärts Hochwasserschäden vermieden werden.
Die Grünlandfluren werden den Bauern mehr Ertrag liefern und die Befahrbarkeit durch die landwirtschaftlichen Maschinen wird verbessert.
Und es können auch Kosten in einem erheblichen Umfang eingespart werden.  Wir haben eine Kosteneinsparung von mehr als 80 % gegenüber den bereits jetzt verursachten Kosten abgeschätzt.

Worüber wir uns auch wundern, ist, dass die klugen Moorgeistger gerade dort mit ihrer Arbeit beginnen, wo es kaum Moor gibt und wo es viel Geld kostet, nämlich an der Hanglage, also dort, wo es gut 20 Meter aufwärts geht und  direkt vor der Wohnungstür der Waldbeurener Dorfbewohner, damit es so richtig  Ärger mit der Bevölkerung gibt  und die Kosten für dieses provokative und unsinnige Abenteuer um ein Vielfaches höher liegen als unten in der Talaue der Ostrach.

Deshalb kann ich als Außenstehender gut verstehen, weshalb die hiesigen Dorfbewohner derart aufgebracht sind und sich gegen eine Vernässung in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnhäuser wehren.
Auch mir sind diese Aktionen seitens der Ried-Stiftung unverständlich und scheinen mir doch  sehr provokativ zu sein.
Ich frage mich auch, weshalb man nicht den einfachen Weg wählte, sondern einen sehr kostspieligen Weg, führt ein Experiment durch, aus einem Niedermoor ein Hochmoor zu konstruieren, wovor Fachleute warnen, beunruhigt und provoziert obendrein noch die Anwohner des Riedes, was selbstredend zu einer erheblichen Störung des Dorffriedens beiträgt.
Wo bleibt hier das menschliche Fingerspitzengefühl der verantwort-lichen Personen aus der Ried-Stiftung?

Meine Damen und Herren, diese Negativ-Liste lässt sich noch weiter ausbauen und mancher Fachmann kann hier noch zahlreiche weitere Beweise aufführen, wie unsinnig und überflüssig diese Vernässungs-aktionen sind.

Doch auf eine Absurdität möchte ich noch hinweisen:
Hier im Pfrunger-Burgweiler Ried werden große Flächen vernässt, mit dem Ziel, 200 Jahre menschliche Eingriffe ungeschehen zu machen und ein Hochmoor zu züchten.

Wenn Sie rund 20 Kilometer östlich gehen nach Ebenweiler, Eichstegen und Boms, dann finden Sie am Wegesrand oder entlang der Bundesstraße B 32 zahlreiche weiß-blaue Schilder auf denen mit schwarzer Aufschrift steht:

Flurneuordnung.

 „Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete im Rahmen des Maßnahmen- und Entwicklungsplanes Ländlicher Raum Baden-Württemberg 2007 – 2013.

Als weitere Behörden wirken das Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum Baden-Württemberg und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit.

Und was wird hier mit einem Millionenaufwand getan?
Es werden unter anderem Moore trocken gelegt, Feuchtgebiete mit Drainageschläuchen und -rohren entwässert, Bäche und Gräben in Betonschalen gezwängt, damit das Sicker- und Oberflächenwasser sehr schnell mit ca. 2 m/sec in den nächsten Bach oder Fluss abfließen kann. Die nächsten immensen Hochwasserschäden sind damit flussabwärts eindeutig vorprogrammiert.
Zahlreiche kleinere Weiher und Tümpel in der dortigen Landschaft sind völlig trocken gelegt worden und ehemaligen Riede sind jetzt in Ackerflächen  für den Maisanbau umgewandelt worden.


Wer soll das noch verstehen?

Hier im Pfrunger-Burgweiler Ried werden Millionen ausgegeben, um eine Landschaft zu vernässen, ein paar Kilometer weiter werden  ebenfalls Kosten in Millionenhöhe ausgegeben, um Riede trocken zu legen und daraus Ackerflächen für den Maisanbau zu machen.

Und eine Moorlandschaft in eine Ackerlandschaft für den Maisanbau umzuwandeln, das ist eine der fatalsten Methoden, unser Klima und unsere Natur zu ruinieren.
Aber das scheint der Wille der EU zu sein, und unsere Bundes- und Landesministerien unterstützen dabei noch einen solchen Unfug.

Unser konkreter Protest

Unser Protest richtet sich ausschließlich gegen die Flurvernässungen in Nachbarschaft von unseren Wohnsiedlungen und gegen die Vernässung und Beeinträchtigung von seit Jahrzehnten genutzten land-wirtschaftlichen Flächen sowie gegen den sorglosen Umgang öffentlicher Gelder durch die Ried-Stiftung, welche im Jahre 2002 für das Naturschutz-Großprojekt gegründet wurde und vorerst auf 10 Jahre beschränkt ist.

Bereits jetzt, kurze Zeit nach den ersten Hubschrauber-Vernässungskampagnen, sind die ersten Fehlentwicklungen für jedermann zu erkennen und es wird eine nicht übersehbare und dauerhafte Kostenlawine an laufenden Betriebskosten in Gang gesetzt, wie sie verhängnisvoller nicht mehr sein kann.

Wir haben deshalb große Sorge, wer zukünftig die Landschaftspflege durchführen und bezahlen soll.

Der Staat als Landschaftspfleger? - Nicht bezahlbar!

Wir möchten damit zum Schluss unser Anliegen mit drei Worten zusammenfassen:

Stopp der Riedvernässung!

 

 

Drainagegraben als Wasserspeicher nutzen
und zusätzliche Lebensräume schaffen

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

Vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden Klimawandels lohnt es sich, darüber nachzudenken, inwieweit Drainagesysteme als Wasserspeicher genutzt werden können und zusätzliche Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen werden.


Der Drainagegraben ist eine Form der Entwässerung zur Trockenhaltung von meist landwirtschaftlich genutzten Böden und fand seit Anfang des 19ten Jahrhunderts bis heute in Europa breite Anwendung. So wurden noch vor rund 50 Jahren etwa 10 000 Hektar Fläche allein in Westdeutschland jährlich neu dräniert. Die Dränung wird vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt, damit die Bearbeitungsflächen mit Stau- oder Haftwasser früher abtrocknen und die Vegetationszeit (früher trocken im Frühjahr, länger trocken im Herbst) verlängert werden kann, bedingt durch eine Verbesserung der Belüftung des Bodens und des Wärmehaushaltes. Das Ziel der Dränung ist, möglichst deutliche Mehrerträge zu erhalten.
Die Dränung wird auf (Teil-) Flächen durchgeführt, die ohne Drainage überhaupt nicht landwirtschaftlich nutzbar wären. Dies ist vor allem unter zunehmendem Maschineneinsatz wichtiger geworden, da eine Befahrung bei zu hoher Wassersättigung des Bodens zu erhöhter Bodenverformung führt. Extreme Fahrspuren sind die sichtbare Folge, weiterhin die Zerstörung der Porenkontinuität durch Scherung und die Homogenisierung durch „Kneten“. Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (= Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der Drainagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der Praxis  wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 % angelegt. Dadurch wird die Wasserbewegung innerhalb des Grund- und Stauwassers in Richtung auf den nächsten Wasserlauf beschleunigt und die Fließzeit verkürzt. Für die volle Wirksamkeit eines Dränsystems mittels offener Gräben sind die Dräntiefe und der Dränabstand entscheidend.
Die Drainage nimmt also direkten Einfluss auf den Grundwasserspiegel, auf den Wasserhaushalt und dadurch auch auf den Stoffhaushalt. Dies sind die Gründe, weshalb die Wirkungen von Drainagen kontrovers diskutiert werden.


Wassermangel durch Klimawandel?
Studiert man die aktuell vorliegenden Klimamodelle für die Zukunft in Deutschland, so muss die bisherige Rolle des Drainagegrabens kritisch hinterfragt werden. Denn nach den allgemein anerkannten Klimamodellen ist mit verstärkten Extremwetterereignissen sowie wärmeren und trockeneren Sommern einerseits und milderen und feuchteren Wintern andererseits zu rechnen. Diese Phänomene sind derzeit überall in Deutschland und Mitteleuropa bereits zu beobachten. Unmittelbare Auswirkungen auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft sowie Garten- und Weinbau sind die Folge. So werden die Bauern und Forstwirte, die Gärtner und Weinbauern mit einem zunehmenden Wasserdefizit während des Sommers konfrontiert. Dem gegenüber steht ein Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr.

Für die landwirtschaftliche Produktion bedeutet dies:

  • Zunahme an Sonnenlicht
  • Zunahme an Wärme
  • Abnahme an Wasser
  • Abnahme an Bodenfruchtbarkeit

Eine intensive landwirtschaftliche Nutzung kann nur erfolgen, wenn alle vier Faktoren überreich vorhanden sind. Bei Mangel einer der vier Faktoren bricht bereits nach wenigen Jahren eine Überschussproduktion zusammen. Wollen wir auch zukünftig ernten um uns ernähren zu können, so muss alles getan werden, fruchtbaren Boden zu erhalten und zu mehren sowie Wasser zu speichern.
Machen wir uns bewusst, dass lediglich 0,3 %  des Wasservorrats der Erde uns zur Verfügung stehen. Damit stellt sich die Frage, wie  einem zunehmenden Trockenstress in der Vegetationsperiode einerseits und den zunehmenden Niederschlägen im Winter andererseits in der landwirtschaftlichen Praxis begegnet werden kann?

 

Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir das Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell aus unserem Land herausbringen oder den Wasser-Rückhalt in der Fläche fördern.

 

Das Wasser vor Ort zurückhalten
Der grundlegende sowie naheliegende Gedanke ist, das Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in kanalisierten Rinnsalen und Drainagegräben in einen Vorfluter abzuleiten, sondern das Wasser, eines unserer wichtigsten Lebensgüter, von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit einem Gefälle zum Vorfluter (= Bach, Fluss) hin verlaufen, erhalten ein „negatives“ Gefälle. Sie werden „gekippt“ und zur Senke ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle eines solchen Grabens, hier Speichergraben genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die  Sohle des Vorfluters. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist gewährleistet, dass der Speichergraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.
Ziel sollte es sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Speichergräben auszubilden, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sogenannte Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Teiche, Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden. Man prüfe, ob alle Maßnahmen zur Verzögerung des Wasserabflusses erfolgt sind. Denn zugespülte Weiher, verschlammte Gräben und Teiche oder vermurte Bäche sind nicht mehr für einen Wasserrückhalt wirksam.
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge zu speichern. Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Speichergräben als Wasserspender.


Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch
Die gezielte Speicherung von Niederschlägen und Hochwasser dient dem Landbau zur Bewässerung, der Wasserwirtschaft zur Grundwasseranreicherung (Infiltration) und wirkt als präventiver Hochwasserschutz, indem die Flutwelle im Vorfluter gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt.
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer geleistet. Das erhöhte Wasserspeichervermögen durch das Retentionsnetz und die dadurch reduzierte Wasserpermeabilität in Böden wirkt erniedrigend auf die Sickerwassermenge und somit verringernd auf die Auswaschung von Nährstoffen in die Fließgewässer.
Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes werden unterstützt und als solche besonders im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie nachhaltig verfolgt.
Der Aufbau eines kleinmaschigen Retentionsnetzes trägt zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird durch den Aufbau eines solchen Retentionsnetzes erheblich zunehmen. Denn stehende Kleingewässer, wie krautreiche Gräben, Tümpel und Weiher, sind Grundlage für weit über 1000 Tierarten, besonders Fische, Vögel, Amphibien (z.B. Frösche, Kröten, Molche), darunter viele Kleintiere, und für über 200 Pflanzenarten.
Auch wird eine soziale Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern flussabwärts wahrgenommen. Denn Schadenshochwasser zu vermeiden gebietet die Menschlichkeit.

So kann die technische Umsetzung aussehen
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits Drainagegräben vorhanden, vielfach auch in Waldstandorten, jedoch mit einem Gefälle zum Vorfluter hin ausgebildet und nicht als Senke ausgelegt. Diese bereits vorhandenen Drainagegräben, welche meist entlang den Parzellengrenzen verlaufen, beanspruchen in der Regel ca. 1 bis 2 % der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln, so mit einem Minibagger, zu Senken (= Speichergräben) ausgebaut werden. Die Kosten für das Anlegen eines Speichergrabens liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Alle 8 bis 10 Jahre muss eine Entschlammung der Speichergräben sowie der anderen Rückhalteräume durchgeführt werden. Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle 1 Meter betragen. Am Ende kann durch Aufweitung und Vertiefung des Speichergrabens  ein Tümpel für die Wasserentnahme zur Bewässerung der Felder entstehen. Bewährt haben sich Wasserflächen von 20 bis 100 Quadratmetern und einer Tiefe von 1 bis 2 Metern. Sehr schnell wird ein solcher Tümpel von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“. Wasservögel besuchen ein solches Biotop stundenweise und selbst Bachforellen gehen dort auf Froschfang. Es bildet sich eine sogenannte „Natur aus zweiter Hand“.

 

Ein Beispiel für einen naturnah geschaffenen Retentionsraum durch Ausbau eines ehemaligen Drainagegrabens zu einem Speichergraben und Aufweitung am Grabenende zu einem Tümpel. Hier können, je nach Grabenlänge, mehrere 100 m³ Wasser gespeichert werden und darüber hinaus entsteht ein neuer Lebensraum für eine Wasserfauna und Wasserflora.

 

Speichergraben mit bivalenter Funktion: Wasserspeicher und Wasserspender
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke ausgebaute Speichergraben als Wasserspeicher. Zum Beispiel können bei  Hochwasser von 1 m über Normalnull in solchen Speichergräben, je nach Länge, mehrere 100 Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Speichergräben bedingt eine weitgehend geregelte Evapotranspiration aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie beispielsweise bei der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Speichergraben in den Sommermonaten überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem Wiesen und Äcker durch den kapillaren Aufstieg bewässert werden. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist besonders dann sinnvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der Heuernte auftritt und der Boden bei starker Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke besonders schnell austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten kennen die Bilder aus den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen über Wochen hinweg fast keine Phytomasse-Entwicklung stattfindet.
Weiterhin führt der hier seit rund 40 Jahren aus der Praxis heraus entwickelte Speichergraben zu einer Verbesserung der Dränung und damit besseren Durchlüftung des Bodens, weil die Absenkungstiefe des Speichergrabens über die gesamte Länge konstant bleibt im Gegensatz zum konventionellen Drainagegraben, bei welchem die Absenkungstiefe  aufgrund des Gefälles der Grabensohle kontinuierlich abnimmt und am Grabenende gegen Null geht. Dabei ist die Luft im Boden ein wesentlicher Wachstumsfaktor und ebenso wichtig wie das Wasser. Die Atmung der Pflanzenwurzeln, das bedeutet Aufnahme von Luftsauerstoff, ist eine elementare Vorbedingung für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen durch die Pflanze.
Die erhöhte Durchlüftung des Bodens führt auch zu einer Verbesserung des Wärmehaushaltes. Entwässerte Böden sind wärmer, einerseits wegen des geringeren Wärmeentzugs durch Verdunstung , wie andererseits durch eine verringerte Wärmespeicherkapazität. Damit in Zusammenhang steht eine erhöhte Aktivität von Bodenorganismen und insgesamt eine Gefügeverbesserung des Bodens.
Deshalb darf die Frage erlaubt sein, ob die seit rund 200 Jahren auf den land- und forstwirtschaftlichen Kulturflächen millionenfach angelegten Drainagegräben richtig konzipiert sind, wenn sie während den Sommermonaten, also genau zur Hauptvegetationszeit, meistens kein Wasser führen  und in den niederschlagsreichen Monaten die Dränung und Durchlüftung des Bodens nicht optimal sind.

Was unterscheidet den Drainagegraben vom Grabenspeicher?
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Drainagegraben und Grabenspeicher liegen im Wasserhaushalt und dem Wasserspeichervermögen begründet, weiterhin in der ökologischen Bedeutung.
Während der Grabenspeicher sich durch eine permanente Wasserspeicherung auszeichnet (perennierendes Gewässer), liegen beim Drainagegraben stärkere Wasserstandsschwankungen und gelegentliches, im allgemeinen periodisches, längeres Trockenfallen vor (temporäres Gewässer). Das Wasserspeichervermögen im Grabenspeicher kann je nach Bauart um bis zu Faktor 20 höher sein als im konventionellen Drainagegraben.
Der Grabenspeicher führt als perennierendes (ausdauerndes) Gewässer ganzjährig Wasser und ist somit in der Lage, eine dauerhaft eigenständige aquatische Lebensgemeinschaft zu beherbergen. Aquatische Pflanzen mit einer längeren, teilweise mehrjährigen Entwicklung im Wasser kommen nur hier vor und fehlen weitestgehend in den periodisch austrocknenden Drainagegräben. Analoges gilt weitgehend auch für die Aquafauna. Dies sind Gründe für die hohe ökologische Bedeutung der Grabenspeicher.

Wasser – das Lebenselement der Erde
Es bedarf keiner langen Worte, um die Bedeutung des Wassers im menschlichen Leben, ja im Leben überhaupt, klarzumachen. So ist Wasser die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Pflanzen, Tiere und Menschen könnten ohne Wasser nicht existieren, wären ohne Wasser nie entstanden.
Was der Mensch durch den Wasserbau gefährdet hat und durch den Klimawandel verstärkt wird, mündet in einen Wassermangel in Europa. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden. Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz“ postuliert werden:

Das Wasser zurückzuhalten, muss oberste Priorität haben.

Das Lebenselement Wasser steht dabei stellvertretend für alle natürlichen Rohstoffe. Wir müssen lernen, mit unseren Lebensgrundlagen vernünftig und haushälterisch umzugehen.

 

 

Bald kein Hochwasser mehr in Bad Saulgau?

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

Fast jeder Ort in Deutschland und selbst in Mitteleuropa ist von Hochwasser bedroht. Für Gebäude und Anlagen in der Nähe von Gewässern besteht diese Bedrohung regelmäßig, aber auch Bereiche weitab von Wasserläufen und Seen sind  vor Überschwemmungen durch Sturzfluten nicht sicher.
So stand vor gut 80 Jahren auch der Saulgauer Marktplatz kniehoch unter Wasser. In den letzten Jahrzehnten häuften sich die Hochwasser in Bad Saulgau. Nahezu regelmäßig wurden das Berufsschul-Zentrum, die Hummel-Schule, der Kindergarten und verschiedene Privathäuser durch das Hochwasser des vorbei fließenden Stadtbaches („Sießener Bächle“) überschwemmt.
Und dann kommen gebetsmühlenartig dieselben Forderungen: “Gebt dem Bächle mehr Raum!“. Die weiteren, üblichen Rufworte sind „Renaturierung“ und „Mäanderung“. Dabei soll immer der Staat, das Land, die Stadt machen, helfen und bezahlen. Doch wer ist der Staat, das Land, die Stadt? Das sind wir doch alle!
Das war das Motiv einiger Weniger, selber Initiative zu ergreifen und nach Lösungen zu suchen, damit nicht regelmäßig die kommunalen und privaten Gebäude entlang des Stadtbaches überschwemmt werden. Denn die angerichteten Schäden sind immens, insbesondere wenn die Energieräume im Keller des Schulzentrums voll laufen. Falls die bisherige  Folge des Zehnjahres-Rhythmus an Hochwasserschäden in Bad Saulgau anhält, dann tritt  spätestens  bis zum Jahre 2016 wieder ein Hochwasser auf, was  sicherlich keiner wünscht. Im Sommer 1996 gab es Hochwasser-Schäden durch die große Sturzflut, dann zu Winterende 2006 durch die Schneeschmelze und hoffentlich im Jahre 2016 nur noch ein „normales“ Hochwasser ohne jegliche Schäden.
Für die Initiatoren war klar: Jeder Euro, der in eine Hochwasserschutzmaßnahme gesteckt wird, kann Schäden in vielfacher Höhe verhindern. Nur: Welche Vorsorge ist richtig und welche ist überhaupt machbar?
Seit mehr als 30 Jahren wird in der Stadtverwaltung von Bad Saulgau diskutiert, geplant, verworfen und nach einer Hochwasser-Katastrophe von neuem geplant. Die letzten Planungen ergaben ein Rückhaltebecken für ein Volumen von ca. 100 000 Kubikmeter Niederschlagswasser und einer Deichhöhe von ca. 4 Metern. Doch so einen hohen Damm direkt vor den Fenstern wollte von den meisten Saulgauern keiner. Und so wurde seit kurzem nach Alternativen gesucht.
Stephan Burth aus Bad Saulgau,  Student für Bauingenieurwesen an der Hochschule in Biberach, hat sich auf Anregung seines Professors  Dr.-Ing. Anton Nuding  spontan bereit erklärt, nach Alternativen für einen Hochwasserschutz zu suchen.

Drei Dinge waren wichtig:

  • ein effektiver Hochwasserschutz muss für Bad Saulgau mit geringsten finanziellen Mitteln realisiert werden,
  • der miserable ökologische Zustand des Sießener und Zeller Baches muss verbessert werden,
  • das Sießener Tal als bevorzugtes Naherholungsgebiet der Saulgauer Bevölkerung darf nicht beeinträchtigt werden. Ein Staudamm von 4 Metern Höhe soll hier nicht gebaut werden.

Selbst für einen professionellen Wasserbauingenieur ist es keineswegs einfach, die Wassermassen von ca. 100 000 Kubikmeter, welche bei einem Hochwasser im Sießener Tal im Extremfall entstehen können, zu speichern.
Student Burth schnürte seine Stiefel und untersuchte das gesamte Einzugsgebiet des Sießener und Zeller Baches mit besonderem Augenmerk auf Mulden, Gräben, Senken und Tümpel, um diese mit der Vorflut, also dem Bach, zu vernetzen. Dadurch werden natürliche Stauräume, sog. Retentionsräume, für das Hochwasser geschaffen. Dabei hat der Student alle möglichen Maßnahmen „abgeklopft“ und kam auf ein beachtliches natürliches Retentionsvolumen von ca. 20 000 Kubikmeter, welche dezentral im Einzugsgebiet von 7,8 Quadratkilometern bei Hochwasser zurückgehalten werden können. Dies ist wohl keine Komplett-Lösung für das Hochwasser-Problem in Bad Saulgau, aber mit dieser einfachen, ökologisch sinnvollen Methode und mit geringen finanziellen Mitteln könnten die regelmäßig auftretenden Hochwasserschäden weitgehend in Griff gebracht werden. Klar muss auch sein, dass es einen absoluten Hochwasserschutz nicht gibt.
Stephan Burth wurde bei seiner ehrenwerten Tätigkeit für die Saulgauer Bevölkerung nicht alleine gelassen. Die gesamte Verwaltungsspitze der Stadt unterstützte die Untersuchungen des angehenden Bauingenieurs, allen voran Frau Bürgermeisterin Doris Schröter, Stadtbaumeister Peter Kliebhan, der Leiter des Tiefbauamtes, Herr U. Michelberger und der Umweltbeauftragte, Herr Thomas Lehenherr.  

Der ödp-Kreisverband Sigmaringen unterstützt natürlich dieses sinnvolle Projekt, bei welchem es nicht nur um einen präventiven Hochwasserschutz geht, sondern zugleich auch neue Biotope im Einzugsgebiet des Sießener und Zeller Baches entstehen würden. Auch wünschen wir uns, dass dieses Projekt bald umgesetzt wird und die profunde Projekt-Studie der Hochschule Biberach nicht in einer Schreibtisch-Schublade abgelegt wird.

 

 

Auf einen Nenner gebracht:
„Breitwasser statt Hochwasser!“
- Mehr Raum für Flüsse und Auen -

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Hochwasser-Katastrophen verursachen Jahr für Jahr in Deutschland immense Schäden, zum Teil in Milliardenhöhe. Menschliche Fehlplanungen und Handlungen, Missachtung hydrologischer Bilanzierungen und ökologischer Sachverhalte sind oft die Ursachen für die immer gewaltiger werdenden Auswirkungen beim letztlich nicht verhinderbaren Naturereignis Hochwasser. Nicht Hochwasser, sondern die Schadenshochwasser müssen von vornherein vermieden werden.


Wir leben in einer Zeit, in der sich bisherige Wertmaßstäbe oft innerhalb weniger Jahre ändern. Besonders deutlich wird dies in unserem Verhältnis zum Wasser. Jahrtausendelang war das Wasser ein Feind des Menschen. Natürlich – man trank es, man wusch sich darin, man tränkte das Vieh und betrieb die Wasserräder zur Energiegewinnung. Aber was die Grundhaltung der Menschen bestimmte, waren nicht diese alltäglichen Selbstverständlichkeiten, sondern die zerstörerische Kraft des Wassers: Sturmfluten, die die Deiche an den Küsten überspülten, Überschwemmungen im Binnenland, die Behinderung der Transportwege durch Flüsse und Sümpfe, die Schwierigkeiten bei der Kultivierung der Moore. Die Besiedlung Mitteleuropas ist gleichzeitig auch eine Geschichte des Kampfes gegen das Wasser: Flüsse wurden in ein neues, schlauchartiges Bett gezwängt, Deiche immer höher aufgeschüttet, viele Bäche fließen inzwischen in unterirdischen Röhren, und frühere, großflächig feuchte Gebiete, wie die Moore, sind bis auf wenige Reste trockengelegt und werden von der Landwirtschaft genutzt.

Wasserbau und Kulturmaßnahmen
Der Wandel zur modernen Landwirtschaft wirkte sich in allen Bereiche der Landnutzung aus, besonders aber im Wasserbau. Zu Beginn des 19-ten Jahrhunderts sind nahezu alle Gewässer in Mitteleuropa systematisch korrigiert worden. Die stark wachsende Bevölkerung benötigte Nahrungsmittel und Energie. Es ging darum, so viel Kulturfläche wie möglich für den landwirtschaftlichen Anbau zu gewinnen. Unberührte, unkultivierte Natur – das war eine brachliegende Ressource, geradezu ein Frevel!
Diese gesellschaftliche Notwendigkeit veränderte unsere Landschaft und führte zu begradigten, oft sterilen Gewässerstrecken. In vielen Fällen geplant, ausgeführt, zumindest aber begleitet durch die staatliche Wasserwirtschaftsverwaltung bzw. deren damalige Vorläufer und durch die Flurbereinigungsbehörden.

Die großen Flusskorrekturen des 19-ten Jahrhunderts dienten noch vorwiegend oder ausschließlich der Schifffahrt, später auch zur Nutzung der Wasserkraft. Die Flussbegradigung hatte praktisch keinen Einfluss auf Häufigkeit und Stärke der Hochwasser, außer dass die Flut schneller flussabwärts vorankam, dafür aber auch schneller wieder ablief. Erst die massive Eindämmung der Flüsse in ihren früher weitläufigen Auen bewirkte ein starkes Ansteigen der Hochwasser-Höhen, weil sich die Pegel-Durchfluss-Beziehungen zu Ungunsten des natürlichen Abflussgeschehens veränderten. Die einst regelmäßig, aber unvorhersehbar überschwemmten Auen, die nur als Weideland genutzt werden konnten, ließen sich jetzt durch die Damm- und Deichbauten in Ackerland und nutzbares Bauland umwandeln. Ein regelrechter Erschließungsboom setzte ein, weil Bauland in den Flussauen in der Regel attraktiv (weil in Flussnähe), einfach zu nutzen (weil eben) und billig ist. Innerhalb weniger Jahre verwandelten sich dann die ehemaligen Flussauen zu Siedlungs- und Industriegebieten. Diese neue Landnahme entzog den Flüssen ihre Überschwemmungsflächen. Die Seitenausdehnung der Wassermassen war durch den Fluss- und Tal(Auen)-Verbau massiv beeinträchtigt und ließ die Pegelstände erhöhen. Das verschärfte die Hochwasser in den am Fluss gelegenen Städten ganz erheblich, weil flussaufwärts die Rückhalteräume fehlten. Hier wurden und werden in der Bau- und Landnutzungsplanung regelmäßig Fehler gemacht mit teilweise verheerenden Auswirkungen.
So hat sich die Anzahl der einem möglichen Hochwasser ausgesetzten privaten Gebäude sowie der gewerblichen und industriellen Anlagen seit Beginn des 20-sten Jahrhunderts erheblich vergrößert. Durch die Ansiedlung des Menschen in Gewässernähe und der damit verbundenen Anhäufung von riesigen materiellen Werten sind jetzt enorme Hochwasserschäden die Folge. Verheerende Schäden an Privateigentum, kommunalen Gebäuden, Kulturdenkmälern, Infrastruktur und gewerblich-industriellen Einrichtungen sowie an Kultur- und Naturflächen sind zu beklagen. Durch die Wasserfluten werden Menschenleben bedroht und Arbeitsprozesse behindert. Kurzum, immense Werte werden vernichtet.

Hauptursachen für Hochwasser-Katastrophen
Die weitaus größeren Veränderungen erzeugte jedoch der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung (kleine Flüsse, Bäche, Gräben) im Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Generationen von Wasserbau-Ingenieuren haben daran gearbeitet, das Wasser immer schneller aus unserem Land herauszubringen. So wurde ein Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar Rinnsale oder auch nur zeitweise Wasser führenden Gräben mit immensem Aufwand an Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder Sickerwasser schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurde („Beschleunigungsrinnen“). Damit erhöhte sich die Entwässerungsgeschwindigkeit von früher 1 m/h auf heute bis zu 4000 m/h, zusätzlich bedingt durch eine verringerte Wasseraufnahme-Kapazität von Böden und Wäldern sowie eine stetig zunehmende Bodenversiegelung. Dadurch laufen die Hochwasserwellen tendenziell erheblich schneller ab und bilden immer höhere Spitzen.

Ziel der Kulturmaßnahmen war es, auf allen landwirtschaftlichen Produktionsflächen auch möglichst gleichartige Produktionsbedingungen zu schaffen. Standortnachteile sollten behoben werden. Frühere Grenzertragsflächen, deren Bewirtschaftung im Vergleich zum Aufwand kaum Erträge erwarten ließ, konnten durch die Kulturmaßnahmen in die landwirtschaftliche Produktion mit einbezogen werden. Das Ziel der Flurbereinigung war seit den 1950-er Jahren, die Landschaft zu maschinenbefahrbaren Produktionsstätten umzugestalten. Daher sind überall dort, wo neuzeitliche Flurbereinigungen durchgeführt worden sind, die Elemente der traditionellen Kulturlandschaft - vor allem die der dritten Dimension wie Raine, Hecken, Feldgehölze, Mulden, Senken, Gräben, Teiche u. a. - abgetragen bzw. aufgefüllt worden.
Als eine der Hauptwirkungen dieser landesweiten Entwässerung der Fluren verschwanden weithin die Unterschiede in den Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß wurden die Verluste bei den Feuchtgebieten. Moderne, von starken Motoren getriebene Maschinen ermöglichten die Entwässerung von Mooren, Feuchtwiesen und Sümpfen. Die Verlegung von Drainagerohren und das Ausbetonieren von Abzugsgräben gehörten zum Standard des Kulturwasserbaus. Der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung verschlang jene Summen an Steuermitteln, die dringend benötigt worden wären, die Hochwasser-Probleme bleibend zu lösen.

 

Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir das Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell an die Unteranlieger weiterleiten oder den Wasser-Rückhalt in der Fläche fördern und dadurch neue Lebensräume für eine Gewässerfauna und –flora schaffen.

 

Auewälder wurden gerodet. In der Zeit von 1950 - 1975 verloren die mitteleuropäischen Flüsse den größten Teil der noch verbliebenen Auen. Seither gibt es durchschnittlich nur noch etwa 5 Prozent der früheren Auwaldflächen des unregulierten Zustandes. Auwälder, Sümpfe und Moore gehören zu den ganz großen Verlierern in der Umgestaltung der mitteleuropäischen Landschaften.
Ein Großteil der Hochwasser-Schäden, die Ende des 20-sten Jahrhunderts und vor allem in den letzten Jahren zustande gekommen sind, beruht auf diesen Maßnahmen. Für wenige Hektar hochwasserfrei angelegter Auen, die landwirtschaftlich genutzt werden können, haben die Anwohner flussabwärts und die Steuerzahler insgesamt unverhältnismäßig hohe Schäden abbekommen. Niederschläge normaler Größenordnungen, die keineswegs über Regenmengen früherer Jahrhunderte hinausgehen, schwellen zu nicht mehr kontrollierbaren Fluten an, weil praktisch alle Rinnsale, Gräben, Bäche und Flüsse das Wasser schnellstens ableiten. Die eingeschnürten Flüsse können diese Fluten natürlich nicht mehr fassen. Hinzu kommt oftmals ein weiteres Problem: Wenn sich die Hochwasserscheitel von Nebenflüssen mit dem des Hauptflusses ungünstig überlagern, dann führt dies zu einem Staueffekt mit immer dramatischeren Überschwemmungen. Diesen Staueffekt kann man beispielsweise jährlich in der bayrischen Donau-Stadt Passau beobachten. Denn hier fließen bekanntlich drei Flüsse aus drei Himmelsrichtungen zusammen: Donau, Inn und Ilz. Hier muss die Flut förmlich über die Ufer springen. Damit sind Hochwasser-Katastrophen oftmals von Menschen gemachte Schadenskatastrophen.

Geht man der Frage nach, wie viele Fließgewässer es in Deutschland gibt, und hierbei nur die natürlichen Gewässersysteme berücksichtigt, wie sie in den Topographischen Karten 1 : 25.000 enthalten sind, gibt es allein in Deutschland etwa 680.000 Kilometer Fließgewässerstrecken. Rechnet man die zahlreichen kleinen, künstlichen Fließgewässer wie Gräben, Kanäle usw. hinzu, kommt man auf eine Gewässerlänge von über einer Million Kilometern.
Dieses riesige Potenzial an unzähligen kleineren Fließgewässern mit ihren Regulierungen bewirkt in ihrer Akkumulation der Abflussmengen und Abflussgeschwindigkeiten die eigentlichen Hochwasser-Katastrophen.
Die hohe Bedeutung gerade dieser kleinen Fließgewässer ist in der Vergangenheit ausnahmslos missachtet worden. Denn vor allem kleinere Gewässer mit einem hohen Anteil an versiegelten Flächen können sich innerhalb kurzer Zeit in reißende Flüsse verwandeln, bei denen der Wasserstand sich verzehnfacht, punktuell und bei Extremsituationen sogar mehr als verzwanzigfacht.
Anhand der so genannten „Elbeflut" vom August 2002 und Juni 2013 soll dies verdeutlicht werden. Der Begriff „Elbeflut" weist in eine völlig falsche Richtung, denn im Elbetal selbst entstand nur ein Bruchteil der Schäden. Die großen Verwüstungen traten an den Zuflüssen der Elbe auf, oft an kleinen Bächen und harmlos dahin plätschernden Rinnsalen, die in kürzester Zeit zu reißenden Strömen wurden. Und hier muss stets das immense Potenzial an Kleingewässern im Bewusstsein bleiben. Denn kleine Gewässer sind quantitativ und qualitativ die „Kinderstube" der großen Bäche und Flüsse. Deshalb können diese immer nur so gut sein, wie es die vielen kleinen Gewässer im Einzugsgebiet zulassen.
So wurde die Stadt Grimma in Sachsen nicht durch die Elbe vier Meter hoch überflutet, sondern durch den Nebenfluss Mulde. Der Ort Weesenstein wurde durch das Flüsschen Müglitz regelrecht zerstört und selbst der Sturzbach durch den Dresdener Hauptbahnhof hatte nichts mit dem Hochwasser der Elbe zu tun, sondern wurde durch die Weißeritz verursacht. Dieser Bach stand mit einem 100-jährlichen Abfluss von 350 m³/s zu Buche, der jetzt ankommende Scheitelabfluss lag bei 600 m³/s. Die Weißeritz, die im Stadtgebiet Dresdens heute teilweise unterirdisch fließt, war diesen Wassermassen nicht mehr gewachsen. Das überschießende Wasser suchte seinen alten Weg - und auf diesem steht mittlerweile Dresdens Hauptbahnhof.
Das Fazit ist: Kleine Gewässer - Große Wirkung!

Und so ist eine der Hauptursachen für die Hochwasser-Katastrophen, dass man die im 19-ten Jahrhundert begonnene Regulierung der Flüsse konsequent im 20-sten Jahrhundert bis in die Quellbezirke zu Ende führte. Die davon ausgelösten Hochwasser-Katastrophen sind keine Folge einer in Gang gekommenen Klimaerwärmung, sondern hausgemachte Ergebnisse des landwirtschaftlichen Wasserbaus, dessen Verantwortung an den jeweiligen Flurstücken oder spätestens an den Grenzen des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes endet. Auch wenn in der Vergangenheit überregionale Kommissionen für Hochwasserschutzmaßnahmen gebildet wurden, so ist der Gedanke, sich um die Gemeinwesen flussabwärts zu kümmern, immer noch weitgehend fremd.

Und hier muss radikal umgedacht werden. Was der Mensch durch den Wasserbau zerstört und gefährdet hat und durch den Klimawandel verstärkt wird, wird ein Wassermangel in Europa sein. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden. Auch das Grundwasser, bisher noch am saubersten, ist gefährdet: In vielen Städten reicht es zur Wasserversorgung nicht mehr aus und muss mit Oberflächenwasser künstlich angereichert werden. Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz" in die Schul- und Lehrbücher sowie in die Gewässer relevanten Gesetzeswerke eingeführt werden:
 

Das Wasser zurückzuhalten muss oberste Priorität haben.

 
Hausgemachte Schadenskatastrophen
Innerhalb der vergangenen 15 Jahre gab es an Elbe, Donau, Rhein und Oder extreme Hochwasserereignisse, bei denen fast 300 Todesfälle zu beklagen waren und die allein in Deutschland mit Schäden von mehr als 30 Milliarden Euro einhergingen. An den genannten Flüssen wiederholten sich die schadensreichen „Jahrhundert-Hochwasser“ bereits nach wenigen Jahren.
Das politische Missmanagement hat in den vergangenen Jahrzehnten umfassend dazu beigetragen, dass die Gefahren sich potenziert haben. Ein wesentlicher Teil der Milliardenschäden durch die Hochwasser der letzten zwei Jahrzehnte ist sprichwörtlich „hausgemacht“. Die Deiche vermitteln eine trügerische Sicherheit und verleiten zum Bauen in gefährdeten Gebieten. Kommt es dann zur Hochwasser-Katastrophe, gibt es oft staatliche Hilfen und pressewirksame Spendenkampagnen wie beim Elbe-Hochwasser 2013. So wurden 8 Milliarden Euro für die Flut-Opfer bereitgestellt. Das ist ein starkes Signal. Nach 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2002 und jetzt 8 Milliarden wiederkehrend zu versenken, mag zwar vereinzelt wie ein Konjunkturprogramm für Baugewerbe und Handwerk wirken. Aber so darf mit Steuergeldern nicht umgegangen werden. Auch wenn Hilfsgelder in Milliardenhöhe von Bund und Ländern gegeben werden, so ist das Problem eines präventiven Hochwasserschutzes nicht gelöst, auch wenn die Rufe nach einem sicheren Hochwasserschutz immer lauter werden. Die Deiche sollten noch höher gebaut, die Flüsse weiter gezähmt werden.


Hochwasserschutz mit fataler Tradition: Der Deichbau
Es ist heute allgemein anerkannt, dass der traditionelle, technische Hochwasserschutz an seine Grenzen gestoßen ist. Er kann sogar kontraproduktiv sein, wenn sich die Menschen in Sicherheit wiegen und große Werte bzw. wichtige oder gefährliche Anlagen hinter die Deiche stellen. Raumordnung und Flächennutzungsplanung sollten sich daher nicht an der Kapazität von Deichen, sondern an den ursprünglichen Überflutungsgebieten der Flüsse orientieren.

Erste Reaktionen nach den Hochwasserschäden haben jedes Mal - besonders nach der Elbe-Flut von 2002 – auf Besserung hoffen lassen. Doch es ist kein Umdenken sichtbar, von wenigen Projekten abgesehen. Die riskante und kostspielige „Deich- und Dammbaupolitik“ wird weitergeführt. Abgesehen von wenigen Renaturierungs- und Deichrücklegungsprojekten geht der überwiegende Anteil des Geldes in „DIN-gerechte Deiche“, „multifunktionale Dämme“ oder Schöpfwerke. Hochwasserschutz wird als Maßnahme zur Ankurbelung der Bauwirtschaft verstanden. Die Bundesländer Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt unterstützen das Primat des technischen Hochwasserschutzes, während die Auenentwicklung sowohl finanziell als auch in den öffentlichen Erklärungen nur eine marginale Rolle spielt. Auch das Land Hessen wird bis zum Jahr 2015 etwa 237 Millionen Euro in die Sanierung seiner Deiche investieren. So sollen 120 Kilometer Deich an Rhein und Main erneuert und erhöht werden. Ebenso legt das im Jahre 2003 verabschiedete internationale Hochwasser-Schutzprogramm für die Elbe (IKSE) den Schwerpunkt auf die Deichsanierung.
Doch Beton, Polder und eine weitere Erhöhung der Deiche können die Bevölkerung und materielle Güter nicht nachhaltig schützen. Nur die Anpassung an die Natur ermöglicht langfristig die größte Schadensverminderung.
 

Die Ursachen der Schadenshochwasser lassen sich nur mit langfristigen Strategien und sinnvollen Konzepten bekämpfen. Kurzfristig helfen nur Straßensperrung und Evakuierung.

 
Hochwasserschutz wird in Deutschland traditionell durch sehr teure technische Großprojekte umgesetzt (Damm- und Deichbauten, Polderlösungen und Rückhaltebecken, Schöpfwerke u. a.). Immer nur höhere Deiche an den großen Flüssen zu bauen, ist regelrecht töricht, wie die Praxis der vergangenen Jahrzehnte und wiederum das Elbe- und Donau-Hochwasser im Juni 2013 gezeigt haben. Denn Deiche mit Millionen-Euro an Steuergeldern zu bauen und hinterher zu sprengen, zeugt von der Absurdität der technischen Lösungen im Rahmen des Hochwasserschutzes. Letztlich beeinflussen die kleinen Fließgewässer wesentlich die Qualität der großen und tragen durch den Rückhalt in der Fläche maßgeblich zum Hochwasserschutz bei. Wir benötigen deshalb vorbeugende und ökologisch integrative Maßnahmen als oberstes Ziel des Hochwasserschutzes und diese lauten: So viel Wasser wie möglich, so lange wie möglich auf der Fläche zu halten.

Eine salomonische Lösung:
Alte Gräben zu Wasserspeichern ausbauen

Die notwendige Rückverlegung von Deichen, verbunden mit einer möglichst weitgehenden Rückgewinnung von verlorenem Retentionsraum (Gewässerauen) mit natürlicher Überflutungsdynamik, bleibt oftmals nur Wunschdenken. Der Raum, den die Flüsse und Bäche im unregulierten Zustand einnahmen, ist längst anderweitig genutzt und oft nicht mehr zurück zu gewinnen.

Für eine realistische Lösung der gesamten Hochwasserproblematik im Binnenland gibt es nur einen Weg, nämlich die Wasserrückhaltung in der Landschaft des gesamten Einzugsgebiets eines Gewässers. Denn der Anteil des Niederschlags, der direkt abflusswirksam ist, ist für die Hochwasserentstehung verantwortlich. Wie groß der Anteil dieses Direktabflusses ist, hängt von dem Rückhaltevermögen des Einzugsgebietes ab. Maßgebend für diesen so genannten Gebietsrückhalt und damit für die Abflussbildung sind die Speichermedien Bewuchs, Boden, Gelände und Gewässernetz einschließlich der Gewässerauen. Dabei ist der Boden das leistungsfähigste Speicherelement.
Ein weiteres Speicherelement kann mit einfachen Mitteln durch die bereits millionenfach vorhandenen Drainagegräben geschaffen werden. Der Drainagegraben ist bekanntlich ein Zweckbau im Sinne eines Entwässerungsgrabens, welcher Bodenwasser, Grundwasser, Hangwasser oder Quellwasser sammelt und in einen anderen Graben oder Bach (Vorfluter) abführt. Sein Verlauf ist meistens gestreckt, allenfalls leicht gekrümmt. Die Breite reicht von wenigen Dezimetern bis zu mehreren Metern und sein Profil ist meist kasten- oder trapezförmig. Vielfach markieren solche Gräben die Grenzen von landwirtschaftlichen Flurstücken.
Zweckbau heißt, dass ökologische Überlegungen oder die Überlegung, möglichst naturnah zu gestalten, beim Bau überhaupt keine Rolle gespielt haben. So hat der Drainagegraben primär eine technisch-ökonomische Bedeutung und dient der Sicherstellung eines hinreichenden Wasserabflusses (Dränung). Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (= Graben, Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der Drainagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 % angelegt.

Die nahe liegende, wie einfache Idee ist, den bisherigen Drainagegraben als Wasserabflussgraben in einen Wasserspeichergraben (= Grabenspeicher) umzubauen, indem sein Gefälle „gekippt“ wird. Die Drainage- und Wassergräben verlaufen bislang mit einem Gefälle zum Vorfluter, um das Sicker- und Niederschlagswasser schnellstmöglich in den Vorfluter abzuleiten. Durch das „Kippen“ des Gefälles im Grabensystem erhalten die Drainagegräben ein „negatives“ Gefälle und werden zu Senken ausgebildet, um das Wasser von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.

Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist gewährleistet, dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser gefüllt und die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Drainagegraben signifikant erhöht ist.
Das Ziel muss sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, so genannten Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Nasswiesen, Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz an Kubaturen aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge und des Hochwassers zu speichern. Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume (Kubaturen) mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung.
Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender.
Um ein frühzeitiges Ausufern des Fließgewässers bei Hochwasser in die Grabenspeicher zu ermöglichen, wurden schmale Gehölzstreifen als Drosseln in die Uferböschung des Fließgewässers gepflanzt. Als vorherrschende Holzart verwendete man die Schwarz- oder Roterle (Alnus glutinosa) sowie einige Baumweiden wie Bruchweide (Salix fragilis), Fahlweide (Salix rubens) und Silberweide (Salix alba). Auf reicheren Böden eignen sich als Ufergehölze die Esche (Fraxinus excelsior) und Traubenkirsche (Prunus padus). Zu ihnen gesellen sich Sträucher wie Hasel (Corylus avellana), Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus), Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) und Bluthartriegel (Cornus guinea).
Durch den ingenieurbiologischen Uferverbau wurde ein natürliches Profil mit Drosselfunktion in das Fließgewässer eingebaut, um ein Gleichgewicht zwischen dem Abfluss im Fließgewässer und der Wasserspeicherung im Retentionsnetz herzustellen.

 



Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine Länge von rund 200 m wird durch den natürlichen Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 400 m³ Wasser gespeichert werden, welche ganzjährig zur Bewässerung von Kulturen oder als Löschwasser bei Bränden zur Verfügung stehen. Und „ganz nebenbei“ entsteht ein neues Biotop für die Aquafauna und -flora.

 

So kann die technische Umsetzung aussehen
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits Drainagegräben vorhanden, meist entlang von Parzellengrenzen, dann vielfach auch in Waldstandorten, jedoch meistens mit einem Gefälle zum Vorfluter hin ausgebaut und nicht als Senke ausgelegt. Diese bereits millionenfach vorhandenen Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 2 % der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln, zum Beispiel einem mittelschweren Bagger, zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für das Anlegen eines Grabenspeichers liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12 Jahre muss eine Entschlammung der Grabenspeicher sowie der anderen Rückhalteräume durchgeführt werden.
Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle etwa 1 Meter betragen. Am Ende oder je nach Grabenlänge, kann beispielsweise alle 100 Meter durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner Teich (= Grabenteich) entstehen, um zusätzliche Wasserkapazitäten zu speichern, aber ebenso auch gebaut für eine Wasserentnahme in Trockenzeiten. Bewährt haben sich abgeflachte Ufer, dann Wasserflächen von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr Metern. Die Grabenlängen können oftmals bei mehreren hundert Metern liegen, bestimmt durch die hydrographischen oder geomorphologischen Verhältnisse.


Grabenspeicher mit bivalenter Funktion: Wasserspeicher und Wasserspender für die Land- und Forstwirtschaft
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in solchen Grabenspeichern, je nach Länge und Profil, mehrere tausend Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung, insbesondere während den Trockenperioden. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine natürliche Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem Wiesen und Äckern sowie dem Waldboden das so wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg zugeführt wird. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist dann besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der Heuernte auftritt und der Boden bei starker Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke besonders schnell austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten kennen die Bilder aus den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen über Wochen hinweg fast keine Phytomasse-Entwicklung stattfindet.
In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser ebenso für eine künstliche Bewässerung oder Beregnung der Kulturflächen (Äcker, Wiesen, Wald) eingesetzt werden.

 



Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen Wasser-Rückhalteraumes durch Vertiefung und Aufweitung des Profils eines Grabenspeichers zu einem Grabenteich. Neue Biotope für bestandsgefährdete Pflanzen- und Tierarten werden geschaffen, ebenso neue Fischhabitate.

 

Hochwasserschutz und Naturschutz verbinden
Sehr schnell werden solche Grabenspeicher und Grabenteiche von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen. Und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“, eine so genannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte und an der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten Grabenteiche mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum.
Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass die Grabenspeicher und Grabenteiche ganzjährig mit Wasser gefüllt sind und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gewährleistet ist. Die Erfahrung zeigt, dass ein permanent anstehender Wasserspiegel in den Grabenspeichern die Voraussetzung ist für die Entwicklung von Lebensräumen mit hoher ökologischer Qualität. Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume sichern vielen Tieren und Pflanzen das Überleben. Es wird hiermit auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinander stoßen.
Ein weiterer gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens auch inmitten einer durchaus als monoton und uniform zu bezeichnenden Kulturlandschaft zu liegen kommen.


Vielfältige Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch
Den permanent mit Wasser gefüllten Grabenspeichern und Grabenteichen sowie den Retentionsnetzen lassen sich noch weitere Vorteile zuschreiben.
Die gezielte Speicherung von Sickerwasser, Niederschlägen und Hochwasser in den Grabenspeichern, Grabenteichen und kleinmaschigen Retentionsnetzen dient dem Landbau zur Bewässerung seiner Kulturflächen, der Wasserwirtschaft zur Grundwasseranreicherung (Infiltration) und nimmt insgesamt als stabilisierender Faktor einen positiven Einfluss auf den Wasserhaushalt. So bleibt beispielsweise bei extremen Niedrigwasserzeiten der Fließcharakter des Baches (Vorfluters) weitgehend erhalten, weil aus dem Retentionsnetz Wasser für das Fließgewässer gespendet wird.
Es wird ein wichtiger Beitrag zum präventiven Hochwasserschutz geleistet, indem die Flutwelle im Vorfluter gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Hier wird eine soziale Verantwortung gegenüber den Anwohnern flussabwärts wahrgenommen, indem Schadenshochwasser vermieden oder wenigstens gemindert werden.
Weiterhin werden Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes unterstützt. Der Aufbau eines kleinmaschigen Retentionsnetzes trägt zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird aufgrund der Schaffung neuer Biotope und der Biotop-Vernetzung erheblich zunehmen (Biodiversität). Eine unermesslich große Zahl an Fischhabitaten könnte entstehen. Dies wäre ein möglicher großer Erfolg für die Ichthyologie (Fischkunde) allgemein.

Es gibt wohl keine schönere und beglückendere Möglichkeit, technische Funktionen wie den präventiven Hochwasserschutz mit der Schaffung vielfältigster naturnaher Lebensräume zu verknüpfen. Menschen und Natur werden es uns danken.

 

 

Kleingewässer
Oasen in unserer oberschwäbischen Landschaft

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Zahlreiche Tiere und Pflanzen, deren Existenz in unserer heutigen Kulturlandschaft bedroht ist, finden nur noch selten angemessene Lebensräume. Kleingewässer bieten beste Möglichkeiten, ihnen eine neue Heimat zu geben.


Vernachlässigte Kleingewässer

Generationen von Wasserbau-Ingenieuren haben daran gearbeitet, das Wasser immer schneller aus unserem Land herauszubringen. Kein Wunder, dass natürliche Bach- und Flussläufe, Seen, Weiher, Teiche, Tümpel und krautreiche Gräben inzwischen zu einer Rarität geworden sind. Mit der zunehmenden Begradigung und Kanalisierung von Bach- und Flussläufen ist bereits vor Jahr-hunderten ein großer Teil der natürlichen Gewässer aus der Landschaft verschwunden. Mit erheblichen staatlichen Zuschüssen wurden in weiten Bereichen unseres Landes über 90 Prozent der Kleingewässer trockengelegt oder im Zuge der Flurbereinigung beseitigt. Durch den Großmaschineneinsatz in der Landwirtschaft sah man viele Kleingewässer als Hindernisse für die Bewirtschaftung an. Sie wurden kurzerhand dräniert, verfüllt und einplaniert.
Oftmals wurden auch die Kleingewässer in der irrigen Absicht, Brutstätten von Ungeziefer zu vernichten, mit Bauschutt, Müll und Gartenabfällen verfüllt und eingeebnet. Auch verwandelten sich diese Biotope über Nacht in Friedhöfe für ausgediente Autoreifen und wilde Müllablagerungen.
Welche stiefmütterliche Behandlung Weiher, Teiche und Tümpel bei uns auf der Gemarkung Altshausen in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erfahren haben, soll hier an zwei Beispielen gezeigt werden.


Der zur Kloake verkommene Altshauser Froschweiher
Der Altshauser Froschweiher, idyllisch am Fuße des Bernhardsreuter Wald gelegen und mit freiem Blick auf das Altshauser Ried, war Lebensraum für Frösche und Salamander, Käfer, Insekten und Schmetterlinge. Eine vielgestaltige Vogelwelt hatte am Altshauser Froschweiher ihr Zuhause und der Weißstorch ging dort auf Froschfang. Weithin hörbar ertönte das Quaken der Frösche, das sich mit einem vielstimmigen Vogelkonzert mischte.
Weiterhin umsäumte eine reichhaltige Flora den Weiher und die Wasserfläche war mit Seerosen ausgeschmückt (siehe Bild aus dem Jahre 1960).

Doch wilde Müllablagerungen, vor allem in den 70er Jahren, machten den Froschweiher immer kleiner und letztlich zur Kloake (siehe Bild aus dem Jahre 1979).

 
 

Die Entwicklung des Altshauser Froschweihers vom naturnahen Zustand im Jahre 1960
zur Kloake durch wilde Müllablagerungen (rechtes Bild vom 6. April 1979).

 

Das heimliche Ende eines Weihers bei Stuben
Eine ähnliche Behandlung widerfuhr einem Weiher beim Ortsteil Stuben, welcher direkt an den nordwestlichen Rand des Naturschutzgebietes Dolpenried angrenzte. Obwohl jeder weiß, dass Wasser eines der kostbarsten Güter des Menschen ist, so ist es gerade der Mensch selbst, der ein Gewässer am meisten bedroht. Es wurden bedenkenlos in diesen Stubener Weiher in den vergangenen 70er und 80er Jahren und mit unvorstellbarer Gleichgültigkeit Abfälle hineingeworfen, derart, als wäre das Gewässer ein Müllbehälter. Selbst Fässer mit Resten an Gefahrstoffen (giftigen Chemikalien) konnten in dem zur Müllgrube devastierten Gewässer gefunden werden. Weiterhin führten Düngerausschwemmungen und -verwehungen zu einer unerwünschten „Gewässerdüngung“. Dadurch bildeten sich breitflächige, dicke gelbgrüne Algendecken. Die absterbenden Algenwatten verpesteten im Sommer die Luft und machten letztendlich das Gewässer zu einer übel riechenden Kloake.
Inzwischen wurde der Weiher „klammheimlich“ komplett verfüllt und eingeebnet. Lautlos ist wieder ein wertvolles Gewässer-Biotop gestorben.

Ehemaliger Weiher bei Altshausen-Stuben, gelegen am nordwestlichen Rand des Naturschutzgebietes Dolpenried. Wilde Müllablagerungen und andere diverse Abfallprodukte, u.a. sogar Gefahrstoffe (giftige Chemikalien), sind die unerfreulichen Spuren unserer Zivilisation, welche Kleingewässer und damit Lebensräume für Gewässerflora und –fauna vernichten.

 

Viele Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht
Großflächige Untersuchungen lassen heute keinen Zweifel mehr aufkommen: Die Bestände vieler Tier- und Pflanzenarten, die auf solche Gewässer spezialisiert sind, sind in den letzten Jahrzehnten weitgehend zusammengebrochen. Denn mit ein paar Ladungen Bauschutt ist ein Feuchtbiotop mit kompliziertester Struktur innerhalb kürzester Zeit zerstört, ausgelöscht für immer. Dagegen braucht ein Feuchtbiotop etwa 30 Jahre, bis es für die Landschaft wirklich wertvoll ist. Des weiteren hat der Straßenbau der vergangenen Jahrzehnte viele Amphibienbestände zum Erlöschen gebracht. Schon eine Verkehrsbelastung von 15 bis 20 Fahrzeugen pro Stunde führt zum Tod von etwa 50 Prozent aller Lurche, die die Straße auf ihren Wanderungen zwischen Sommerlebensraum, Winterlebensraum und Laichgewässer überqueren wollen.

Der großflächige Einsatz von Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln hat für die Amphibien tödliche Folgen: Da sie durch die Haut atmen, sind sie weitgehend schutzlos gegen giftige Chemikalien und sterben eines lautlosen, aber grausamen Todes.

Dazu kommt noch das weltweite Problem der zunehmenden Verunreinigung der Gewässer. Stehende Kleingewässer mit ihrer geringfügigen Wassererneuerung und den stärker in sich geschlossenen Kreisläufen reagieren wesentlich empfindlicher als Fließgewässer.


Warum Kleingewässer schützen?
Stehende Kleingewässer wie Weiher, Teiche, Tümpel, Altwässer und krautreiche Gräben sind Heimat und Lebensgrundlage für weit über 1.000 Tierarten, darunter viele Kleintiere, und für über 200 Pflanzenarten. Allein über 2.000 Insektenarten sind auf Süßwasser angewiesen, darunter auch viele vom Aussterben bedrohte Insektenarten wie Großlibellen oder Schwimm- und Wasserkäfer. Die 19 bei uns heimischen Amphibien (Frösche, Kröten, Molche) sind ebenso wie viele Vogelarten auf Kleingewässer angewiesen.

Amphibien spielen eine wichtige Rolle im Naturhaushalt, da sie zum einen den Bestand an Insekten und anderer Kleintiere regulieren und zum anderen selbst die Nahrungsgrundlage für Storch, Ringelnatter und Reiher, aber auch von Eulen, Gelbrandkäfer, Igel, Dachs und vieler anderer Tiere darstellen.
Kleingewässer sind somit wichtige Ausgleichsräume in unserer intensiv genutzten Landschaft.


Dem Laichgewässer zeitlebens eng verbunden
Gewässer und Landschaft sind wechselseitig verbunden, ja wesentlich vielseitiger und weitreichender miteinander verzahnt, als dies bei anderen Landschaftselementen der Fall ist. Viele Tiere, die hinsichtlich ihrer Fortpflanzung an Gewässer gebunden sind, unternehmen im ausgewachsenen Stadium mehr oder weniger weite Wanderungen in die Umgebung. Dies gilt zum Beispiel für Libellen, deren Larven sich im Wasser entwickeln, während sich die erwachsenen Tiere auf Jagdausflügen oft weit vom Gewässer entfernen.

Und am Beispiel der Amphibien zeigt sich ein anderes Problem: Verschiedene Arten, besonders deutlich die Erdkröte, sind auf ein bestimmtes Laichgewässer „spezialisiert“. Sie wandern alljährlich immer an dieselbe Stelle, an „ihr“ Gewässer zurück, auch dann noch, wenn ihr Teich längst verfüllt und eingeebnet worden ist. Da sitzen sie dann und wickeln ihre Laichschnüre eher um nasses Gras als um die Wasserpflanzen in einem Teich, der nur wenige hundert Meter weit entfernt ist.

Ein ganz entscheidendes und wenig beachtetes Problem kommt noch hinzu: Ein modernes ökologisches Stichwort heißt Biotopvernetzung. Nur dann, wenn einzelne Tier- und Pflanzenbestände mit anderen in Verbindung stehen können, nur dann ist ihr Überleben langfristig gewährleistet. Andernfalls, wenn eine solche „Blutauffrischung“ fehlt, gibt es Inzucht mit allen bekannten negativen Konsequenzen.

 
Kleingewässer schaffen
Wir wissen, dass die Stabilität im Landschaftshaushalt weitgehend durch bio-logische Vielfalt in der Landschaft gewährleistet wird. Vielfalt, das bedeutet eine gewisse Mannigfaltigkeit von Biotopen und damit ein Reichtum an Pflanzen- und Tierarten. Das heißt, man braucht nicht hier und da einige verstreute Gewässer in der Landschaft, sondern man braucht ein funktionierendes Netz solcher Kleingewässer. Sie dürfen nur so weit auseinander liegen, dass sie zum Beispiel von den Amphibien auf ihren Wanderungen sicher erreicht werden können. Denn viele isolierte Bestände haben langfristig keine Überlebenschance. Neue Kleingewässer müssen daher hinzukommen.

Erfreulicherweise hat in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden. So wurden bei Flurbereinigungen bereits einige Kleingewässer neu geschaffen. Um jedoch den gewaltigen Verlust wieder wettzumachen, bedarf es noch großer Anstrengungen. Deshalb sind insbesondere Landwirte und andere Nutzungs-berechtigte im Außenbereich, wie zum Beispiel Jäger und Angler, aufgerufen, Kleingewässer für den Naturschutz zu sichern oder auszubauen. Auch für Vereine, Gesellschaften, Erwachsenen- und Schülergruppen gibt es einen breiten Spielraum für Einzelinitiativen. Denn die Erhaltung, Pflege und Schaffung neuer Kleingewässer ist eine ökologische Notwendigkeit. Und für eine Biotop-Neuschaffung kann jeder etwas tun!


Der gerettete Altshauser Froschweiher
Diese Einsicht war Anlass, sich spontan zu einer „Aktion Altshauser Froschweiher“ im Frühjahr 1979 zusammenzuschließen, um den zur Kloake verkommenen Froschweiher zu sanieren. Die Initiative ging von der Gruppe „Junge Erwachsene“ der Kolpingsfamilie Altshausen und der „Gesellschaft für Geschichte und Heimatpflege Altshausen e.V.“ aus. Die Aktion gab ein Beispiel dafür, wie mit etwas Eigeninitiative und bescheidenen Mitteln ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere in Selbsthilfe saniert wurde, ohne gleich nach dem Staat zu rufen.

Die „Aktion Altshauser Froschweiher“ säuberte das Areal, führte Naturpflege-Arbeiten durch, ein Bagger entschlammte den Froschweiher und modellierte ihn zu einem neuen Feuchtgebiet. Bereits nach wenigen Jahren entstand wieder eine kleine Natur-Oase, „eine Natur aus zweiter Hand“. Diese Biotope „aus zweiter Hand“ sind für uns nicht minder wertvoll als natürlich entstandene Lebensräume.

Auch die Gemeindeverwaltung Altshausen versagte bei so viel Gemeinsinn die Unterstützung und Mithilfe nicht. Und großes Lob gab es vom Regierungspräsidium Tübingen. Die „Aktion Altshauser Froschweiher“ wurde 1981 mit einer Urkunde ausgezeichnet für den vorbildlichen Einsatz zur Erhaltung eines Feuchtbiotops.
 


Der Altshauser Froschweiher vor der Sanierung (Foto vom 6. April 1979)


Froschweiher nach seiner Sanierung (Foto vom 10. April 1983)

 

Mit einfachen Mitteln können neue Kleingewässer entstehen
Oftmals reichen einfache Mittel aus, wie die Aktion „Aktion Altshauser Froschweiher“ gezeigt hat, um Gewässer-Biotope zu sanieren oder neu zu schaffen. Vor allem an kleineren Gewässern lassen sich mit verhältnismäßig geringem Aufwand sichtbare Erfolge erzielen.
Beginnen wir beim Drainagegraben, welcher meist entlang von Parzellengrenzen verläuft. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts werden in Europa millionenfach Drainagegräben angelegt. Sie werden heute wegen ihres direkten Einflusses auf den Wasserhaushalt zunehmend kontrovers diskutiert. Der Drainagegraben ist eine Form der Entwässerung zur Trockenhaltung von meist landwirtschaftlich genutzten Böden. Auch in Waldstandorten sind vielfach Drainagegräben anzutreffen. Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (= Bach, Fluss) vorausgesetzt. Das heißt, der Drainagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 Prozent angelegt.
Die naheliegende wie einfache Idee zur Schaffung neuer Kleingewässer ist, das Sicker- und Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich im kanalisierten Drainagegraben in den Vorfluter abzuleiten, sondern das Wasser zu speichern, indem der Drainagegraben „gekippt“ wird und damit ein „negatives“ Gefälle erhält. Der Drainagegraben wird zur Senke ausgebaut und dadurch erhöht man signifikant die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Drainagegraben. Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Fließgewässers. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Sohle des Fließgewässers liegen. Damit ist gewährleistet, dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.

Ein interessantes Beispiel der Reaktivierung
Naturnah geschaffener Retentionsraum kann somit durch den Ausbau eines ehemaligen Drainagegrabens zu einem Speichergraben geschaffen werden und die Aufweitung und Vertiefung des Profils am Grabenende lässt einen kleinen Weiher entstehen (siehe nachfolgendes Bild). Damit können, je nach Grabenlänge, mehrere 100 m³ Wasser gespeichert werden und darüber hinaus entsteht ein neuer Lebensraum für eine vielfältige Wasserfauna und –flora, ebenso neue Habitate für bestimmte Fischarten wie Karauschen (Carassius carassius), Schleien (Tinca tinca), Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis), Moderlieschen (Leucaspius delineatus) und den Giebel (Carassius gibelio).
Allgemeines Ziel sollte sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale, zugespülte Weiher, verschlammte Gräben und Teiche, zu reaktivieren, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Teiche und Weiher für eine natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden. Voraussetzung für eine Wasserspeicherung ist die hydrologische Vernetzung mit dem Fließgewässer (Vorfluter).
Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen werden nicht nur neue Kleingewässer geschaffen, sondern es wird ein Netz an natürlichen Wasserrückhaltespeichern entstehen. Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens inmitten einer durchaus zurecht als monoton oder uniform bezeichneten Kulturlandschaft zu liegen kommen. Damit werden neue, wertvolle ökologische Zellen in eine Kulturlandschaft eingegliedert.
 


Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen Wasser-rückhalteraums (kleiner Weiher) mit einer krautreichen Wasserflora und zugleich Entstehung eines neuen Lebensraumes für gefährdete Fischarten, wie zum Beispiel der Karausche.

 

Die Karausche, eine gefährdete Fischart, aber auch ein Überlebenskünstler
Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) sowie weitere Naturschutzorganisationen haben die Karausche zum Fisch des Jahres 2010 gekürt. Ihr lateinischer Name lautet Carassius carassius. Es ist eine Fischart, die zur Familie der Karpfenfische (Cyprinidae) gehört. Damit soll ein wenig bekannter, aber dennoch interessanter Fisch der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Zudem wird vor allem darauf hinge- wiesen, dass die Karausche durch Gefährdung und Verlust ihrer Lebensräume in unseren heimischen Gewässern vom Aussterben bedroht ist.
Die Karausche ist eine äußerst genügsame und robuste Fischart. Bevorzugt lebt sie in kleinen, pflanzenreichen und stehenden Gewässern, kann aber auch in Flüssen mit geringer Strömungsgeschwindigkeit und im Brackwasser vorkommen. Aufgrund ihrer hohen Anpassungsfähigkeit ist sie selbst in kleinsten, sauerstoffarmen und verschlammten Moortümpeln zu finden. Wenn das Gewässer austrocknet, kann sich die Karausche im Schlamm vergraben und einige Tage überleben. Sie kommt bis zu fünf Tagen ohne Sauerstoff aus und gilt deshalb im Tierreich als „Weltmeister im Luftanhalten“.
In Baden-Württemberg gilt die Karausche als potenziell gefährdet bis verschollen. So kommt diese Fischart nur noch in einigen Seen und Weihern Oberschwabens vor sowie in Altwässern, Gräben und Kleingewässern des Rhein-, Donau- und Neckargebietes. Das vorrangige Ziel von Schutzbemühungen sollte sein, die bekannten Vorkommen zu schützen und zu fördern.
Durch den Ausbau ehemaliger Drainagegräben zu Grabenspeichern und deren Erweiterung zu kleinen Weihern (siehe vorstehendes Bild) ist es in den vergangenen Jahren Mitgliedern der Ökologisch Demokratischen Partei (ödp) des Ortsverbandes Altshausen gelungen, im Gewann „Taubes Ried“ der Gemarkung Altshausen wieder natürliche Lebensräume für die Karausche zu schaffen. Und der Arbeitseinsatz hat sich gelohnt! Durch Rasteruntersuchungen ist diese in ihrem Fortbestand gefährdete Fischart jetzt in mehreren Kleingewässern im „Tauben Ried“ nachgewiesen worden und die Populationsdichte ist inzwischen auf einem stabilen Niveau angelangt: mehrere hundert Karauschen wurden bereits gezählt.


Gewässer und Landschaft
Die Bedeutung selbst des kleinsten Gewässers reicht also weit über seine Ufer in die Landschaft hinaus. Ob kleine oder große Wasserflächen, ob Graben, Tümpel, Weiher, See oder Fluss, sie alle tragen zur biologischen Vielfalt bei, beleben und bereichern das Landschaftsbild auf mannigfaltige Weise.
Wechselspiel der Farben, Kontraste von Wasser und Licht, wer vermag die unzähligen Varianten zu erfassen? Und doch fasziniert schon der Augenblick, festgehalten im Bild, Foto oder besser in Wort und Vers. Aber wer schätzt schon das, was er hat! Erst angesichts der zunehmenden Monotonie unserer Kulturlandschaft, oft als „Kultursteppe“ glossiert, wird vielen der Wert all dessen bewusst.
 


Der natürliche Weiher gilt als unser artenreichstes Gewässer und selbst der kleinste Weiher trägt dazu bei, bestandsgefährdete Pflanzen und Tiere zu erhalten und weiteren wildlebenden Organismen in der Kulturlandschaft Lebensmöglichkeiten zu bieten. Das Bild zeigt einen Weiher im Gewann „Taubes Ried“ der Gemarkung Altshausen.

 

Sorge um unser Wasser

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Obwohl unser Planet zu mehr als 70 Prozent damit bedeckt ist, wird Wasser ein zunehmend knappes Gut. Denn gerade mal drei Prozent dieser gewaltigen Mengen sind trinkbares Süßwasser und wiederum nur ein Drittel davon ist für die menschliche Nutzung erreichbar. Die steigende Nachfrage nach Energie, Nahrung und sauberem Wasser wird die ohnehin schon schwelende Wasserkrise noch weiter verschärfen.


Rund 5.200 Millionen m³ Wasser aus 13.500 Wassergewinnungsanlagen fließen in Deutschland jährlich durch die Leitungen der öffentlichen Wasserversorung. Und das auf einer Länge von 530.000 Kilometern. Etwa 60.000 Beschäftigte in mehr als 6.200 Betrieben zur Wasserversorgung sichern die Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung (Zahlen von 2011). An Investitionen wurden allein im Jahr 2010 mehr als 2.000 Millionen Euro getätigt.


Wasserverbrauch pro Kopf
Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft schrumpft in Deutschland der Wasserverbrauch Jahr für Jahr. Aufgrund steigender Wasserpreise und effizienterer Technologien (“Sparprogramme”) sowie Aufklärung und Bewusstseinsbildung der Bevölkerung war der Pro-Kopf-Verbrauch 2012 so niedrig wie noch nie. 122 Liter Trinkwasser verbrauchte laut Statistischem Bundesamt jeder Einwohner am Tag. Vor 10 Jahren waren es noch 131 Liter und 1990 lag der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch bei 147 Litern. Im internationalen Vergleich liegt der Wasserverbrauch in Deutschland deutlich hinter Österreich (162 Liter), Norwegen (260 Liter) und den USA (295 Liter).
Doch ist ein durchschnittlicher Wasserverbrauch von 122 Litern pro Tag und Person nur die halbe Wahrheit, denn darin ist der so genannte virtuelle Wasserverbrauch noch nicht enthalten. Als virtuelles Wasser bezeichnet man Wasser, das zur Erzeugung eines Produktes benötigt und damit indirekt durch den Konsum verbraucht wird. So werden für ein Kilogramm Fleisch durchschnittlich 15.500 Liter Wasser benötigt, für ein Kilo Reis 3.400 Liter und für eine Scheibe Brot immerhin noch 40 Liter. Und ein neues Auto bedeutet den Verbrauch von 16.000 Liter Wasser, ein paar neue, schicke Lederslipper kosten den Verbrauch von 8.000 Liter Wasser.
Berücksichtigt man die Bilanz des virtuellen Wassers, dann verbraucht jeder Deutsche rund 4.000 bis 5.000 Liter Wasser pro Tag.


Weshalb Sorge um unser Wasser?
Mit einem verfügbaren Wasserdargebot von 188.000 Millionen m³ ist Deutschland ein wasserreiches Land. Im Jahr werden durch die Industrie und für die Wasserversorgung der privaten Haushalte etwa 32.000 Millionen m³ Wasser aus Grund- und Oberflächengewässern entnommen. Das sind weniger als 20 % des potenziellen Wasserdargebots, das heißt, über 80 % der verfügbaren Wassermenge verbleiben gegenwärtig ungenutzt.
Was gibt es bei dieser Fülle an allgegenwärtigem Wasser für Sorgen? Das Wasser ist doch eingebunden in den natürlichen Kreislauf und kann uns nicht verloren gehen. Es kehrt immer wieder auf den Erdboden zurück, versickert im Untergrund und wird uns wieder geschenkt als Grundwasser, speist unsere Bäche, Flüsse und Seen. Der Kreislauf des Wassers stellt den ältesten Kreislauf der Biosphäre dar. Die Natur selbst besorgt seit jeher den Reinigungsprozess, und das nicht nur in den Oberflächengewässern, sondern auch im Untergrund. Ein doch schönes und tröstliches Bild!
Und lange Zeit hat man sich auch darauf verlassen (können), dass die Natur diesen Dienst gewissenhaft und kostenlos versieht. Immer größer sind die besiedelten Gebiete geworden, immer umfangreicher die Eingriffe, immer mehr ist man gegen die Natur vorgegangen und hat dabei auch das Wasser und dessen natürliche Behältnisse nicht geschont, eigentlich auf die Probe gestellt, wie viel und wie lange man dies zumuten kann. Man hat bedenkenlos “eingeleitet”, in das Wasser hinein und in den Untergrund und damit ebenfalls wieder in das Wasser “entsorgt”. In unserem technisch-wirtschaftlichen Denken sahen wir im Wasser den geeigneten Transportstoff. Es ging alles so einfach, man war so schnell und leicht alle Sorgen los.
Doch dann kamen die trüben und stinkenden Bäche und Flüsse, die toten Fische, die lebensleeren öden Gewässer. Dann kamen die Sorgen. Noch war reichlich Grundwasser da, sauber und von bester Qualität.
Während man allenthalben bereits von “Gewässerschutz” sprach und Handlungsdefizite aufzuarbeiten begann, überrollte eine erschreckende Agrarpolitik-Lawine der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG), heute Europäische Union (EU), die Bauern und drängte sie in eine “moderne”, völlig naturwidrige, weil einseitige Massenproduktion. Mitmachen oder untergehen, viel und kostengünstig zu produzieren, das blieb den meisten Bauern nur noch als Überlebenschance. Der Bauernstand in seiner existenziellen Beziehung zum Boden wurde entwurzelt, der Boden, die Landschaft weitgehend zerstört. Massenhafte Monokulturen ohne Kultur entstanden.

 



Quadratkilometer große und bis auf den letzten Rest ausgeräumte Ackerflächen mit ihren Monokulturen verändern das Landschaftsbild in einer radikalen Weise. Besonders der Maisanbau verwandelt die Landschaft in “grüne Wüsten”.

 

Massentierhaltungen mit massiven Umweltbelastungen wurden gegründet. Massenhafte Getreide- und Butterberge türmten sich auf. Massenhafter Einsatz von Düngemitteln und Pflanzen”behandlungs”mitteln wurden zur Norm. Und ein ebenso massenhafter Verlust von fruchtbarem Humus stellte sich ein, vom Winde verweht und in den Gewässern abgelagert zum Schaden der Aqua-Lebensräume. Wer trägt die Schuld an dem seit 50 Jahren währenden und jetzt wieder zunehmenden Nitrat-Problem? Und weiter: das Rückstandsproblem von Pflanzenschutzmitteln im Trinkwasser und in Lebensmitteln?
Es klingt wie ein Hohn der Natur, wenn mancherorts die Bauern das Wasser aus ihren eigenen Brunnen nicht mehr trinken können. Es bereitet große Sorge, wenn manche agrare Landschaften zu einem größeren ökologischen Problemgebiet geworden sind als es der benachbarte städtisch-industrielle Bereich ist.

Viele der alten Sünden sind inzwischen weggewaschen, in die Meere gespült. Die neuen Sünden sammeln sich immer bedrohender in den hohen atmosphärischen Schichten und im Grundwasser. Was tagtäglich Millionen Auspuffrohre, Schornsteine und Fabrikschlote an die Luft setzen, fällt zum größten Teil im “Sauren Regen” auf uns nieder. Organische Lösungsmittel haben uns ein völlig naturfremdes “Halogenkohlenwasserstoff”-Problem geschaffen, das in voller Wucht erst kommende Generationen treffen wird.
“Die Natur arbeitet langsam und nach anderen Maßstäben als der Mensch. Sie richtet sich auch nicht danach, ob der heutige Mensch das noch begreift oder nicht” (Leonhard A. Hütter).


Industrialisierung der Landwirtschaft
Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft begann vor rund 50 Jahren statt des erwarteten Segens eine unheilvolle Entwicklung. Die traditionellen bäuerlichen Betriebe wurden zurückgedrängt. An ihrer Stelle entstanden Tierfabriken ohne Ackerflächen. Futter muss importiert und die Gülle entsorgt werden. Die enormen Güllemengen belasten die Oberflächengewässer und das Grundwasser.
Der einsetzende Boom an Biogasanlagen verschlimmert das Problem. In den vergangenen Jahren ist die Anbaufläche für Energiepflanzen wie Mais (als Pflanze für die Biogaserzeugung) und Raps (als Rohstoff für Biotreibstoffe) rasant gewachsen. Mais und Raps sind allerdings aus Sicht des Gewässerschutzes hochgradige Problemkulturen: sie benötigen eine vergleichsweise hohe Menge an Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Gerade im Maisanbau kommt es zu einer starken Auswaschung von Pestiziden ins Grundwasser. Zur Zeit werden über 40 verschiedene chemische Wirkstoffe angewandt. Die im intensiven Maisanbau bevorzugten Herbizide wie Bentazon, Terbuthylazin, (S)-Metolachlor, Metazachlor werden bereits häufig im Grundwasser gefunden. Hinzu kommen auch noch die Wirkstoffe neuartiger Fungizde.

Darüber hinaus gehört die Problem-Pflanze Mais zu den stark erosionsbegünstigenden Beständen. Und damit bekommen alle miteinander ein sehr großes Problem. Die Erosion von Ackerböden ruiniert längerfristig die Landwirtschaft und abgeschwemmtes Erdreich, das in die Bäche, Flüsse und Seen gelangt, schädigt den Naturhaushalt unserer Gewässer. Der Eintrag von abgeschwemmtem Erdreich gehört seit Jahren mit zu den gravierendsten Gewässerschäden unserer Zeit.


Schleichende Vergiftung
Düngemittel, Gülle, Gärreste und Pestizide verseuchen langsam unser Trinkwasser. Der Boom der Biogasanlagen verschlimmert das Problem und führt zu hohen Nitrat-Belastungen des Grundwassers. Grund dafür ist das oftmals übermäßige Düngen der “Energie-Landwirte” beim Maisanbau. Bereits im Jahr 2010 lagen beim Silomais 30 % der EU-Anbauflächen in Deutschland. Damit ist Deutschland Spitzenreiter im Anbau dieser Pflanze.
Im Ems-Weser-Einzugsgebiet gibt es zahlreiche Kreise in denen auf über der Hälfte der Ackerbaufläche Mais angebaut wird. In einigen Kreisen liegt der Anteil bereits zwischen 60 und 70 %! Während viele Pflanzen bei Überdüngung der Böden einen geringeren Ertrag erbringen, verträgt der Mais hohe Stickstoffgaben. Dies führt dazu, dass die abgeernteten Flächen bereits im Herbst und nochmals im Frühjahr mit großen Mengen an Gülle und Gärresten aus den Biogasanlagen “gedüngt” werden. Da die Ackerfelder zum größten Teil bis in den Monat Mai hinein brach liegen, entziehen in dieser Zeit keine Pflanzen den Stickstoff im Boden und es kommt zu einer enormen Verlagerung von Nitrat-Salzen ins Grundwasser. Je nach Bodenbeschaffenheit kommt die Nitrat-Front unterschiedlich schnell voran. Es kann länger als ein Jahrhundert dauern, bis die Nitrat-Front durch dicke Lehmschichten gedrungen ist (“Zeitbombe” im Boden!) oder weniger als ein Monat, bis das Nitrat unter Sand- und Karstböden im Grundwasser messbar ist. Damit kehrt das vermeintlich vor Jahren gelöste Nitrat-Problem mit aller Wucht zurück.

 



Es stinkt zum Himmel und sickert ins Grundwasser: Gülleaus-bringung auf gefrorenem Boden!

 

Gesetze, Grenzwerte und Mikroschadstoffe
Wir haben seit dem 14.12.2012 eine novellierte Trinkwasser-Verordnung (TrinkwV). Wie lange aber werden wir noch Trinkwasser haben, das ihren Forderungen gerecht wird? Wasseraufbereitung durch immer noch aufwändigere Verfahren ist kein Weg zur Qualitätssicherung des Trinkwassers für Gegenwart und Zukunft, sondern eine durch den Zustand der verfügbaren Rohwässer aufgezwungene Notlösung. Trinkwasser muss ein Naturprodukt bleiben, das mit Hilfe weitgehend natürlicher Aufbereitungsmaßnahmen jederzeit die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Es ist eine für die Wasserversorgungsunternehmen unzumutbare Aufgabe, immer mehr naturfremde Stoffe aus dem Wasser entfernen zu müssen, um ein Wasser bereitstellen zu können, das “appetitlich ist und zum Genuss anregt” gemäß den Leitsätzen für die Anforderungen an Trinkwasser (DIN 2000).

 



Das Wasser ist für uns ein Lebensmittel im wahrsten Sinne des Wortes: Bekommt ein Mensch kein Wasser mehr, stirbt er nach wenigen Tagen, während er mehrere Wochen lang ohne feste Nahrung auskommen kann.

 

Auch das in der Trinkwasser-Verordnung ausgesprochene Minimierungsgebot ist keine echte Maßnahme eines vorsorgenden Gewässerschutzes nach dem Verursacherprinzip. Es erweckt vielmehr den Eindruck, als seien die Wassergewinnungs- und Wasserversorgungsunternehmen für den Zustand der Gewässer verantwortlich, denen sie das Rohwasser entnehmen. Dabei müssten doch die eigentlichen Verursacher, Dulder oder gar Anstifter(!) von Beeinträchtigungen zur Verantwortung gezogen werden.
Auch Grenzwerte sind aus dieser Sicht ähnlich wie das Minimierungsgebot einzustufen. Der Grenzwert dokumentiert den Willen des Gesetzgebers, Stoffe, die von Natur aus nicht in der Umwelt vorkommen, von den Gewässern fern zu halten. Aber weder für die Landwirtschaft noch für die Produktion von Pflanzenschutzmitteln und Halogenkohlenwasserstoffen – um nur einige besonders markante wasserrelevante Bereiche zu nennen – wurden bislang entscheidende Rechtsnormen gesetzt. Es gilt die Böden und Gewässer von solchen Stoffen freizuhalten, die gemäß den Grenzwerten für Inhaltsstoffe im Trinkwasser auszuschließen bzw. zu minimieren sind. Auch die verfeinerte Analytik unserer Tage und die umfassendere Datengewinnung und Datenverfügbarkeit über die Spurenstoffe ist kein Argument, zwingend nötiges Handeln hinauszuzögern, unter dem Vorwand, dass man derart geringe Stoffmengen früher hätte gar nicht entdecken können. Allerdings! Man hätte sie zu einer Zeit, als sie noch gar nicht hergestellt wurden, auch mit den allerempfindlichsten Analysensystemen nicht im Trinkwasser nachweisen können, etwa Atrazin, Metolachlor oder Chlorkohlenwasserstoffe.
Inzwischen sind weitere Quellen von derzeit nicht endgültig abschätzbarer Schadpotenz identifiziert: Mikroschadstoffe! Es sind Umweltchemikalien, die in sehr kleinen Konzentrationen vorkommen (Spurenstoffe) und dabei langfristig Schäden verursachen können. Hierzu zählen vor allem Schwermetalle, Flammschutzmittel, Komplexbildner, Schmerzmittel, Antibiotika, Antirheumatika, Lipidsenker, Hormone, Röntgenkontrastmittel, Mikro-Kunststoffe, Partikel aus der Nanotechnik und andere. Diese gehen zum Teil unverändert in großen Teilen oder gar vollständig durch die Kläranlagen hindurch und können selbst im Bodensee, dem größten deutschen Trinkwasser-Speicher, nachgewiesen werden. Es stehen zahlreiche Industriechemikalien unter Verdacht, in das Hormonsystem von Mensch und Tier einzugreifen. So ist bekannt, dass östrogen wirksame Mikroschadstoffe unter anderem zur Verweiblichung von männlichen Fischen führen und andere Substanzen organische Schäden an Leber und Niere verursachen können. Seit zwei Jahrzehnten wird dies weltweit in Flüssen unterhalb von Kläranlagenausläufen beobachtet. Auch in Bayern wird zunehmend von einem Rückgang bestimmter Fisch- und Amphibienarten berichtet. Als eine der Ursachen wird auch hier eine mögliche Belastung der Gewässer mit östrogen wirksamen Umweltchemikalien diskutiert. Der Frage, ob diese Substanzen eine Bedrohung für freilebende Fisch- und Amphibienbestände darstellen, wurde in den Jahren 1996 bis 2003 im Rahmen mehrerer Forschungsvorhaben nachgegangen.


Ausblick
Wasser, das durch so viele Jahrtausende Mit-Träger hoher Kulturen war, ist in unserem Zeitalter zum Prüfstein von Zivilisation und Kultur jedes Einzelnen und seiner Volksgemeinschaften geworden. Je zivilisierter der Mensch ist, um so mehr Wasser verbraucht er. Je mehr Wasser er benötigt, um so zivilisierter kommt er uns und sich selber vor, um so gefährlicher aber ist er für seine Umwelt und seine Nachwelt.

 

 

Streuobstwiesen:
Früchtekorb und Futterwiesen zugleich

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

Streuobstwiesen sind ein wichtiger Bestandteil der baden-württembergischen Kulturlandschaft. Sie sind in vielfältiger Weise Bindeglieder mehrerer Biotopelemente. So finden sich hier Gehölzstrukturen ebenso wie unterschiedliche Wiesenaspekte. Mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten sowie über 3.000 Obstsorten besitzen Streuobstbestände eine ungewöhnlich hohe biologische Vielfalt. Damit gehören sie zu den naturschützerisch bedeutendsten Kulturlandschaften Europas. Und mit Streuobstwiesen verbindet fast jeder Baden-Württemberger schöne Erinnerungen.

In vielen Gegenden Deutschlands, der Schweiz und Österreichs, die kleinklimatisch begünstigt sind, hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine besondere Kulturform herausgebildet, die eine Mischung aus Wiesen- und Obstnutzung darstellt: die Streuobstwiesen. Trotz großflächiger Rodungen in den 1950er bis 1970er Jahren erreichen Streuobstwiesen im Gebiet des heutigen Landes Baden-Württemberg immer noch eine relativ weite Verbreitung und das Land besitzt die bedeutendsten Streuobstbestände in ganz Europa. Die Hälfte aller deutschen Streuobstwiesen findet man im Südwesten, ganze 117.000 Hektar. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für diesen Lebensraum, auch deshalb, weil er vom Aussterben bedroht ist.

Streuobstwiesen prägen Landschaften
Hochstämmige Obstbäume gehören Gott sei Dank immer noch zum altvertrauten Bild südwestdeutscher Kulturlandschaften. Sei es, dass sie als grüner Kranz Dörfer und Weiler umgeben, als Alleen Straßen und Wege säumen, als markante Einzelbäume in der Feldflur stehen oder in Form regelrechter „Obstbaumwälder“ ganze Talhänge bedecken – immer stellen sie ein die verschiedenen Landschaften wesentlich prägendes Element dar. Da sie mehr oder weniger locker über die Landschaft „gestreut“ erscheinen, hat sich für diese traditionelle Form des Obstbaus im Unterschied zu den geschlossenen Blöcken moderner Niederstamm-Dichtpflanzungen die Bezeichnung Streuobstbau eingebürgert. Damit leitet sich auch der seit gut 20 Jahren häufig gebrauchte Begriff Streuobstwiesen ab. Er hat jedoch nichts mit der Streunutzung einer Wiese zu tun, wie man vordergründig vermuten könnte.
Solche Streuobstwiesen tragen in vielen Landesteilen Baden-Württembergs ganz wesentlich zu deren landschaftlicher Anmut bei. Es gibt wohl kaum eine andere heimische Kulturart, bei der schon eine einzelne Pflanze eine so bestimmende Landschaftsmarke setzt wie ein ausgewachsener Hochstamm-Obstbaum. Aber auch dort, wo viele solcher Bäume zu einem „Obstwald“ vereinigt sind, bilden sie keine amorphe Masse, sondern eine Vielfalt von Individuen, die das Landschaftsbild beleben. Im Unterschied zu den flächig erscheinenden landbaulichen Kulturen geht von Bäumen eine dreidimensionale Wirkung aus. In ihren wechselnden Gruppierungen vermitteln sie räumliche Tiefe, Unverwechselbarkeit und Vielfalt, die noch gesteigert wird durch die im Jahresverlauf wechselnden arten- und sortentypischen Farbnuancen, wobei die Blütezeit und die Zeit der Frucht- und Laubfärbung besondere Höhepunkte darstellen. Ganz allgemein zählen die von Streuobstwiesen geprägten Landschaften zu den vielfältigsten Bildern mitteleuropäischer Kulturlandschaften.

Besonderer Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten
Der besondere Wert der Streuobstwiesen als Biotop ergibt sich aus zwei Ursachenkomplexen: Zum einen bilden die Bestände mit ihrer durch freistehende, ausladende Bäume und einen artenreichen Unterwuchs charakterisierten „savannenartigen“ Struktur schon vom räumlichen Aufbau her ein vielfältiges Mosaik verschiedener Kleinbiotope, wie es weder der geschlossene Wald noch das freie Acker- oder Grünland bieten können.
Zum anderen bedeuten die mit der extensiven Nutzung verbundenen seltenen und meist weniger tiefgreifenden Bewirtschaftungsmaßnahmen eine geringere Störung von Pflanzen und Tieren als im Intensivobstbau oder bei anderen intensiven Nutzungen. Das seltenere Durchfahren mit Geräten, der weniger häufige Schnitt des Grases und die oft völlig fehlende Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sowie das Belassen alter Bäume mit abgestorbenen Astpartien ermöglichen einer viel größeren Zahl von Tier- und Pflanzenarten, die keineswegs nur als Schädlinge auftreten, das Überleben.

Farbenprächtige Blumenwiese
Am augenfälligsten ist der große Artenreichtum der extensiv bewirtschafteten Streuobstwiesen an der Zusammensetzung des Unterwuchses erkennbar. Zwar finden sich meist keine an besondere Standorte gebundene Raritäten, da Streuobstwiesen weder ausgeprägte Trocken-, noch Feucht-, noch Magerbiotope sind. Dementsprechend überwiegen Arten der Wiesen und Weiden mäßig trockener bis mäßig feuchter Standorte mit mittlerer bis guter Nährstoffversorgung. In der Regel bilden sie verschiedene Ausprägungen unserer häufigsten Wiesengesellschaft, der Glatthaferwiese. Die Glatthaferwiese ist ein besonders blütenreicher Wiesentyp unserer Mittelgebirge in Europa.
Insgesamt sind es ungefähr 70 bis 80 Arten, die in den Glatthaferwiesen regelmäßig vorkommen können, wenngleich wir im konkreten Einzelbestand meist nur 25 bis 35, vielleicht auch einmal 40 Arten finden. Diese blumenbunten Glatthaferwiesen unter den Streuobstbeständen sind für den Naturschutz ein ungemein wertvolles Kapital, das es unbedingt zu erhalten gilt. Denn hier sind die Blumenwiesen mit ihren gesellschaftsgebundenen und standortbedingten Blumen bereits real vorhanden und müssen nicht in verkrampfter Manier durch Ansaat von gesellschaftsfremden, oft nicht einheimischen und nicht standortsgemäßen Arten erst geschaffen werden.

Der Baum als Lebensraum
Optisch weniger auffallend ist die noch viel größere Artenvielfalt der Tiere, die auf bestimmte Pflanzenarten als Wirtspflanzen angewiesen sind oder die im Boden, im Unterwuchs, an den von Flechten und Moosen überzogenen Stämmen, Ästen und Zweigen, im Totholz oder in Baumhöhlen, auf den Blättern oder auch zwischen den Zweigen des Kronenraumes ihre passende „ökologische Nische“ finden. Um einen Einblick in die Arten- und Individuenzahl der Tiere sowie ihr Verhalten zu bekommen, sind oft erst langwierige zoologische Untersuchungen notwendig. So können sich auf Apfelbäumen, sofern keine Bekämpfung stattfindet, allein rund 1000 Gliederfüßler-Arten (Arthropoden) ansiedeln und insgesamt können Streuobstwiesen bis zu 3000 Tierarten beherbergen, von der Ameise bis zur Fledermaus.
Diese biologische Vielfalt, die durch den Doppellebensraum Wiese – Baumhain begründet ist, findet sich in modernen Niederstamm-Obstplantagen nicht mehr. Dort schließen die intensive Düngung mit Pestizid- und Herbizideinsatz wie auch das fehlende Totholz Artenvielfalt aus.

Unter den zahlreichen Tierarten der Lebensgemeinschaft Streuobstwiese sind im Unterschied zu den Pflanzen nicht wenige, die als gefährdete Arten auf den Roten Listen stehen, von den Säugern beispielsweise Gartenschläfer, Siebenschläfer, Haselmaus und verschiedene Fledermausarten, von den Vögeln Steinkauz, Wiedehopf, Gartenrotschwanz, Würger- und Spechtarten, unter letzteren insbesondere Grünspecht, Grauspecht und Wendehals.

Sympathien für den Streuobstbau und Engagement der Bürger
Aufgrund einer verfehlten Agrarpolitik der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), heute Europäische Union (EU), gingen ab 1957 die Streuobstbestände dramatisch zurück. So wurde noch bis 1974 die großflächige Rodung von Obstwiesen staatlich prämiert! Und noch immer fallen Obstbäume dem „Flächenfraß“ zum Opfer. Doch das größte Problem ist inzwischen die mangelnde betriebswirtschaftliche Rentabilität der Streuobstwiesen und die hohen Ansprüche der Industriegesellschaft an die Obstqualität. So sind die Verkaufspreise von Mostobst niedrig und die Bewirtschaftung relativ zeitaufwändig bei einer schlechten Vermarktungschance. Unregelmäßige Erträge, die für den Streuobstbau typisch sind, passen eben nicht mehr in unser technisiertes Wirtschaften.
Deshalb wird die Baumpflege reduziert, oder die Flächen werden gerodet und zu Bauland, Ackerland oder Intensivgrünland umfunktioniert. Auch die Umwandlung in Freizeitgärten oder die Flurbereinigung haben große Lücken in die Streuobstbestände geschlagen.

Hoffnung gibt jedoch eine ganze Reihe von Initiativen. Wegen des öffentlichen Interesses am Streuobstbau wurden bereits seit den 1980er Jahren von Bund, Ländern, Kreisen und Gemeinden Fördermaßnahmen eingeleitet. Außerdem entwickelten Obst- und Gartenbauvereine, Naturschutzvereinigungen sowie spezielle Bürgerinitiativen vielfältige Aktivitäten.
 

Verbraucher sollen für die
Bedeutung von Streuobst-
wiesen sensibilisiert werden,
zum Beispiel auch in Form der
Werbung für den Konsum von
Verwertungsprodukten
(Aufkleber des NABU).
 

Selbst in jüngster Zeit wirbt der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Rudolf Köberle persönlich für Produkte aus Streuobst. Die Mitarbeiter seines Ministeriums initiierten eine breit angelegte Sympathiekampagne für Produkte aus dem Streuobstanbau und das Land fördert die Streuobstwiesen jährlich mit 10 Millionen Euro. Auch beinhaltet das Programm zur Rettung von Streuobstwiesen Strategien zur Verwertung des Grasaufwuchses, ebenso wie Baumschneide- und Pflegekurse, Pflanzaktionen und bis hin zur Förderung von Lohnmostereien und Kleinbrennereien. Ebenso legen sich Natur- und Landschaftsschützer, Pro Regio und selbst politische Parteien wie die ödp dafür ins Zeug, dass die Streuobstwiesen nicht weiter schrumpfen und rufen dazu auf, Streuobstgärten wieder zu pflegen, um damit einen wichtigen Beitrag zur Kulturlandschaft zu leisten.
Das Jahr 2010 ist das weltweit beachtete Jahr der biologischen Vielfalt. Der Ortsverband Altshausen der ödp nimmt dies zum Anlass, auch dem Streuobstgarten in Oberschwaben zu neuem Ansehen zu verhelfen.
 



Herbstzeit ist Äpfel- und Birnenzeit – Ein saftiges Vergnügen mit Biss
 

Fairen Preis für das Streuobst
So sehr diese vielfältigen Streuobst-Kampagnen zu begrüßen sind, doch Sympathiekundgebungen alleine reichen nicht aus. Der Streuobstbewirtschafter muss vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen ein Interesse daran besitzen, sich zu bücken und die Früchte aufzuheben, die Wiesen zu mähen und die Obstbäume wieder zu pflegen. Deshalb ist zuallererst der Verbraucher gefordert, nicht nur für Kaffee, Bananen oder Blumen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika faire Preise zu zahlen, sondern auch für die Produkte unserer heimischen Streuobstbauern. So bedeutet zum Beispiel bei Apfelsaft eine Steigerung um 12 Cent pro Liter eine Erhöhung der Erzeugerpreise um acht bis neun Euro je Doppelzentner. Das schafft für die deutschen Streuobstbauern eine wirtschaftliche Existenzgrundlage und damit werden quasi „automatisch“ die aus Naturschutzsicht wertvollen Kulturbiotope erhalten, ohne dabei den Naturschutzetat und letztendlich den Geldbeutel des Steuerzahlers zu belasten. Denn vom Staat gekaufte „Pflegefälle“ an Streuobstwiesen sind auf Dauer nicht finanzierbar!
 



Streuobstbauern, welche umwelt- und verbraucherfreundlich wirtschaften und die Anwendung synthetischer Behandlungsmittel wie Pestizide und Dünger ausschließen, haben einen Anspruch auf höhere Erzeugerpreise.

 

Weitere Chancen für diese Bindeglieder von Natur und Kultur gibt es auch dort, wo Grundstücksbesitzer, die längst keine Landwirte mehr sind, als Feierabend- oder Wochenendbeschäftigung die Baumwiesen traditionell bewirtschaften. So können auch ihre Kinder den besonderen Reiz einer Streuobstwiese erleben und die gewachsene Kulturlandschaft für die kommenden Generationen bewahren.

 

 

Biotopverbund - ein modernes ökologisches Schlagwort oder ein Erfolgskonzept für den Naturschutz?

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen


Ein relativ neues ökologisches Schlagwort macht auch in der Politik Furore: Biotopverbund. Der Verbund von Biotopen ist bislang zu wenig beachtet worden. Ein fataler Fehler des Naturschutzes war und ist, dass er sich nahezu ausschließlich auf die Ausweisung von Naturschutzgebieten beschränkt hat unter Vernachlässigung der Restflächen. Und das sind mehr als 96 % des Areals der Bundesrepublik Deutschland. Der entscheidende Schlüssel, dem Naturschutz endlich flächendeckend zu wirklichen Erfolgen zu verhelfen, wird im Biotopverbund gesehen. Dazu ist  ein gründliches und schnelles Umdenken vor allem in der Politik notwendig, um einen Durchbruch zu bewirken. 


Ein kurzer Blick um 400 Jahre zurück
Dass sich weite Landschaften in Mitteleuropa in den vergangenen Jahrzehnten zu ihrem Nachteil verändert haben, ist Realität. Gehen wir auf der Zeitachse um einige Jahrhunderte zurück, so entstand in der Agrarlandschaft ein langsam wachsendes, kleinräumiges und abwechslungsreiches Mosaik von Dörfern, Weilern und Einzelgehöften, Wegen und Triften, von Gärten und Obstwiesen, Hecken, Gehölzen und Einzelbäumen, Heiden- und Trockenrasen, Hoch- und Niederwäldern. Seen und Weiher, aber auch Kleingewässer, Teiche und Mühlenweiher bildeten Oasen in einer Kultur- und Naturlandschaft. 500 bis 700 Pflanzenarten fanden hier Lebensraum, doppelt so viele wie in der ursprünglichen Naturlandschaft. Und die Vielfalt der Tierarten steigerte sich noch deutlich stärker. Rund 400 Jahre lang war dieses Bild einer bäuerlichen Kulturlandschaft mit ihren reichhaltigen „Naturzellen“ der Normalzustand - vom 16ten bis zur Mitte des 20sten Jahrhunderts.
Doch dann kam der revolutionäre Umbruch in der Landwirtschaft. Fast auf das Jahr genau. Seit 1950 vollzog sich ein Umbruch in der Landwirtschaft unter massivem Einsatz aller technischen und chemischen Möglichkeiten. Einem starken wirtschaftlichen Druck ausgesetzt, expandierten die mittleren und großen Betriebe auf Kosten der kleinbäuerlichen Landwirtschaft immer stärker. Mit stetig wachsender Betriebsgröße und enorm steigendem Maschinen-, Dünger- und Pestizideinsatz reduzierten sich die Zahlen der verbleibenden Betriebe und der in der Landwirtschaft Erwerbstätigen innerhalb eines Jahrzehnts um rund 60 Prozent!

Zu allem Übel kam eine erschreckende Agrarpolitik-Lawine der damaligen  Europäischen Gemeinschaft (EG) hinzu, welche die Bauern regelrecht überrollte und sie in eine „moderne“ Massenproduktion drängte, völlig naturwidrig, weil einseitig und  mit fatalen Folgen. Mitmachen oder untergehen, viel und kostengünstig zu produzieren, das blieb den meisten Bauern nur noch als Überlebenschance. Der Bauernstand in seiner existenziellen Beziehung zum Boden wurde entwurzelt, der Boden, die Landschaft weitgehend zerstört. Massenhafte Monokulturen ohne Kultur entstanden. Massentierhaltungen mit massiven Umweltbelastungen wurden gegründet. Massenhafte Getreide- und Butterberge türmten sich auf. Massenhafter Einsatz von Düngemitteln und Pflanzen“behandlungs“mitteln wurden zur Norm. Massenhafter Verlust von fruchtbarem Humus stellte sich ein, vom Winde verweht.
Dann vom Wasser sauber gewaschener Boden .... Wer trägt die Schuld an dem bis zum heutigen Tage nicht gelösten Nitrat-Problem? Weiter: das Rückstandsproblem von Pflanzenschutzmitteln im Trinkwasser und in Lebensmitteln? 
Es ist wie ein Hohn der Natur, wenn mancherorts die Bauern das Wasser aus ihren eigenen Brunnen nicht mehr trinken können.

Ziehen wir Bilanz: Gerade mal 20 bis 30 Jahre (1950 – 1980) haben ausgereicht, um aus einer über Jahrhunderte währenden, intakten bäuerlichen Kulturlandschaft, mit ihrer Kleinräumigkeit und  ihrem anheimelnden Charme, eine ausgeräumte, erodierte und schwer mit Chemie belastete Agrarlandschaft zu schaffen. Der Kampf um den Erhalt einer bäuerlichen Kulturlandschaft ging verloren. Das alles nivellierende Agro-Industriesystem hat gesiegt, weil politisch gewollt, finanziell subventioniert und mental gefördert. Atemberaubende Zunahmen der Hektarerträge in der Agrarwirtschaft sowie der Viehhaltung sind die Erfolge, jedoch beide mit enormen Umweltbelastungen erkauft. Manche agrare Landschaften sind inzwischen zu einem größeren ökologischen Problemgebiet geworden als es der benachbarte städtisch-industrielle Bereich ist.

Aus dieser Entwicklung resultiert die jetzt akute Notwendigkeit, einen umfassenden Naturschutz zu betreiben, der die weitestmögliche Erhaltung von Arten, Lebensgemeinschaften und Biotopen gewährleistet.

Kein gutes Zeugnis für den Naturschutz
Die bisherigen Bilanzen stellen dem Naturschutz leider ein schlechtes Zeugnis aus: Die „Roten Listen“ der gefährdeten Tier- und Pflanzenarten wachsen, Tag für Tag verschwinden weitere natürliche und naturnahe Lebensräume von der Erdoberfläche. Und dies trotz steigender Bemühungen des Naturschutzes durch vielfältige Arten- und Biotopschutzprogramme sowie durch die im Bundesnaturschutzgesetz vorgeschriebene Beteiligung der Verbände an Planungen von umweltrelevanter Bedeutung.  Selbst auch die so häufig propagierte „ökologische Planung“, gemeint ist damit die Landschafts- und Naturschutzplanung, welche theoretisch geeignete Gegenmaßnahmen entwickeln und forcieren müssten, lassen teilweise die nötige Sachkunde und Konsequenz vermissen (Jedicke 1994).
Ein fataler Fehler war und ist, dass sich der Naturschutz nahezu ausschließlich auf die Ausweisung von Naturschutzgebieten beschränkt hat unter Vernachlässigung der Restflächen. Das sind immerhin mehr als 96 % des Areals der Bundesrepublik Deutschland. Und genau da muss der Hebel angesetzt werden, weil hier eine massive, flächenhafte Lebensraumzerstörung stattfand mit der Konsequenz eines stetigen Artenrückganges und einer Unterwerfung der Natur durch den Menschen. Ziehen wir eine Folgerung aus dieser Feststellung, dass Lebensraumzerstörung im weiteren Sinne eine entscheidende Bedeutung für den Artenrückgang hat, so kann diese nur lauten:
Ein wirksamer Artenschutz kann nur über den Schutz des Lebensraumes erfolgen. Artenschutz muss umfassender Biotopschutz sein.

Ein weiterer Fehler des Naturschutzes war es, beim Biotopschutz in eng begrenzten räumlichen Kategorien zu denken. Um die Natur in einem „romantischen“ Wunschzustand festzuhalten, wurde mit teils hohem Pflegeaufwand und entsprechenden Kosten permanent gegen die natürliche Sukzession gearbeitet. Stattdessen muss der Naturschutz, vorzugsweise auf großen Flächen mit Totalschutz, die natürliche Entwicklung zulassen. Biotoppflege, wo sie als nötig erachtet wird, sollte in erster Linie eine ökologisch, aber auch gleichzeitig eine ökonomisch gewinnbringende Landnutzung sein (Jedicke 1994). Denn vom Staat gekaufte „Pflegefälle“ sind auf Dauer nicht finanzierbar!
Globale Umweltveränderungen zwingen uns heute, unser Naturschutz-Verständnis zu überdenken. Das heißt, der Naturschutz muss auf zwei zentralen Standbeinen fußen: Zum einen dem Arten- und Biotopschutz, zum anderen dem Schutz der drei Umweltmedien Boden, Wasser und Luft. Deren Nutzung durch den Menschen muss nachhaltig betrieben werden, damit die langfristige Erhaltung und Nutzbarkeit dieser Ressourcen gewahrt bleiben (siehe Jedicke).

Landwirtschaft und Naturschutz unter einen Hut bringen
Die landläufige Vorstellung, dass Artenschutz durch Sicherstellung von Flächen und Schutz vor jeder menschlichen Nutzung oder Beeinflussung am besten zu verwirklichen sei, übersieht die Tatsache, dass der überwiegende Teil unserer Ökosysteme letztlich anthropogenen Ursprungs ist. Der Mensch, und allen  voran der Bauer, spielt hier die Rolle eines Ökosystemgliedes. Würde man ihn herausnehmen, bräche das bisherige Gefüge zusammen und es würde in den meisten Fällen bei Landökosystemen die durch das mitteleuropäische Klima vorgegebene Sukzession zu einem Waldökosystem einsetzen. Dieses aber hätte einen völlig anderen Artenbestand als die früheren anthropogenen Ökosysteme im Bereich der künstlich durch die Landwirtschaft offengehaltenen Landschaft. Artenschutz muss also in vielen Fällen durch Aufrechterhaltung bestimmter Wirtschaftsformen, das heißt unter Beibehaltung bestimmter menschlicher Eingriffe, betrieben werden.
Für eine Realisierung bedeutet das: Die Kreisläufe der Landnutzung müssen wie in der eingangs beschriebenen, historischen Kulturlandschaft geschlossen werden. Die Landwirte müssen vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen ein Interesse daran besitzen, Streuwiesen zu mähen, Magerrasen mit Schafen zu beweiden, Obstbau in Form des Streuobstbaus anzulegen und zu nutzen, Hecken zu dulden und zu pflegen, den Riegel und Rain nicht als Hindernis zu sehen. Genauso sind die Verbraucher gefordert, Schaf- und Rindfleisch von heimischen Weiden und Apfelsaft von lokalen Obstwiesen zu konsumieren (Jedicke 1994).
 
Die damit verbundenen Prozesse in der bäuerlichen Kulturlandschaft erzeugen damit quasi automatisch die aus Naturschutzsicht wertvollen Kulturbiotope – ohne den Naturschutzetat und damit den Geldbeutel des Steuerzahlers zu belasten. Das heißt, dass eine extensive und vielfältige Flächennutzung in Land- und Forstwirtschaft grundsätzlich wünschenswert ist. Die Vielfalt in unserer Kulturlandschaft kann nur dann erhalten und wieder hergestellt werden, wenn die heute zu Agrarproduzenten degradierten Landwirte wieder zu Bauern werden können. Und dafür gibt es nur einen realistischen Weg, nämlich die Landnutzung und den Naturschutz unter einen Hut zu bringen.

Zerschneidung, Biotopverlust und Strukturverarmung
Die Zerstörung ihrer Lebensräume gilt für die meisten gefährdeten und ausgestorbenen bzw. verschollenen Tier- und Pflanzenarten als die Hauptursache ihrer Bestandsrückgänge. An der Spitze stehen Nutzungsänderungen, Nutzungsaufgabe und die Beseitigung von Sonderstandorten.
Die Liste der Verursacher führt die Landwirtschaft an. Mit der Zerstörung von Sonderstandorten bzw. –biotopen sowie einer landesweiten Entwässerung der Fluren verschwanden weithin die Unterschiede in den Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß wurden die Verluste bei den Feuchtgebieten. Die Nutzungsintensivierung unter massivem Dünger- und Herbizideinsatz führt vor allem in der Agrarlandschaft zu einer weiteren Nivellierung der Standort- und Lebensbedingungen.

Quadratkilometer große und bis auf den letzten Rest ausgeräumte Ackerflächen mit ihren Monokulturen verändern das Landschaftsbild in einer radikalen Weise. Nur noch ganz wenige Pflanzen- und Tierarten können hier überleben. Es klingt wie ein Hohn, hier noch von Arten-, Biotop- und Ressourcenschutz zu sprechen.

Parallel zu den modernen Methoden der Landwirtschaft kommt noch der zunehmende Nutzungsdruck auf die Landschaft durch den Straßen- und Siedlungsbau, welcher ebenso zu einem Verlust wertvoller Biotope führt. Diese verlieren nicht nur insgesamt an Fläche, sondern werden in isolierte Einzelteile zerlegt, die aufgrund ihrer geringen Größe verstärkt „Randeffekten“, das heißt störenden Einflüssen aus der Umgebung ausgesetzt sind. Die verbleibenden Biotopinseln sind für viele Arten zu klein und ihre Isolation erschwert den Austausch von Individuen zwischen den Gebieten. Dies führt zu einer genetischen Verarmung der Populationen und gefährdet ihr dauerhaftes Überleben.
Darüber hinaus gehen durch die Zerlegung der Biotope in isolierte Einzelteile und eine durch Nutzungsintensivierung zunehmend lebensfeindliche Umgebung auch die gesamtlandschaftlichen ökologischen Zusammenhänge verloren (siehe als Beispiel das Bild der ausgeräumten Agrarlandschaft).
Zur Arterhaltung sind Pflanzen- und Tierpopulationen darauf angewiesen, dass sie in einem Austausch mit benachbarten Vorkommen stehen, das heißt, dass einzelne Individuen, oder bei Pflanzen einzelne Samen, von einer Inselfläche zur anderen gelangen können. Um dies zu ermöglichen, müssen deshalb auch außerhalb von Schutzgebieten in der überwiegend land- und forstwirtschaftlich genutzten Landschaft geeignete Lebensbedingungen geschaffen werden. Denn nur durch die Bereitstellung eines qualitativ und quantitativ ausreichenden Lebensraumes können Artvorkommen mittel- bis längerfristig erhalten werden. Artenerhalt ist somit nur möglich durch großflächigen Biotopschutz und durch umfassenden Schutz der Umweltmedien Boden, Wasser und Luft auf der Gesamtfläche. Das Konzept zum Biotopverbund als flächendeckenden Naturschutz war hiermit  gegründet (siehe Jedicke).

Biotopverbund-Modell vergleichbar mit menschlichem Blutgefäßsystem
Die Naturschutzstrategie des Biotopverbunds nach Jedicke will der Verinselung durch Kombination von vier Maßnahmen entgegenwirken, indem die Isolation der Arten gemindert und dadurch der Individuenaustausch zwischen den naturnahen Inselflächen erleichtert wird:

  • Großflächige Schutzgebiete sollen ausreichend großen und damit stabilen Populationen das dauerhafte Überleben ermöglichen (Vorrangflächen des Naturschutzes).
  • Kleinere Trittsteinbiotope dienen dem vorübergehenden Aufenthalt und der vereinzelten Vermehrung, um die auf einmal zu überwindende Distanz von einer Schutzfläche zur nächsten zu verringern.
  • Lineare Korridorbiotope, auch Linienbiotope genannt, vernetzen die großen Schutzgebiete und Trittsteine miteinander.
  • Die dazwischen liegenden Nutzflächen sollen in ihrer Bewirtschaftungsintensität langfristig vermindert werden (flächendeckende Nutzungsextensivierung).

Vorrangig sollen auf diese Weise gleichartige Lebensräume verbunden werden. Feuchtgebiete und Auenwälder beispielsweise müssen über Gehölz- und Röhrichtgürtel entlang von Fließgewässern miteinander vernetzt werden, Magerrasen durch ausreichend breite Weg- und Heckenraine, Hecken mit Feldgehölzen und Waldrändern (vgl. Jedicke et al. 1996). Das Instrument einer ökologisch orientierten Flurbereinigung kann hier als Segen wirken, indem sie die planerische Umsetzung all solcher Maßnahmen wesentlich erleichtern kann.  Die Funktionsweise des Verbundmodells verglich die Landesanstalt für Ökologie Nordrhein-Westfalen mit dem menschlichen Blutgefäßsystem: Funktionieren wird es nur, wenn der Körper – und entsprechend die gesamte Landschaft – intakt ist und nicht überstrapaziert wird. 

Gewässerrandstreifen als Beispiel für ein  Korridorbiotop
Korridorbiotope mit linearer Erstreckung (= Linienbiotope) tragen besonders in einer stark ausgeräumten Landschaft mit geringem oder fehlendem Wald- und Grünlandanteil zur Mannigfaltigkeit und Vernetzung der inselartigen Biotope bei. Zu den Linienbiotopen zählen Ackerrandstreifen, Raine, Lesesteinwälle, Böschungen, Wege und Straßenränder, Hecken, Alleen und vor allem Fließgewässer.
Die Fließgewässer haben in unserer Landschaft eine Vielzahl von Funktionen zu erfüllen. Zu nennen sind insbesondere die Aufgaben aus Sicht der Wasserwirtschaft, dann die ökologischen Funktionen und die Biotopvernetzung. Bei einer Bewertung der Gewässer aus ökomorphologischer Sicht wird deutlich, dass eine Vielzahl der Gewässer im ländlichen Raum die Funktionen einer Biotopvernetzung nur ungenügend erfüllen. Ursache hierfür sind die im Zuge der Flurneugestaltung ab Anfang der 1960er Jahre durchgeführten Maßnahmen der Flur- und Hydromelioration, die eine Intensivierung der Landwirtschaft zum Ziel hatten. Um mehr Fläche zu gewinnen und eine rationelle maschinelle Bewirtschaftung zu ermöglichen, sind zahlreiche Uferrandstreifen, Auen und weitere  Feuchtbiotope geopfert worden.
Deshalb kommt den Gewässerrandstreifen, vielfach auch Uferrandstreifen genannt, innerhalb einer intensiv genutzten Landschaft eine zentrale Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Gewässerfunktionen zu. Die Wiedereinrichtung bzw. die Entwicklung und Pflege bestehender Gewässerrandstreifen muss zu den Hauptschwerpunkten eines aktiven Gewässerschutzes gehören. Denn Gewässerrandstreifen sind generell eine sinnvolle und wirksame Maßnahme zum Schutz der Oberflächengewässer. Sie übernehmen eine Pufferfunktion und verhindern bzw. verringern so den Eintrag von unerwünschten Stoffen in das Gewässer. Uferrandstreifen schützen vor Gewässerschäden wie durch Viehtritt und Erosion, sie erhöhen die Selbstreinigungskraft des Gewässers und bereichern die Landschaft.
Jeder Meter eines nicht bewirtschafteten Uferrandstreifens stellt einen ökologischen Gewinn für das Gewässer und die umgebende Landschaft dar. Ungenutzte Randstreifen übernehmen eine echte Lebensraumfunktion für viele Tier- und Pflanzenarten. Sie erfüllen damit auch für die am Boden lebenden Tiere wie zum Beispiel Spinnen, Heuschrecken, Mäuse, Kröten, Frösche, Molche, Mauswiesel, Hermelin, Iltis und Dachs eine bedeutende Biotopvernetzungsfunktion.
Darüber hinaus leisten standorttypische Gehölze (Bäume und Sträucher) einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Biotopvielfalt an Fließgewässern. Sie beeinflussen unter anderem das Mikroklima und sind selbst Lebensraum für unzählige Insekten, Spinnen und Vögel. Außerdem bilden die ins Wasser hineinwachsenden Wurzeln von Bäumen und Uferpflanzen an den Gewässerrändern interessante Lebensräume für Fische und Kleintiere der Bachsohle.     
Das Fazit ist: Fließgewässer mit ihren Uferrandstreifen sind herausragende Elemente des Biotopverbundes und für dessen Entwicklung in besonderem Maße bedeutsam.

Bäche und andere Fließgewässer sind die Lebensadern in unserer Landschaft. Allerdings sind die Gewässer faunistisch sehr viel weniger wertvoll, wenn die angrenzenden Flächen intensiv landwirtschaftlich genutzt werden und zugleich auf Gewässerrandstreifen verzichtet wird.

Dank
Herrn Prof. Dr. Eckhard Jedicke und seinen Mitstreitern sei an dieser Stelle für ihren unermüdlichen, mittlerweile zwei Jahrzehnte dauernden Einsatz gedankt, einmal für die wissenschaftliche Begründung des Konzeptes zum Biotopverbund, zum anderen für die praktische Erarbeitung von Grundlagen und Maßnahmen zur Realisierung von Biotopverbundsystemen.

Literatur
- Jedicke, E. (1994): Biotopverbund – Grundlagen und Maßnahmen einer neuen Naturschutzstrategie. Verlag Eugen Ulmer,
  Stuttgart.
- Jedicke, E. (1994): Biotopschutz in der Gemeinde. Neumann Verlag, Radebeul.
- Jedicke, E., Frey, W., Hundsdorfer, M., Steinbach, E. (1996): Praktische Landschaftspflege. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.

 

 

Gewässerrandstreifen prägen und schützen unsere Fließgewässer

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Deutschland besitzt ein Netz von mehr als 1 Million Kilometern kleiner Fließgewässer. Es sind Gräben, Bäche und kleine Flüsse, welche für Umwelt- und Lebensqualität stehen. Sie sind die Kinderstube unserer Fische, prägen die Landschaft und das Ortsbild. Sie vernetzen Lebensräume, sind Schlüssel für Artenreichtum und bieten Freizeit und Erholung vor unserer Haustüre.

Degradierte Lebensadern
Insgesamt sieht es aber nicht gut aus mit unseren Flüssen, Bächen und Wiesengräben. Durch Ausbau, Begradigung, Verrohrung, Ausleitung, Querverbauung, Ausräumung und vielfältigen anthropogenen Belastungen sind sie ihrer landschaftstypischen Wesensmerkmale und ihrer Funktion als Lebensadern der Landschaft beraubt. Sie sind vielfach degradiert zu Wasserabzugsrinnen.

 

 

Kein Baum, kein Strauch wächst entlang dem Wiesenbach. Die Bachsohle ist mit Betonschalen ausgekleidet. Ein Beispiel für die Ausräumung der Landschaft und das ist kein Einzelfall.

Eine natürliche Dynamik, das Entstehen und Vergehen von Lebensräumen, ist praktisch nicht mehr vorhanden. Ansätze von Dynamik, etwa in Form von Uferanrissen nach einem Hochwasser, werden als Schaden angesehen und durch massive Verbauungen sofort wieder beseitigt. Neben der Stabilisierung der Ufer fand auch häufig eine Pflasterung der Ufersohle statt. Derartige Verbauungen führten zu einer Erhöhung des Gefälles, beschleunigtem Abfluss und verstärktem Geschiebetransport.
Die Quervernetzung zwischen Haupt- und Nebengewässer (laterale Vernetzung) wurde vornehmlich durch Hochwasserschutzdeiche, Rückhaltedämme und Absenkung des Grundwasserspiegels eingeschränkt. Weiterhin verfüllte man häufig die Nebengewässer und Altarme, die Auewälder wurden gerodet und trockengelegt. Durch diesen Flächengewinn konnte vermehrt Landwirtschaft betrieben werden, neue Siedlungen und Industriegebiete entstanden.
Dadurch sind viele natürliche Funktionen der Gewässer verloren gegangen. Die immer deutlicher vorgetragenen, besorgten Äußerungen der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), ebenso auch von anderen Naturfreunden und Ökologen, bewirkten, dass die Notwendigkeit eines umfassenden Schutzes unserer Gewässer bei Politikern und Behörden sowie in der Wissenschaft allmählich Gehör gefunden haben.

Gewässer brauchen Schutz, Pflege und Raum
Zaghaft beginnt nun im Wasserbau, in der Flurbereinigung, im Küstenschutz und in all den anderen Eingriffsdisziplinen ein Umdenkungsprozess: Naturschutzfreundlichere Passagen in Gesetzen, Verordnungen, Erlassen und Verfügungen ermöglichen oder verlangen jetzt ein stärker an ökologischen Gegebenheiten orientiertes Planen und Handeln. Der Wandel im Umgang mit Gewässern setzte sich allerdings nur ganz allmählich durch, erfährt jedoch durch die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in den letzten Jahren einen merklichen Auftrieb. Das zentrale Ziel der WRRL besteht im Erreichen des guten Zustandes aller Gewässer innerhalb der Europäischen Union. Bei Fließgewässern werden der gute chemische und der gute ökologische Zustand angestrebt. Der Begriff des guten Zustands definiert sich im Wesentlichen über biologische, strukturelle, physikalische und chemische Merkmale und bedeutet, dass das Gewässer nur wenig vom natürlichen Zustand abweicht und alle EU-Normen zur Wasserqualität erfüllt. Dieser ganzheitliche Ansatz
zur Gewässerqualität berücksichtigt damit neben der Qualität und Menge des Wassers insbesondere die Gewässerstruktur, unter welcher man alle räumlichen und materiellen Differenzierungen des Gewässerbettes und seines Umfeldes versteht, so auch die Gewässerrandstreifen. Um diese Ziele zu erreichen, verpflichtet die Richtlinie alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ihre natürlichen Gewässer zu erhalten, zu pflegen und ihnen Raum für ihre natürliche Entwicklung zu geben.

 



Ein naturnaher Wiesenbach mit einem variablen Profil. Ein schmaler Gehölzstreifen begleitet das Gewässer und sichert das Ufer. Die Wurzeln der Uferbäume verbessern den Lebensraum für Fische.

 

Belastete Gewässer-Gebiete sind zu sanieren und alle Maßnahmen sollen bis zum Jahre 2015 abgeschlossen sein. Trotz den inzwischen angelaufenen, umfangreichen Bemühungen der Länder, Kommunen und anderer Unterhaltspflichtiger zur Revitalisierung unserer Fließgewässer ist der Handlungsbedarf jedoch nach wie vor groß. Insbesondere besteht bei den Lebensraumverbesserungen noch ein erhebliches Verbesserungspotenzial.

 

Kein Platz für die Natur
Im Zuge der Flurneugestaltung wurden ab Anfang der 1950er Jahre Maßnahmen der Flur- und Hydromelioration durchgeführt mit dem Ziel, die Landwirtschaft umfassend zu intensivieren. Ein bislang naturverbundenes Leben und Schaffen wurde abgelöst durch technisches, rationales Denken und Handeln. Die Unterwerfung der Natur durch den Menschen griff Platz, verstanden als Unterwerfung unter die Rationalität. Ziel war die Steigerung des Nutzens, der Produktivität. So wurden Ried und Moor zu Acker und Wiese, das Grasland zum Grünland, der Wald zum Forst, die Hecke, der Riegel und Rain zum Hindernis. Bach und Fluss wurden gezähmt, begradigt und durch Dämme eingeschnürt, um Land zu gewinnen und um vor den Launen der Natur sicher zu sein.
Schließlich musste auch der Bauer in den Strudel dieser gesellschaftlichen Entwicklung einbezogen werden. Er wurde erzogen zum rational, auf wissenschaftlicher Basis wirtschaftenden Landwirt und durch Intensivierung der Landnutzung dazu gebracht, auch den letzten Quadratmeter seiner Feldflur nutzen zu müssen, indem er Bäume, Sträucher, Terrassen, Gewässerbiotope und Uferrandstreifen beseitigte, Auewälder rodete und trockenlegte, und ahnte dabei nicht, dass er damit Hand anlegte an die Wurzeln einer bislang gesunden Kulturlandschaft.
Erst angesichts der zunehmenden Monotonie unserer agrartechnischen Kulturlandschaften, oft als „Kultursteppen" glossiert, wird jetzt vielen bewusst, welche gravierenden Lebensraumzerstörungen in der Vergangenheit verursacht wurden. An einem begradigten und ausgebauten Fließgewässer, wo Auwälder und Uferrandstreifen fehlen, herrscht eben Monotonie. Und hier gibt es kaum Lebensräume für Fische, andere Tiere und Pflanzen.
Ein Fließgewässerökosystem ist erst dann funktionsfähig, wenn es den in ihm natürlicherweise vorkommenden Arten in allen Lebensphasen eine ausreichende Lebensgrundlage bietet. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn im Gewässersystem alle zum (Über-)Leben notwendigen Funktionsräume in einer dem natürlichen Zustand entsprechenden Häufigkeit und Ausprägung vorkommen und großräumig miteinander vernetzt sind.
So versteht sich dieser Beitrag als ein Appell an ein neues Grundverständnis für den Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen. Konkret heißt dies, dass alles getan werden muss, damit möglichst alle Fließgewässer und Auen wieder eine naturnahe Struktur erhalten. Hierbei bedarf es der Unterstützung aller Beteiligten.

 

Was bewirken die Gewässerrandstreifen?
Wissenschaft, Verwaltung und Politik haben mittlerweile die große Bedeutung von Gewässerrandstreifen für die naturnahe Entwicklung von Gewässern erkannt. Gewässerrandstreifen sind gewässerbegleitende Landflächen zum Schutz und zur Entwicklung der Gewässer. Vor allem innerhalb der intensiv genutzten Kulturlandschaften kommt den Gewässerrandstreifen eine zentrale Bedeutung für die Aufrechterhaltung und Verbesserung der ökologischen Funktionen der Gewässer zu. Die Wiedereinrichtung beziehungsweise die Entwicklung und Pflege bestehender Gewässerrandstreifen gehören daher zu den Hauptschwerpunkten eines aktiven Gewässerschutzes, weil das Ökosystem Gewässer durch die ufernahen Bereiche maßgeblich geprägt wird. Deshalb müssen Gewässerrandstreifen in Abstimmung mit Nutzungs- und Eigentumsrechten künftig als Voraussetzung für die naturnahe Entwicklung der Gewässer gesichert und vor allem auch durchgesetzt werden und zwar mit folgenden Zielen:

 
  • um eine naturnahe Eigenentwicklung des Gewässers als Bestandteil des Naturhaushaltes und Lebensraumes von Tieren und Pflanzen zu ermöglichen,
  • die Gewässerökologie im aquatischen und amphibischen Bereich zu verbessern,
  • das Gewässerumfeld aufzuwerten, insbesondere durch naturnahe Gehölzsäume,
  • Wiesen, Röhricht- und Hochstaudenfluren zu fördern,
  • die Gewässers vor Eintrag von wassergefährdenden Stoffen (z.B. Pflanzenschutz- und Düngemittel) durch die Abstands-, Retentions- und Pufferwirkung des Gewässerrandstreifens,
  • die Gewässer vor dem Eintrag von erodierten Bestandteilen (z.B. Bodenmaterial) wie auch wassergefährdenden Stoffen (Pflanzenschutz- und Düngemittel u.a.) zu schützen.
  • Beitrag zum Integrierten Pflanzenschutz leisten,
  • dezentralen Hochwasserschutz ermöglichen,
  • Aufwand für die Gewässerunterhaltung wesentlich reduzieren.

Die Umsetzung der vorstehenden Ziele lässt noch viele Wünsche offen. Die Praxis der Nutzung von Ufergrundstücken zeigt, dass der vom Gesetzgeber in einer ganzen Reihe von Rechtsvorschriften bereits verankerte Schutz von Gewässer und Ufer, einschließlich der auf diese Lebensräume angewiesenen Tiere und Pflanzen, bisher noch nicht hinreichend durchsetzbar ist.

 

Weshalb Gewässerrandstreifen für den Naturschutz besonders wertvoll sind
In der modernen Kulturlandschaft stoßen verschiedenartige Ökosysteme mit harten Grenzen aneinander: Gebäude, Verkehrsflächen und Einfriedungen werden zunehmend direkt am Gewässer errichtet, teilweise werden die Gewässer durch Uferbefestigungen eingeengt. Entlang von Sportstätten, Kleingärten und Kleintierzuchtanlagen werden Gewässer immer noch durch Auffüllungen, Ablagerungen, unerlaubte Wasserentnahmen und Einleitungen sowie durch die Beseitigung der Ufergehölze beeinträchtigt.
Außerhalb des Siedlungsbereichs werden auch ufernahe Flächen oft intensiv landwirtschaftlich genutzt. Insbesondere an naturfern begradigten und ausgebauten Gewässern reicht derzeit die ackerbauliche Nutzung oft bis an die Böschungsoberkante. Auch intensive Grünland- und Weidenutzung ist immer wieder mit Stoffeintrag und einer Beeinträchtigung des Gehölzsaumes verbunden. Ebenso behindert die Entwässerung noch vorhandener Feuchtflächen eine naturnahe Entwicklung.
Entsprechend abrupt gestaltet sich auch der Wandel der jeweils typischen, sehr verschiedenartigen Biozönosen (Lebensgemeinschaften). Von Natur aus hingegen geht ein Wechsel von einem zum anderen Ökosystemtyp kontinuierlich vor sich, einem sich langsam ändernden Standortgradienten entsprechend. Damit erfolgt in diesen Saumbiotopen eine Abpufferung der unterschiedlichen Wirkungen und Faktoren. Eine solche Übergangszone bezeichnet man als Ökoton, einen Grenzbereich, der sich im Vergleich mit den angrenzenden „reinen" Ökosystemen als Folge der gegenseitigen Überschneidung durch ein vielfach höheres Angebot an Lebenserfordernissen wie Nahrung, Deckung und Mikroklima auszeichnet. Dieser so genannte Rand- oder Grenzlinieneffekt äußert sich durch einen in aller Regel deutlich größeren Artenreichtum und eine erhöhte Artendichte, der sich aus Bewohnern der beiden aneinanderstoßenden Ökosysteme sowie aus den spezialisierten Saumarten rekrutiert.
Für den Naturschutz besitzen deshalb Ökotone aufgrund ihrer hohen Artenzahl und der besonderen Zusammensetzung ihrer Biozönose mit den spezialisierten Saumarten einen hohen Wert. Fließgewässer eignen sich auf Grund ihrer linienhaften Struktur und des Netzcharakters in besonderem Maße zur Verbindung einzelner Teillebensräume. Naturnahe Fließgewässer mit Gehölzsaum bieten viele Standorttypen auf engstem Raum und sind damit als verknüpfendes Element in einem Biotopverbundsystem besonders geeignet und entsprechend wertvoll.
Daher muss ein wichtiges Ziel des Biotopverbunds sein, die noch erhaltenen Gewässerrandstreifen in das Konzept einzubinden und vor allem in großem Umfang Raum für die Renaturierung solcher Lebensraumbänder zu schaffen. Entsprechende Gewässerrandstreifen müssen sich generell überall dort entwickeln können, wo vor allem intensive Nutzungen an die Uferzonen von Fließgewässern stoßen.

 

Die Gewässerrandstreifen sind eine sinnvolle und wirksame Methode zum Schutz der Oberflächengewässer. Sie übernehmen eine Pufferfunktion und verhindern bzw. verringern den Eintrag von unerwünschten Stoffen der angrenzenden Ackerflächen in das Fließgewässer.

 

Darüber hinaus muss in Zeiten landwirtschaftlicher Überschüsse durchaus nicht mehr jede Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden. Vielfach lassen sich solche Ökotone (hier: Gewässerrandstreifen) besser für Zwecke des Naturschutzes einsetzen und können damit den Verlust wertvoller Biotope aus früheren Epochen in bescheidenem Umfang ausgleichen helfen.

 

Aktuelle Probleme der Fischerei
Vielfach reicht die landwirtschaftliche Nutzung der Ufergrundstücke an Bächen und Flüssen bis an die Oberkante der Uferböschung. Die ufernahen, intensiv genutzten Flächen liefern dann einen überproportionalen Eintrag von schädlichen Stoffen, insbesondere von Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln und feinen Bodenbestandteilen (Sediment) in die Gewässer. Dadurch werden wertvolle Lebensräume der Flora und vor allem der Aquafauna zum Teil erheblich beeinträchtigt. Und hier gehört der hoch subventionierte und damit intensivierte Maisanbau in Hanglage zu den größeren aktuellen Problemen der Fischerei. Der Maisanbau ist eine Bewirtschaftungsmethode, die noch im Mai und Juni zu einer starken Erosion und zum Eintrag von Bodenmaterial in die Fließgewässer führen kann. Die Gründe hierfür sind:

 
  • eine späte Saat
  • langsames Jugendwachstum
  • weiter Reihenabstand
  • eine erst spät schützende Bodenbedeckung (Schwarzbrache).

Bei Starkregenereignissen fällt ein Großteil des Niederschlages auf eine wenig geschützte Ackeroberfläche. Die abgeschwemmten Bodenpartikel fungieren als Trägersubstanz für anhaftende Nährstoffe (insbesondere Phosphat) und Pflanzenschutzmitteln (Pestizide).
Durchschnittlich werden auf Maisäckern 100 bis 150 kg Nitrat pro Hektar und Jahr ausgewaschen, in Extremfällen bis zu 300 kg. Dies ist einerseits durch die sehr hohen Stickstoffdüngergaben für Maiskulturen begründet, weil die Fruchtart Mais einen besonders hohen Stickstoffbedarf benötigt. Andererseits führt die gute Wasserlöslichkeit und geringe Bodenabsorption des Nitrat-Salzes generell zu Auswaschungen ins Oberflächen-, Grund- und Trinkwasser.

 



Im Vordergrund ein Maisacker Ende Mai mit einer noch nahezu „nackten“ Bodenoberfläche, welche an eine mit Gerste bestockte Fläche angrenzt (Wuchshöhe ca. 60 cm). So gehört der Maisanbau zu den extrem erosionsfördernden Fruchtarten.

 

Nährstoffe, und hier besonders Nitrat und Phosphat, bewirken im Gewässer eine Erhöhung der Produktion von Algen und höheren Wasserpflanzen (Eutrophierung). Neben den Veränderungen der Lebensgemeinschaften, wie dem Verschwinden vieler auf nährstoffarme Gewässer angewiesenen Arten, führen erhöhte Nährstoffeinträge vor allem in langsam fließenden Gewässern zu enormen Güteproblemen. Es bilden sich oftmals breitflächige, dicke gelbgrüne Algendecken. Die absterbenden Algenwatten können im Sommer die Luft regelrecht verpesten und machen ein Stillgewässer letztendlich zu einer übel riechenden Kloake.
Der Pestizideintrag bewirkt oftmals akute oder chronisch toxische Effekte wie dem Absterben der Gewässerfauna und -flora. In intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten wurden in Fließgewässern beträchtliche Konzentrationen an Pflanzenschutzmitteln festgestellt. So können auf geneigten Ackerflächen und Weinbergen durch Bodenerosion teilweise mehr als 100 Tonnen pro Hektar und Jahr, vorwiegend Feinbodenmaterial mit angelagerten Nährstoffen und Pestiziden, in die benachbarten Gewässer oberflächig abfließen. Auch aus geneigten Grünlandflächen gelangen nach vorheriger Ausbringung organischer Dünger (z.B. Gülle) und bei entsprechenden Klimabedingungen beträchtliche Mengen an Nährstoffen mit dem Oberflächenabfluss in die Gewässer.
Bei Ackernutzung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten (Auebereichen) gelangen oft sehr große Mengen an Bodenmaterial mit anhaftenden Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln in die Gewässer. Abträge von über 10 Zentimeter bei einem Hochwasserereignis, entsprechend etwa 1500 Tonnen Bodenmaterial pro Hektar, sind keine Seltenheit.
Die Bodenerosion stellt gebietsweise das größte Problem im intensiven Ackerbau dar, da sie durch den Verlust von Feinbodenmaterial zu einer dauerhaften Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit führt. Allein deshalb schon sollte es im Interesse jedes Landwirts sein, entlang von Gewässern alle möglichen präventiven Vorkehrungen einmal zum Schutz seiner eigenen Ackerflächen zu treffen und ebenso für das Gewässer. Und die Anlage von Uferrandstreifen ist dabei eine der wirksamsten Maßnahmen überhaupt!

 

Die Forelle - ein Schlüsselorganismus für lebendige Gewässer
Eine individuenstarke, aus mehreren Jahrgängen aufgebaute Forellenpopulation zeigt einen ökologisch guten Gewässerzustand an. Zahlreiche Bedingungen müssen erfüllt sein, um diesen Fischen zufriedenstellende Lebensbedingungen zu bieten. Da Forellen stark vom guten Gewässerzustand abhängig sind, werden sie zur Beschreibung von Gewässerqualitätszielen häufig als Indikator genutzt.
In vielen deutschen Fließgewässern und mittlerweile auch in Mitteleuropa ist die Anzahl der dort lebenden Forellen weitaus geringer als dies von Natur aus möglich wäre. Ein wesentlicher Grund für die schwachen Forellenbestände ist das Fehlen geeigneter Kieslaichplätze aufgrund der Veränderung der Sohlenstruktur durch die vorstehend beschriebenen Feststoffeinträge (Bodenmaterial). Kiesstrecken sind für die Forelle wichtig, weil sie für eine erfolgreiche Eiablage kies- und geröllreiche Rauschen im Bach benötigt. In vielen Bachoberläufen sind großflächig kiesige pleistozäne Schmelzwassersande auf Sohlniveau verbreitet, sodass genügend kiesige Anteile zur Ausbildung einer gut strukturierten Sohle bereitstehen. Doch die massiven Feststoffeinträge verändern die Sohlenstruktur signifikant, weil das Bodenmaterial das Interstitial (Gewässergrund-Lückensystem) der Kiesbänke zusedimentiert. Die Mächtigkeit der Sedimente kann selbst in kleineren Fließgewässern mehrere Dezimeter betragen. Und das hat eine verheerende Auswirkung auf die Bachlebensgemeinschaft. Ähnlich wie der durchwurzelte Bodenraum für terrestrische Pflanzen, der bestimmte strukturelle Voraussetzungen für das Gedeihen der Pflanzen erfüllen muss, ist auch das Interstitial als Lebensraumkompartiment für Fische essenziell. Hier müssen die Forellen nicht nur ihre Eier ablegen, sondern die Laichbetten müssen auch geeignet sein, den geschlüpften Fischlarven während der ersten Lebensmonate als Aufenthaltsort zu dienen. Durch die immer intensiver betriebene Agrarwirtschaft werden gerade die als „Kinderstube" notwendigen Bachoberläufe in ihrer Struktur massiv beeinträchtigt. Dies führt nicht nur zu gelegentlich lethalen Effekten bei Fischeiern, Larven und Jungfischen, sondern vielfach zu einem Totalausfall der Brut und damit zu einer existenziellen Bedrohung der bereits vorbelasteten und ausgedünnten Fischbestände. Am Beispiel der Forelle kann man die Bedeutung einer ökologisch angepassten Landnutzung und eines erosionsschützenden Gewässerrandstreifens gut verdeutlichen. So wird es für jedermann einsichtig, weshalb nur noch wenige Fließgewässer einen natürlichen Forellenbestand aufweisen. Ebenso soll an diesem Beispiel gezeigt werden, wie leicht Verbesserungen schon durch Anwenden bekannter Handlungsweisen erreicht werden könnten: Verbot von Maisäckern in Hanglagen und im Einzugsgebiet von Gewässern. Doch vor einem solchen Ansinnen schrecken unsere Politiker leider zurück.
Machen wir uns weiterhin an diesem Beispiel auch klar, wie vernetzt alle Gewässer miteinander sind. Im Grunde ist alles Wasser miteinander global vernetzt. Alle Belastungen, die wir unseren Bächen und Flüssen antun, sind letztlich global wirksam. Der Umgang mit den fließenden Gewässern, die nur scheinbar alles von uns wegtragen, dokumentiert in ganz besonderer Weise, ob wir in der Lage sind, in großen Zusammenhängen zu denken und zu handeln. Dass wir davon ein ganzes Stück entfernt sind, zeigt uns das Beispiel der Forelle als Schlüsselorganismus für ein lebendiges Gewässer.

 

Ufergehölze bereichern unsere Auen und Gewässer
Bäche und Flüsse prägen wesentlich das Bild der Landschaft. Besonders gewässerbegleitende Gehölze lassen schon von weitem den Verlauf eines Gewässers in der Landschaft hervortreten oder oft erst erkennbar werden. Vor der Veränderung der Landschaft durch den Menschen erstreckten sich an nahezu allen Fließgewässern Wälder mit Erlen, Weiden, Eschen, Eichen, Ulmen u.a. bis an die Ufer der Gewässer. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Bachbiozönose weitgehend an diese Verhältnisse angepasst ist.
So üben Ufergehölze auf vielseitige Art und Weise Einfluss auf Fließgewässer aus. Speziell an kleineren und mittelgroßen Gewässern werden häufig große Bereiche der Wasseroberfläche beschattet. Die Strauch-und Baumkronen vermindern die Einstrahlung und reduzieren dadurch tageszeitliche Schwankungen der Wassertemperatur. So kann die Temperatur um bis zu 10 °C niedriger liegen als in einem unbeschatteten Tieflandbach vergleichbarer Größe. Durch die niedrige Wassertemperatur und dem reduzierten Lichteinfall wird das Wachstum von Algen und Makrophyten verlangsamt und die Sauerstoffkonzentration im Wasser bleibt höher, was auch das Wohlbefinden der bachtypischen Organismen begünstigt, die ja gerade auf sommerkühle Gewässer angewiesen sind. Die Baumwurzeln, besonders von Schwarzerlen, Baumweiden und Eschen, tragen wesentlich zur Stabilisierung des Ufers bei, indem sie seitliche Erosionsprozesse weitgehend unterbinden. Da sie dem Wasser und Boden Nährstoffe entziehen, wirken die Baum- und Strauchwurzeln zugleich auch als Nährstoffpuffer. Zugleich bietet das freigespülte Wurzelwerk wichtige Kleinstrukturen. Fische nutzen die unterspülten Wurzelbereiche als Verstecke und Laichplätze, Flusskrebse und andere Wirbellose (Makrozoobenthos) als Einstand. Forellen erfreuen sich am „Insektenregen", der von den Bäumen und Sträuchern ins Wasser fällt. Ufergehölze tragen organische Substanz wie Falllaub und Äste in das Gewässer ein, wobei das Totholz für aquatische Lebensgemeinschaften von besonderer Bedeutung ist.

Mit der Herausbildung eines Ufergehölzstreifens wird auch der Aufwand für die Gewässerunterhaltung wesentlich reduziert. Damit werden viele Eingriffe in die Lebensgemeinschaften des Gewässers überflüssig. Den Idealfall eines Gewässerrandstreifens bilden Ufergehölzstreifen mit einer vorgelagerten Hochstaudenflur, kombiniert mit extensiv bewirtschafteten Wiesen. Ein solcher Uferbereich bedeutet eine wesentliche Bereicherung für Flora und Fauna und bildet einen wichtigen Bestandteil für die Biotopvernetzung.

Ausblick
Gewässerrandstreifen sind für den Schutz und die naturnahe Entwicklung der Gewässer vordringlich, jedoch allein nicht immer ausreichend. In vielen Fällen sind auch Umgestaltungsmaßnahmen in Gewässer und Aue erforderlich, um verlorengegangene Strukturen, wie z.B. Altarme, Grabennetze und Tümpel, neu zu schaffen. Unverzichtbar ist aber auch eine flächendeckende Durchsetzung einer ökologisch orientierten Landbewirtschaftung, die Bodenmuster und Standorteigenschaften berücksichtigt. Diese muss beinhalten, dass Erosion und Schadstoffaustrag über Oberflächenabfluss und Grundwasserabfluss begrenzt werden. Ansonsten können die Gewässerrandstreifen die Schädigung der Gewässer nur vermindern. Das Ziel muss stets sein, eine Schädigung der Gewässer als Lebensadern unserer Landschaft nachhaltig zu verhindern.
Durch die Industrialisierung der Landwirtschaft seit den 1950er Jahren wurden eine Vielzahl von Problemen erzeugt. So hat die Landwirtschaft nur dann eine Zukunft, wenn sie ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung gerecht wird. Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) erkannte dies bereits vor 30 Jahren und hat sich zusammen mit Bäuerinnen und Bauern auf den Weg gemacht, alternative Landbaumethoden zur industrialisierten Agrarwirtschaft zu entwickeln. Und jeder kann dabei mithelfen. In der ÖDP finden Sie auf jeden Fall Unterstützung und den richtigen Platz.

 

 

Bäche und Flüsse brauchen Totholz

Der Lebensraum Totholz ist eine Welt der Wunder, welcher
von der Wissenschaft erst in Ansätzen erforscht wurde.


von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Totholz ist keineswegs „tot“. Schon sein bloßes Vorhandensein wirkt sich positiv auf die Umgebung aus. Totholz fördert dynamische Prozesse. Es beeinflusst und prägt die Morphologie eines Fließgewässers im Kleinen wie im Großen, variiert Strömung und Wassertiefe, bietet Unterschlupf. Dadurch ist Totholz ein wesentliches Strukturelement in unseren Bächen und Flüssen. Hier sollte es deshalb, wo immer möglich, wieder einen festen Platz einnehmen. Denn Totholz bedeutet Leben.


Was ist Totholz?
Was der Biber seit Menschengedenken macht, kann nichts Schlechtes sein. Er fällt Bäume ins Wasser, baut Burgen, legt Dämme an und gestaltet damit Gewässerlandschaften neu. Dies kommt unter anderem den Fischen zugute. Also ein Zeichen dafür, dass Bäche und Flüsse Totholz brauchen. Es gehört sozusagen zur unverzichtbaren Grundausstattung eines Fließgewässers, weil es die Strukturvielfalt erhöht.
So ist Totholz nicht nur ein charakteristisches Merkmal natürlicher Wälder, sondern auch ein gewichtiger gewässerökologischer Faktor, der das Erscheinungsbild natürlicher Fließgewässer maßgeblich bestimmt. Durch die Veränderung der Morphologie, des Abflussverhaltens, des Stoffhaushaltes und der Besiedlung hat Totholz Einfluss auf alle wichtigen Systembausteine des Ökosystems Fließgewässer.
Zum Totholz zählen abgestorbene, verholzte Pflanzenteile, sämtliches loses Holz, vom feinsten Reisig, über Wurzelstöcke bis hin zum ganzen Baumstamm. Ebenso gehören zum Totholz auch umgestürzte, aber fest verwurzelte Bäume, sog. Sturzbäume, oder abgetriebene und woanders neu austreibende Bäume und Gehölzteile, die -rein biologisch gesehen- noch leben. Totholz wird in der Regel im Fließgewässer mittransportiert und wieder abgelagert.

 



Ein Beeispiel für einen Sturzbaum

 

Totholz ist Leben pur!
Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzt, wird irgendwann feststellen, wie paradox der Begriff „Totholz“ im Grunde ist, und das gleich in zweifacher Hinsicht. Denn auch „lebendes“ Holz besteht zu einem Großteil aus bereits abgestorbenen, also toten Zellen. Nach dem Absterben des Holzes beginnt eine Besiedlung mit Tausenden von verschiedenen Arten. Dies kann sich bei bestimmten Holzarten über Jahrzehnte hinziehen. So betrachtet ist lebendes Holz deutlich ärmer an Leben als Totholz! Mehr als 1400 Käferarten und ihre Larven besiedeln nur jede denkbare ökologische Nische im Totholz. Die Pilze mit etwa 1500 Arten stellen den Löwenanteil. Über 500 Fliegen- und Mückenarten und zahlreiche andere Vertreter der Insekten tummeln sich ebenfalls dort.
Neben den terrestrischen Tierarten ist Totholz ebenso Lebensraum für limnische Ökosysteme. Für die wirbellosen Kleinlebewesen des Gewässerbodens, den so genannten Makroinvertebraten, dient diesen Totholz als Zuflucht, Nahrungsquelle sowie als Ort zur Eiablage und Verpuppung. Vor allem in Fließgewässern mit feinkörnigem Substrat, wie Sand, Lehm, Ton oder Löß, ist Totholz eine unentbehrliche Lebensnische für die Wirbellosenfauna. Viele dieser Tiere sind auf das Vorhandensein von Totholz angewiesen. Über 40 Arten sind eng daran gebunden, weitere 80 Arten nutzen es mehr oder weniger.
Mit zunehmendem Abbau des Totholzes siedeln sich Algen und Mikroben an. Dieser Aufwuchs dient Organismen, die ihre Nahrung aufsammeln oder auf der Oberfläche abweiden. Pilze siedeln sich an und weichen das Totholz auf, sodass Wirbellose, die das Totholz zerkleinern, einzelne Holzpartikel aufnehmen können.
Totholzbesiedler sind zum Teil hoch spezialisiert. Einige Arten bohren Löcher in das Holz, andere höhlen es aus und sorgen so zusammen mit den Zerkleinerern für den Abbau im Gewässer.

 



Strukturreiches Totholz in Form von Ästen und Zweigen kämmen anderes Totholz und Laub aus. Das organisches Material wird nach und nach abgebaut und ist Grundlage komplexer Nahrungsketten. Totholz erhöht damit das Selbstreinigungsvermögen des Gewässers.
 

 

Wohin man auch blickt, überall stößt man auf eine schier grenzenlose Artenfülle. Totholz ist damit Leben pur, Leben in überschäumender Fülle. Seine fundamentale ökologische Bedeutung ist lange verkannt worden. So ist Totholz noch eine Welt voller Wunder, die von der Wissenschaft erst in Ansätzen erforscht wurde. Heute besinnt man sich darauf und erkennt, dass Totholz zum Leitbild eines intakten Flusses ebenso gehört wie die angrenzende Aue.


Die Bedeutung von Totholz für die Gewässerstruktur
Viele Fließgewässer in Mitteleuropa wurden durch anthropogene Einflüsse schwerwiegend verändert. Auewälder entlang von Bächen und Flüssen wurden weitgehend entfernt und die so entstandenen Flächen teils zu landwirtschaftlicher Nutzfläche, teils zu Baugebiet umfunktioniert. Die Gewässer selber erfuhren Begradigungen, Kanalisierungen und Einleitungen verschiedenster Art. Und die Folge ist: Das natürliche Erscheinungsbild unserer Bäche und Flüsse ist heute kaum mehr rekonstruierbar.
Eines dieser zentralen Charakteristika für ein natürliches Fließgewässer ist eben das Totholz. Unter ökologischen Gesichtspunkten kommt dem Totholz eine Schlüsselstellung zu, denn es wirkt in zweierlei Hinsicht: biologisch und mechanisch.
Biologisch, weil Totholz das Angebot an Lebensnischen für Tiere und Pflanzen signifikant erhöht und dadurch einen enormen Artenreichtum bewirkt.
Mechanisch, weil Totholz die Hydromorphologie eines Fließgewässers prägt und die Strukturvielfalt erhöht.
Diese beiden Faktoren tragen wesentlich zur ökologischen Aufwertung unserer Bäche und Flüsse bei.

Totholz verändert auf kleinstem Raum die Strömungs- und Sedimentationsverhältnisse und fördert so die eigendynamische Entwicklung des Fließgewässers. Besonders in kleinen Fließgewässern mit hohem Gefälle können Einzelstämme und Ansammlungen von Zweigen (Geniste) die Strukturvielfalt im Fließgewässer entscheidend erhöhen. Sie wirken wie kleine Staudämme und führen zu einer Verminderung des Gefälles auf kurzer Strecke und begünstigen so die Ausbildung von Sohlstufen- und Sohlschwellen mit anschließendem Wasserspiegelsprung.
Als Resultat stellt sich ein kleinräumiger Wechsel von langsam zu schnell strömenden Fließverhältnissen ein. Festsitzendes Totholz, wie beispielsweise umgestürzte Uferbäume, bewirkt nicht nur den Aufstau, sondern auch die Ablenkung der fließenden Welle vorbei an dem Strömungshindernis. Je nach Lage können die Stämme so eine Laufverlagerung des Gewässers bewirken, was zu einer seitlichen Verschiebung des Stromstriches führt und das Mäandrieren des Gewässers unterstützt. Im Strömungsschatten solcher Gebilde lagert sich wiederum mitgeführtes Material ab. Es entwickeln sich Schlamm-, Sand- und Kiesbänke, die neue Lebensräume darstellen. Unterhalb solcher Bereiche bilden sich aber auch Abschnitte mit höherer Strömungsgeschwindigkeit, was zur Entstehung von Kolken, Steilufern und Abbruchkanten führen kann. Dadurch nehmen Vielfalt und die ökologischen Nischen im Bach und Fluss zu. Eine verstärkte Tiefenerosion wird vermieden und vor allem kleinere Hochwasser werden durch immer wieder auftretende Totholzbarrieren abgepuffert.


Fische brauchen Totholz als Laichplatz, Schutz- und Lebensraum
Die Bedeutung des Totholzes beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Beeinflussung der Struktur des Fließgewässers. Vielmehr hat die Veränderung der morphologischen Faktoren durch Totholz auch Auswirkungen auf die Biozönosen im und am Gewässer.
So bieten die langsam fließenden Bereiche im Strömungsschatten größerer Totholzstrukturen Lebensraum für verschiedene Vertreter der Wasserkäfer (Hydrophilidae) und für spezielle Wirbellose, darunter insbesondere Larven der Eintagsfliege (Ephemeroptera) und der Köcherfliege (Trichoptera). Diese sind unter anderem Nahrungsgrundlage für Jungfische.
Allgemein bevorzugen Fische die strömungsberuhigten Zonen von Totholzstrukturen als Einstand, sowohl bei normalem Abfluss wie bei Hochwasser. Insbesondere kleinere Totholz-Ansammlungen, sog. „Geniste“, bieten geschützte Laichplätze und für Fischbrut und Jungfischen eine optimale Rückzugs- und Unterstellmöglichkeit, da sie hier Schutz vor ihren Fressfeinden finden und die Gefahr, von der Strömung verfrachtet zu werden, geringer ist. Verschiedene Totholz-Projekte haben diesen Zusammenhang eindeutig nachgewiesen.

 



Zur Strukturbereicherung wurde in das Gewässer ein Baumstamm eingebracht. Dieser leitet die Strömung ab und schafft neue Lebensnischen.

 

Ausblick
Durch die wasserbaulichen Tätigkeiten der letzten hundert Jahre ist die Anwesenheit von Totholz zur Ausnahme geworden. Unsere meist ausgebauten und aufgeräumten Fließgewässer dienen vornehmlich dem geregelten Abfluss der „freien Vorflut“. Durch Artensterben und Hochwasserkatastrophen lassen sich die strukturellen Defizite der Gewässersysteme am deutlichsten erkennen. Die Erhaltung bzw. Wiederherstellung natürlicher oder naturnaher Bäche und Flüsse bietet eine Möglichkeit, diesen gemachten Fehlern entgegenzuwirken. Hier kommt dem natürlichen Eintrag oder dem Einbau von Totholz eine besondere Bedeutung zu. So lässt sich durch den gezielten Einbau von Totholz eine Revitalisierung unserer Gewässer mit geringem technischen und finanziellen Aufwand erzielen.

 



Natur pur am Mühlbach, einem Zufluss zur Schussen.

 

Es liegt nun an uns, die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, das heißt, „Renaturierung ja, aber mit Totholz!“
Allen, die für Fließgewässer verantwortlich sind (Unterhaltspflichtige, Planer, Ausführende), die Fließgewässer nutzen oder bewirtschaften (Fischer, Erholungssuchende, Wassersportler, Kraftwerksbetreiber) oder sich für ökologische Verbesserungen einsetzen wie die ödp, möchte ich wärmstens ans Herz legen, sich intensiver mit diesem wichtigen Thema auseinanderzusetzen, damit Totholz wieder Leben in Bäche und Flüsse bringen kann.

 

 

Lebendige Bäche und Flüsse

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Es ist offenkundig: Die Bäche und Flüsse haben trotz verbesserter Wasserqualität weder ihren früheren Artenreichtum, noch ihre einstige Produktivität wiedererlangt. Gute, chemisch zu messende Wasserqualität reicht alleine für die Güte einer Gewässerqualität nicht aus. Die Revitalisierung von Lebensräumen schafft neue Möglichkeiten, für die Fließgewässer den geeigneten Lebensraum für gute Fischbestände und für eine natürlicherweise vorkommende Flora und Fauna wieder herzustellen. Dieser ganzheitliche Ansatz der beiden Arbeitslinien – gute Wasserqualität und Verbesserung der Gewässerstruktur – ergänzen sich auf dem Weg zu einer guten Gewässerqualität.


Die Entwicklung unserer Bäche und Flüsse

Fließgewässer gehören zu den anziehendsten Landschaftsteilen. Als Lebensadern durchziehen sie die Landschaft. Sie sind Erlebnis- und Lebensraum. Sie schaffen in unseren Dörfern und Städten oftmals beschauliche Winkel und geben der umliegenden Landschaft naturnahe Strukturen. Kleine Fließgewässer gehören einfach zu unserem Leben – und wir alle sind dafür verantwortlich, dass sie dauerhaft in einem guten Zustand bleiben oder diesen erreichen.

Tatsache ist jedoch, dass aufgrund einer Vielzahl von Einwirkungen auf Bäche und Flüsse die Fischbestände in der Vergangenheit drastisch zurück gegangen sind. In den meisten Gewässern kommt nur noch ein Bruchteil der ehemals vorhandenen Fischarten vor. Auch die Fischbestandsdichten liegen in der Regel weit unter dem natürlichen Potenzial der Gewässer.

Diese Entwicklung der Fließgewässer lässt sich nicht ohne einen kurzen Blick in die Vergangenheit abhandeln. Wir haben die Gewässer verändert, zum Teil erheblich. Durch technische Maßnahmen wie Begradigungen und Uferverbauungen hat der Mensch gravierend in den Naturhaushalt dieser Gewässer eingegriffen und so das Erscheinungsbild ganzer Landschaften verändert. Es wurden Moorkultivierungsprogramme und Gewässerregulierungen zu Beginn des 19ten Jahrhunderts in großem Stil in Angriff genommen, gegen die sich die heutigen Maßnahmen zur Renaturierung beinahe wie ein unbedeutendes Nachspiel ausnehmen. Waren die ersten größeren Projekte zur Entwässerung von Feuchtwiesen und Mooren noch weitgehend privater oder herrschaftlicher Natur, so folgten zur Moorkultivierung auch bald staatliche Einrichtungen, deren Wirken erst in der jüngsten Zeit auslief oder durch neue Aufgaben ersetzt wurde.
Zu spät, viel zu spät reifte die Erkenntnis, dass man des Guten auch zuviel tun konnte, und dass die Erhaltung von Mooren und Feuchtgebieten in anderer Weise bedeutsam ist. Die stärksten Verluste gab es bei den Feuchtwiesen im Binnenland entlang der Bäche und Flüsse. Das vorhandene Neigungsgefälle der Landschaft reicht zumeist aus, um über Drainagen die feuchten Quellhänge trockenzulegen, die Wiesen maschinengerecht herzurichten und im Verbund mit regulierten Gräben und Bächen eventuelles Hochwasser auf schnellstem Wege abzuleiten. Dabei gingen nicht nur bedeutende Fischzönosen, Laichplätze und Jungfischhabitate verloren, sondern ganze Fischregionen mit ihrer jeweiligen Leitfischart wurden erheblich dezimiert. Weiterhin vernichtete man essenzielle Lebensräume für selten gewordene Tiere und Pflanzen und darüber hinaus gingen auch noch die wichtigsten Speicher für überschüssiges Niederschlagswasser verloren. Anstatt sich bei Starkregen kräftig vollzusaugen, leiten die dränierten Feuchtgebiete das Wasser mit nur unbedeutenden Zeitverzögerungen in die Bäche ab. Da diese zumeist kanalisiert wurden, schicken sie es ohne Verzögerung in die Flüsse weiter, wo sich stromabwärts eine Hochwasserwelle aufbaut, die kaum mehr unter Kontrolle zu bringen ist.
Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Weil die natürlichen Retentionsräume ihre Funktion nicht mehr erfüllen können, häufen sich die hausgemachten Hochwasser-Katastrophen mit ihren immensen Schäden, die zum Teil im zweistelligen Euro-Milliardenbereich liegen. Im Jahr 2010 war in Europa nahezu monatlich eine größere Hochwasser-Katastrophe zu verzeichnen, in den Sommermonaten teilweise sogar wöchentlich.
Doch die anderen Katastrophen werden weniger bemerkt, wie der schleichende Artenschwund der an und in Fließgewässern lebenden Tieren und Pflanzen, verursacht durch massive Lebensraumzerstörungen. Die Fische im Bach und Fluss spiegeln die Lebensbedingungen jedes entsprechenden Gewässerabschnitts wider. Weil die Leitarten unter den Fischen stark vom guten Gewässerzustand abhängig sind, werden sie als Indikator zur Beschreibung von Wasserqualitätszuständen benutzt. Das Resultat ist, dass ihre natürliche Reproduktion stark vermindert ist und deshalb Fische heute zu den meistgefährdeten Tiergruppen überhaupt zählen. So sind beispielsweise in den Gewässern Bayerns bereits ausgestorben: Flussneunauge, Meerneunauge, Atlantischer Stör, Hausen (der größte Süßwasserfisch der Erde), Lachs, Meerforelle, Maifisch und Finte. Nach aktuellen Erhebungen könnten bei Ausbleiben geeigneter Maßnahmen in den nächsten Jahren weitere Arten folgen. So sind die Äschen- und Nasenbestände in vielen Gewässern Bayerns derart zurückgegange, dass eine Erholung der Populationen durch natürliche Reproduktion kaum möglich erscheint.
Deshalb muss alles getan werden, damit möglichst alle Gewässer wieder eine naturnahe Struktur erhalten.

 



Ein Fließgewässer-Schicksal von vielen: Unzählige Bachläufe und Flüsse wurden zwischen 1950 und 1980 begradigt, betoniert und damit regelrecht sterilisiert. Im Rahmen vieler Flurbereinigungsmaßnahmen und rein technokratisch ausgeführter Gewässerausbauten wurde so vielerorts die typische Flora und Fauna der Fließgewässer aus der Landschaft vertrieben. Nicht nur landschaftsökologische Vielfalt, sondern auch Lebensqualität ging verloren.

 

Die Leidensstrecken der Flüsse
Ein weiteres großes Kapitel im Buch der Geschichte unserer Flüsse ist die Gewässerverschmutzung, die in Mitteleuropa glücklicherweise ihren Höhepunkt schon längst überschritten hat. Die Verschmutzung begann in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts mit der Industrialisierung und Verstädterung sowie mit der Einführung des Wasserklosetts beziehungsweise der Schwemmkanalisation. Man war der Auffassung, und dies hielt sich in manchen Köpfen bis in die jüngste Vergangenheit, die Gewässer seien die „natürlichen Wege zur Beseitigung allen Unrates“. Würde man der aufblühenden Industrie die Abwassereinleitungen verbieten, so würde man die „Existenz zahlreicher Familien vernichten und Tausende von Arbeitern brotlos machen“ – Argumente, die uns auch heute nicht unbekannt sind!
Es gab an vielen Flüssen besorgniserregende Flussverschmutzungen, doch es wurde überall abgewiegelt, es sei alles nicht so schlimm und man könne letztlich auch auf die Selbstreinigungskraft der Flüsse setzen. Die Sieg, als ein Beispiel von vielen, wechselte ständig die Farben. Gestank, Fäulnis und Fischsterben war das, was man mit ihr in Verbindung brachte. Schon vom Oberlauf her trieben Schlackenteppiche und das Wasser der Sieg stank nach Blausäure. Es gab Einleitungen von Salzsäure und Metallsalzen, die den pH-Wert bis auf 3,8 (stark sauer) absinken ließen – alles von politischer Seite toleriert. Die Abwasserfahnen auf der Sieg waren bis zu 60 km lang. Im Jahre 1956 gab es durch die Einleitung von Phenol, einer stark toxischen, ätzenden und kanzerogenen Chemikalie, das bislang größte Fischsterben. Noch 1969 war das Wasser der Sieg fast schwarz. Erst 1979 konnte sich der Fluss erholen, nachdem der Hauptverschmutzer, eine Fabrik, aufgegeben hatte.
Eine besonders eindrucksvolle Geschichte hat die Emscher, mitten im Ruhrgebiet liegend und von Ost nach West zum Rhein hin fließend. Man hatte sie fast 100 Jahre lang zum offenen Abwasserkanal mit einer Länge von 77 km gemacht, und zwar deshalb, weil ein solches Bauwerk in einem Bergsenkungsgebiet ungleich besser zu kontrollieren war als ein Rohrleitungssystem. Seit 1976, ja, wirklich erst seit 1976 (!) geht die gesamte Emscher vor ihrer Mündung in den Rhein durch eine riesige Kläranlage ...
Die Emscher ist somit bis heute Symbol und Ausdruck einer vollkommenen Vergewaltigung der Natur durch den Menschen. Doch es gab auch einen Silberstreifen am Horizont. Im Zuge der Internationalen Bauausstellung Emscherpark wurde der Fluss mit einem riesigen Kostenaufwand zu einem funktionierenden Gewässer zurück- und umgebaut.


Hochwasser wird zum allgemeinen Problemfall

Hochwässer sind normal und gehören zur Natur des Lebensraumkomplexes von Fließgewässer und Aue. So wurden die Hochwässer früher von den Auewäldern abgefangen. Doch inzwischen scheinen sich paradoxerweise, wie etwa bei den „Jahrhunderthochwässern“ der letzten 20 Jahre an Donau, Rhein, Elbe, Oder und Weichsel, die Hochwässer zunehmend zum Problem auszuwachsen, je mehr Bäche und Flüsse „hochwassersicher“ ausgebaut werden. Anscheinend genügt es nicht, für einen möglichst rasanten Abfluss zu sorgen, sondern ganz offensichtlich kommt der umliegenden Vegetation und der Fähigkeit der Talaue, Überschüsse an Niederschlägen als Grundwasser aufzunehmen und/oder als Oberflächenwasser zu speichern, eine viel größere Bedeutung zu als die Ingenieure des konstruktiven Wasserbaus meinen. So wurde unterhalb von Regensburg das Flussbett der Donau von 130 auf volle 300 Meter verbreitert, in der Hoffnung, das möge bei Hochwasser ausreichen. Weil aber wasserdichte Schmalwände Fluss und Grundwasser voneinander absperren - die flussbegleitenden Ökosysteme werden ohnehin weitgehend geopfert -, ist auch kein Ausgleich und Austausch mehr möglich. Bei Hochwasser hat sich die Wassergeschwindigkeit der oberen Donau nach der Regulierung verfünffacht, und der verstärkte Wellenschlag demoliert die Ufer mehr denn je.
Welche Folgen das alles auf die Wirtschaftswiesen in der Flussaue haben wird, ist noch völlig unklar. Werden sie auch versteppen wie die Rheinauen bei Breisach, die mit immensen Kosten wieder renaturiert wurden?
Für die Fischhabitate sind die Folgen der Donau-Regulierung eindeutig. Durch die Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit um das Fünffache sowie dem Fehlen von Hochwassereinständen, findet eine überhöhte Verdriftung statt, die nicht kompensiert werden kann. Die Laichfischdichte sinkt und der Mangel an geschützten Laichplätzen und Jungfischhabitaten in einer regulierten Donau ist groß. Die natürliche Reproduktion bricht in diesem Gewässerabschnitt zusammen.

Ein weiteres Beispiel soll das Hochwasserproblem regulierter Fließgewässer bei Niederschlägen verdeutlichen. Heutzutage genügen schon zwei Tage Dauerregen, um gefährliche Hochwasser entstehen zu lassen, während vor der Trockenlegung der Feuchtgebiete und vor der Regulierung der Bäche und Flüsse entsprechende Wasserstände erst nach mehr als einwöchigem Starkregen zustande gekommen waren. Das aufgebrochene System schaukelt sich nun selbst über eine Rückkoppelung auf:
Die steigende Hochwassergefahr macht immer massivere Baumaßnahmen an den Flüssen und Strömen wie Mosel, Weser, Rhein, Donau, Elbe und Oder notwendig, die ihrerseits die Problematik verschärfen. Anstatt dämpfend auf den Hochwasserabfluss bereits im Einzugsgebiet eines Gewässers einzuwirken und ihn durch ein naturnah aufgebautes Retentionsnetz so zu verzögern, dass sich die Welle nicht bis zur Katastrophengrenze aufbauen kann, wirken die bisherigen menschlichen Eingriffe nur allzu häufig verstärkend mit!
Mit umgekehrtem Vorzeichen gilt dies für die niederschlagsarmen Perioden. Die Böden trocknen immer schneller aus, weil keine Speicherkapazitäten in den Feuchtgebieten vorhanden sind, die bei anhaltender Dürre ihr gesammeltes Überschusswasser wohl dosiert abgeben könnten.
Dies ist auch ein Argument für die Gewährung einer ausreichenden Wassertiefe in den Fließgewässern. Denn der Wasserfluss muss auch in Trockenperioden ausreichen, damit Fische passieren und sich verstecken können.


Störfaktoren im Gewässerlebensraum und deren Auswirkungen
Wesentliche Merkmale einer beeinträchtigten Gewässerstruktur sind die Monotonisierung der Ufer- und Sohlstrukturen: Begradigt, befestigt und meist ein zu schmales Flussbett. Hinzu kommt der große Mangel an Strukturelementen im Gewässerbett sowie die eingeschränkte Dynamik des Gewässerlaufs. In bayerischen Fließgewässern ist beispielsweise die längsgerichtete Durchgängigkeit durchschnittlich bereits nach 800 m eingeschränkt bzw. unterbrochen. Für alle wandernden Organismen wie Fische und Makrozoobenthos (Wirbellosenfauna) ist eine solche Unterbrechung des Gewässerlaufs besonders problematisch. Ursachen für diese Beeinträchtigungen sind in vielen Fällen die Wasserkraftnutzung und der Hochwasserschutz. Durch die technischen Bauwerke wird die Durchgängigkeit abrupt unterbrochen. Viele Fischarten, aber auch die kleinen Bewohner, die Wirbellosenfauna der Bäche und Flüsse, „wandern“. Dies bedeutet, dass sie sich nicht ihr gesamtes Leben lang in demselben Fließgewässerabschnitt aufhalten. Einige Fischarten verbringen einen großen Teil in völlig anderen Bereichen. Lachs und Meerforelle leben zum Beispiel lange im Meer, Seeforellen in größeren stehenden Gewässern und Aale werden weit von hier entfernt im Atlantik in der Sargasso-See, östlich von Mittelamerika, geboren. Alle diese Organismen müssen frei wandern können, sowohl flussab wie flussauf, weil sonst der natürliche genetische Austausch und die Wiederbesiedelung stark behindert, zum Teil gänzlich unterbunden wird.

 



Ein natürlicher, noch nicht mit Stauwehren und anderen Anlagen verbauter Bach, der seine natürliche Dynamik noch ganz entfalten kann.

 

Eine weitere, erhebliche Beeinträchtigung der Gewässerstruktur ist die Abtrennung der Aue vom Hauptgewässer durch Dämme. Fließgewässer und Aue bilden einen natürlichen Lebensraumkomplex mit einer sonst nirgends vorzufindenden Vielfalt an Lebensgemeinschaften und haben auch von daher eine herausragende ökologische Funktion. Das Erscheinungsbild einer Aue wird in erster Linie von der Dynamik des fließenden Wassers geprägt. Alle wichtigen Prozesse wie Erosion und Sedimentation, Stofftransport, Korngrößenverteilung, Nährstoffhaushalt, Bodenbildung, Oberflächenformen, Totholzstrukturen und die Entwicklung der Lebensgemeinschaften hängen davon ab.
Das Zusammenspiel von Erosion und Akkumulation erzeugt vor allem im Fließgewässer selber eine Fülle verschiedener Strukturen wie Inseln, Sand- und Kiesbänke (Rauschen), Schlickflächen, Kolke, Flachwasserzonen usw. und bestimmt damit auch ein Stück weit die Laufentwicklung. Wasser und insbesondere Hochwässer hinterlassen freigelegte Böden, abgeräumte Flächen, freigespültes Wurzelwerk, aufgeschüttete Sedimente, verschlickte Senken, nährstoffreiche Spülsäume und Ansammlungen von Schneckenhäusern sowie natürlich eingeschwemmtes Totholz, also eine Vielzahl von unterschiedlichen Standorten und Nahrungsangeboten.
Entsprechend der Dynamik von Abfluss, Erosion und Sedimentation sowie dem Angebot an Lebensräumen findet sich in den Auen und Auenfragmenten eine spezielle Tier- und Pflanzenwelt, die ebenfalls von Veränderungen geprägt ist.
Besonders für die Fischfauna sind intakte Gewässerauen von existenzieller Bedeutung. Fische bedürfen einer Reihe spezifischer Habitate, um ihren Lebensansprüchen gerecht zu werden. Für die Fischzönosen sind die folgenden vier Teilhabitate von wesentlicher Bedeutung:

 
  • Laichplätze
  • Jungfischhabitate
  • Nahrungsräume
  • Einstände
 

Unter dem Teilhabitat „Einstände“ sind die Habitattypen Winter-, Hochwasser- und Jungfischeinstände zusammengefasst.
Die vorstehend genannten vier Teilhabitate erstrecken sich nicht ausschließlich auf das Hauptgewässer. Vielmehr ist die Aue, speziell die Weichholzaue mit ihren Nebengewässern wie Altarme, Mulden, Gräben u.a., ein sehr wichtiger Fischlebensraum mit einem besonders breiten Spektrum an verschiedenen Teillebensräumen: Die Nebengewässer dienen als Winter- oder Hochwassereinstand, Laichplatz und Nahrungsraum sowie als Lebensraum für Fischbrut und Jungfische. Bei geringer Niedrigwasserführung beziehungsweise zurückgehendem Wasserstand zieht sich ein Teil der Fische in die flussnahen Habitate zurück. Jedoch verbleiben vor allem die Jungfische und Spezialisten in den Nebengewässern.
Damit eine Fischart die für sie erforderlichen Teilhabitate optimal erreichen kann, ist ein uneingeschränktes Wanderverhalten sowohl in Längsrichtung des Fließgewässers als auch in seiner Quervernetzung mit der Aue eine wesentliche Voraussetzung.


Fraßdruck durch Prädatoren („Fischräuber“)
Auch die ökologischen Wechselbeziehungen innerhalb der Fauna sind gestört, wie zum Beispiel das Räuber-Beute-Verhältnis, dann der Fraß- und Konkurrenzdruck u.a. Hierzu tragen unter anderem die starken Bestandsentwicklungen fischfressender Vogelarten, wie z.B. Kormoran und Gänsesäger bei, die zum Einbruch vieler Fischbestände geführt haben. Begünstigend für den Jagderfolg der Vögel wirkt sich die flächendeckend vorhandene Kulturlandschaft aus, welche viele strukturell degradierte Bäche und Flüsse beherbergt. Bei den bereits durch Lebensraumdefizite beeinträchtigten Fischbeständen kann ein zusätzlicher hoher Fraßdruck von fischfressenden Vögeln ganze Fischpopulationen an den Rand ihrer Existenz bringen.
Es gibt gesicherte Hinweise darauf, dass für den dramatischen Bestandseinbruch der Äsche in Südbayern Kormoran und Gänsesäger wesentlich mit verantwortlich sind, während die Nase als Mitteldistanzwanderer primär unter dem Verlust an komplexen und zudem durchwanderbaren Fließgewässerlebensräumen leidet.
Die genannten Einwirkungen führten in der Summe letztlich dazu, dass Fische heute zu den meistgefährdeten Tiergruppen überhaupt zählen. Handeln tut deshalb Not!


Chancen für lebendige Bäche und Flüsse?
Zahllose Bäche und kleinere Flüsse gerieten in den 1950er bis Anfang der 1980er Jahre mehr oder weniger in diesen Zustand der Kanalisation, Betonierung und Verrohrung. Dies verwandelte unsere Gewässer vielerorts in verödete, unbewohnbare „Linien in der Landschaft“ und ließ die einst reiche Natur unserer Bäche und Flüsse verarmen.
Doch dann setzte eine Wende ein. Es zeigte sich immer deutlicher, dass es viel billiger ist, die für den dynamischen Wasserabfluss notwendigen Uferbereiche aufzukaufen oder Ertragsausfälle durch Hochwasser direkt zu erstatten, als gigantische Summen für langfristig unbrauchbare und sinnlose Baumaßnahmen auszugeben, deren Höhe in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag steht.
Mit der Natur zu bauen, sie in die wasserwirtschaftlichen Maßnahmen so weit wie möglich mit einzubeziehen, ist der viel bessere Weg, den der moderne Wasserbau („Ingenieursbiologie“) in zunehmendem Maße beschreitet oder wählen würde, wenn man sich gegen die Privatinteressen Einzelner durchsetzen könnte. Es liegt in der Natur der Fließgewässer, dass sie sich deutlich schneller als die meisten anderen Landschaftselemente und Lebensräume regenerieren können. Die meisten der hoffnungslos verbaut erscheinenden Fließgewässer könnten wieder renaturiert werden. Rückbau in einen natürlichen Zustand heißt die Devise des modernen Wasserbaues. Wirkliche Gefahren und Schäden zu bannen, darin sieht man zunehmend das Ziel des Wasserbaues. Weg vom Einheitsprofil, das jedes Fließgewässer unweigerlich zum Kanal degradiert und zurück zum Zustand des unregulierten Baches und Flusses, wo immer dies möglich ist. Die Fließstrecke muss wieder so lang wie möglich werden und sich der ursprünglichen Gewässerlänge annähern. Dann wird der Bach oder Fluss ganz von selbst ins Gleichgewicht kommen und wenig Pflege beziehungsweise korrigierende Eingriffe nötig haben. Das Profil muss variabel gestaltet werden oder sich selbst aufbauen können. Unter Umständen können Kies- und Geröllbänke eingebracht werden, wenn sich das Fließgewässer zu stark eingetieft hat.
Flache, schnell überströmte Bereiche sollen mit tieferen, langsamer durchflossenen wechseln. Die Ufer sollen mit „Lebendverbau“ befestigt werden anstatt mit Granit oder Beton. Das funktioniert langfristig erheblich besser als der Massiv- erbau, weil sich die Wurzeln von Eschen, Erlen und Weiden dem Gewässer anpassen, sich auf seinen Lauf einstellen und entsprechende Lücken schnell von selbst schließen, während beim Steinverbau sich das Fließgewässer ständig anpassen sollte, was häufig genug nicht gelingt. Die Bachufer-Galerie aus Eschen, Erlen und Weiden ist die natürliche und stabilste Form der Ufervegetation von Bächen und kleinen Flüssen. Die von dem Gehölz ausgehende starke Beschattung während der Vegetationsperiode garantiert zugleich, dass ein kurzfristig erhöhtes Nährstoffangebot nicht gleich in üppiges Wachstum von Wasserpflanzen im Bach umgesetzt werden kann. Dadurch bleibt der Abfluss erhalten. Die Pflegemaßnahmen werden sich auf ein Minimum beschränken lassen.

 



Ein schmaler Gehölzstreifen sichert seit vielen Jahren die steil abfallende sandige Uferböschung des Flachlandbaches. Außerdem beschattet er das Gewässerbett so weit, dass sich hier kein für den Abfluss hinderlicher Bewuchs von Wasserpflanzen entwickeln kann.

 

Die Rückverlagerung der Vegetation aus dem Gewässerlauf an die beiden Ufer vermindert die Nährstoffeinwaschung. Die tiefreichenden Wurzeln des Gehölzstreifens fangen die Nährstoffe ab. An der Oberfläche wird abgeschwemmter Boden daran gehindert, in den Bachlauf eingewaschen zu werden.

Ein gut ausgebildeter Uferbewuchs wirkt als Bremse für leichte Hochwasser und den starken nimmt er die zerstörerische Kraft der hohen Fließgeschwindigkeiten. Altwasserschlingen, Flutmulden, Senken, Tümpel und Rigolen, die sich entweder wieder aktivieren lassen, weil sie noch vorhanden sind, oder mit geringem Aufwand wieder hergestellt werden könnten, wirken als hervorragende Speicher für überschüssiges Wasser und als Regulatoren in niederschlagsarmen Perioden. Der Abfluss der Bäche und Flüsse wird gleichmäßiger und es wird damit einen Beitrag zum präventiven Hochwasserschutz geleistet.
Diese neu entstehenden Stillgewässer („Grabenteiche“), in hydraulischer Vernetzung mit dem Fließgewässer, können höchst bedeutsame Lebensräume für Tiere und Pflanzen bilden. Sie werden bald den Fröschen und Kröten des Tales als Laichgewässer dienen, kleine Fische in großer Zahl beherbergen, von denen sich der Eisvogel ernähren kann, und Wasservögeln wie der Krickente als Brutplatz dienen. Unter den kräftigen Wurzeln der Uferbäume finden Fische feste Einstände, sodass sich wieder stabile, produktive Bach- und Flussbestände aufbauen können. Schäden durch Reiher oder Fischotter werden sich unter solchen Bedingungen ins Gegenteil verkehren, nämlich zur Gesunderhaltung des Fischbestandes beitragen.

Die neuen Programme zur Sicherung von Uferstreifen an kleineren Fließgewässern sind erfolgversprechende Ansätze, die Problematik in den Griff zu bekommen, die sich aus dem zu nahen Heranführen der Äcker an die Gewässerufer ergeben.

Ausblick
Bei den Bächen und kleinen Flüssen muss der Anfang gemacht werden für diesen zwingend notwendigen und umfassenden Renaturierungsprozess. An den kleineren Fließgewässern sind die Sachzwänge noch nicht so groß und die Kosten für den notwendigen Landerwerb mit Sicherheit geringer als für die langfristige Unterhaltung im rein technisch ausgebauten Zustand. Doch auch die größeren Fließgewässer lassen sich renaturieren oder zumindest so gestalten, dass die Natur wieder größeren Raum findet. Denn eine Vielfalt an Gewässerstrukturen fördert die Vielfalt der Lebensbedingungen und damit die Vielfalt der Arten.

Wer mit offenen Augen und ein wenig Sachverstand durch unsere Landschaft mit ihren Bächen und Flüssen geht, kann überall mit Händen greifen, dass wir keine Zeit mehr zu verlieren haben. Menschen, Tiere und Pflanzen bezahlen einseitiges Fortschreiten der Technokraten mit dem Verlust elementarer Lebensqualität.

Die ödp als engagierte Umwelt- und Familienpartei zeigt Wege auf für einen rücksichtsvollen Umgang mit der Natur. Auch deshalb, weil dieser Weg auf lange Sicht den größeren Nutzen verspricht. Erlebt man aber, was in unserem Umfeld täglich vorgeht, was weiterhin ober- und unterirdisch erschlossen und verbaut sowie ausgebeutet wird, dann empfindet man den Weg zu einer neuen Harmonie mit der Natur als noch sehr, sehr weit. Der vorstehende Beitrag soll dazu beitragen, dass er als notwendig erkannt und bewusst beschritten wird, damit wenigstens unsere Bäche und Flüsse wieder lebendig werden.

 

Wasserspeicher für unsere Wälder schaffen

Kleinrückhaltespeicher können das Regen- und Dränagewasser für Waldstandorte sinnvoll nutzen, bilden zusätzliche Lebensräume und fördern die Vitalität des Waldes

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 
Vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden Klimawandels lohnt es sich, darüber nachzudenken, inwieweit Dränagesysteme als Wasserspeicher für Waldflächen genutzt werden können und zusätzlichen Lebensraum für Tiere und Pflanzen bieten. Eine Idee zu den Top-Themen der Umweltdiskussion: Klimawandel und Biodiversität.


Die Rolle von Dränagen

Die Dränung wird vor allem in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt, damit Standorte mit Stau- oder Haftwasser früher abtrocknen und die Vegetationszeit (früher trocken im Frühjahr, länger trocken im Herbst) verlängert werden kann, bedingt durch eine Verbesserung der Belüftung des Bodens. Das Ziel der Dränung ist, möglichst deutliche Mehrerträge zu erhalten.
Die Dränung wird auf (Teil-) Flächen durchgeführt, die ohne Dränage überhaupt nicht land- oder forstwirtschaftlich nutzbar wären, wie beispielsweise Senken. Dies ist vor allem unter zunehmendem Maschineneinsatz wichtiger geworden, da ein Befahren bei zu hoher Wassersättigung des Bodens zu erhöhter Bodenverformung führt. Extreme Fahrspuren sind die sichtbare Folge, weiterhin die Zerstörung der Porenkontinuität durch Scherung und die Homogenisierung durch „Kneten“.
Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (= Graben, Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der Dränagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 % angelegt. Dadurch wird die Wasserbewegung innerhalb des Grund- und Stauwassers in Richtung auf den nächsten Wasserlauf beschleunigt und die Fließzeit verkürzt. Für die volle Wirksamkeit eines Dränsystems mittels offener Gräben sind die Dräntiefe und der Dränabstand entscheidend.
Noch vor rund 50 Jahren wurden etwa 10 000 Hektar allein in Westdeutschland jährlich neu dräniert. Vor dem Hintergrund der aktuellen Klimamodelle muss man die bisherige Rolle des Dränagegrabens kritisch hinterfragen. Wärmere und trockenere Sommer sowie mildere und feuchtere Winter sind schon heute zu beobachten. Damit ist die Forstwirtschaft im Sommer einem zunehmendem Wasserdefizit ausgesetzt. Sind die seit rund 200 Jahren auf den Kulturflächen millionenfach angelegten Dränagegräben noch richtig konzipiert? Während der Sommermonate, also genau zur Hauptvegetationszeit unserer Wälder, führen die offenen Dränagegräben meistens kein Wasser und in den niederschlagsreichen Monaten werden sie zur Dränung und Durchlüftung des Bodens nicht optimal genutzt.


Eine salomonische Lösung: Den Dränagegraben zum Wasserspeicher ausbauen

Die nahe liegende wie einfache Idee ist, das Niederschlags- und Dränwasser nicht durch ein Gefälle der Grabensohle zum Fließgewässer (Vorfluter) hin schnellstmöglich abzuleiten, sondern das Wasser zu speichern, indem das Gefälle „gekippt“ und der Entwässerungsgraben zum Grabenspeicher ausgebaut wird. Durch das „Kippen“ des Gefälles im Grabensystem erhalten die Dränagegräben ein „negatives“ Gefälle und werden zu Senken ausgebaut. Hiermit wird eine natürliche Wasserspeicherung im Gewässersystem selbst erreicht. Die Sohle eines solchen Grabenspeichers liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Fließgewässers. Die Absenkung soll mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle betragen, bei geeigneten hydrotopographischen und geomorphologischen Verhältnissen mehr (> 1 m). Damit ist gewährleistet, dass der ehemalige Wasserabzugsgraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gegeben ist. Neue Lebensräume von höchster Qualität können sich dadurch entwickeln.

 



Die gebräuchlichen Dränagesysteme sorgen zwar dafür, dass überschüssiges Wasser schnell aus dem Wald abtransportiert wird. Nach dem Abfluss bleibt das wertvolle Wasser jedoch vollkommen ungenutzt.

 
Das Ziel sollte sein, bisherige Wasserabzugsgräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, so genannten Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Geländehohlformen (Kubaturen) wie Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlags- und Sickerwassers genutzt werden. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge, des Sickerwassers und auch des Hochwassers zu speichern. Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Das bedeutet einen permanenten Kontakt mit dem Fließgewässer. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender. Das Retentionsnetz ist im Prinzip mit einer „Wasserschaukel“ vergleichbar.
Die Schemazeichnung „Gewässer-Systeme“ soll die grundlegende Idee des Kubaturen-Modells zur naturnahen Wasserspeicherung verdeutlichen. Die Idee beruht auf dem physikalischen Gesetz verbundener Gefäße (Kubaturen).
 

 
 

So kann die technische Umsetzung aussehen
Auf zahlreichen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen markieren die offenen Dränagegräben seit Generationen die Flurgrenzen. Dieses bestehende Grabensystem beansprucht in der Regel ca. 1 bis 2 % der Bewirtschaftungsfläche. Jedoch sind die meisten Dränagegräben mit einem Gefälle zum Fließgewässer hin ausgebildet und nicht als Senke ausgelegt. Mit einem Minibagger oder mittelschweren Bagger können die Dränagegräben zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für die Aufwertung eines solchen Dränagegrabens zu einem ökologisch höherwertigen Grabenspeicher liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Und es reicht, dann alle 10 bis 12 Jahre eine Entschlammung des Grabenspeichers durchzuführen.
Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle etwa 1 Meter betragen. Die Grabenlängen können oftmals bei mehreren hundert Metern liegen, angepasst an die hydrographischen oder geomorphologischen Verhältnisse.
Und hier ist der Bagger nicht als naturzerstörende Technik anzusehen, sondern als willkommenes Hilfsmittel des Naturschutzes, um gewisse „ökologische Sünden“ der Vergangenheit wieder auszugleichen.

 



Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine Länge von rund 200 m wird durch den natürlichen Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 1000 m³ Wasser gespeichert werden, welche ganzjährig zur Bewässerung von Kulturen oder als Löschwasser bei Bränden zur Verfügung stehen. Und „ganz nebenbei“ entsteht ein neues Biotop für die Aquafauna und -flora.

 
Aus alten Gräben entstehen neue Biotope
Am Anfang eines Grabenspeichers kann, falls möglich, durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner Grabenteich geschaffen werden. Dies verbessert die Lebensverhältnisse der Limno-, Amphibien- und Avifauna. Sehr schnell wird ein solcher Grabenteich von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen.
Bewährt haben sich abgeflachte Ufer, dann Wasserflächen von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr Metern. Bei Grabenlängen von mehreren hundert Metern können beispielsweise alle 100 Meter durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenspeichers weitere Grabenteiche gebildet werden.

Und ohne Zutun des Menschen bildet sich aus dem Grabenteich bald ein „Froschweiher“, eine so genannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte und an der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten Grabenteiche mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum, ein Mosaik unterschiedlichster Funktionsräume auf engstem Raum. Das begründet die Artenvielfalt (Diversität) und die Individuendichte (Abundanz).

Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass die Grabenspeicher und Grabenteiche ganzjährig mit Wasser gefüllt sind und dadurch eine Anbindung an das Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gegeben ist. Die so wichtige biologische Durchgängigkeit zum Fließgewässer für die Aquafauna, wie Fische und Wirbellose, ist ebenfalls gewährleistet.
Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume sichern vielen Tieren und Pflanzen das Überleben. Es wird auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme Kleinlebensräume, sog. Mikrohabitate, aneinanderstoßen.
 



Ein naturnah geschaffener Wasserrückhalteraum durch Aufweitung und Vertiefung des Profils eines ehemaligen Wasserabzugsgrabens zu einem Grabenteich. Neue Biotope für bestandsgefährdete Pflanzen- und Tierarten werden geschaffen, ebenso neue Fischhabitate. Durch den Wasserrückhalt wird weiterhin ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung von Hochwasserschäden geleistet.

 
Grabenspeicher mit bivalenter Funktion: Wasserspeicher und Wasserspender für die Forstwirtschaft
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in einem solchen Grabenspeicher, je nach Länge und Profil, tausend und mehr Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser Wassermengen stehen den Waldflächen und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung, insbesondere während den Trockenperioden. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten wird gesammelt und kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine natürliche Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Der kapillare Aufstieg ist der umgekehrte Vorgang der Infiltration. Das Wasser stammt aus dem Grabenspeicher und bewegt sich nach oben.
Ein in den Sommermonaten periodisches, längeres Trockenfallen der konventionellen Dränagegräben lässt dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg zusammenbrechen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt. Im Gegensatz dazu übernimmt der Grabenspeicher als perennierendes Gewässer in den Sommermonaten die Funktion eines Wasserspenders, da hier dem Waldboden (Vadose-Zone) das so wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg kontinuierlich zugeführt wird. Man erkennt den Aufstieg des Kapillarwassers im Boden am Aufwärtsverlegen der Befeuchtungsfront.
Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser ebenso für eine künstliche Bewässerung von Kulturflächen eingesetzt werden.

Aufgrund der Klimaerwärmung wird die Häufung und Verlängerung von Trockenperioden zunehmen und damit die Wahrscheinlichkeit von Niedrigstwasserständen in den Fließgewässern. Das Retentionsnetz wirkt hier ebenfalls als stabilisierender Faktor für den Landschaftswasserhaushalt bis hin zur Milderung der Austrocknung von Bächen und Flüssen (Ausgleich von Trockenzeiten).
Auch das Kleinklima kann von diesen Bedingungen beeinflusst und nachhaltig verändert werden. Spätfrostschäden treten häufiger auf, wenn die frostmildernde Wirkung der Wasserspeicher in den Waldstandorten fehlt. Die Pflanzen sind stärkeren Schwankungen ausgesetzt und sie werden dadurch anfälliger.


Bodengefüge und Waldwachstum wird verbessert

Weiterhin führt der hier seit mehr als 40 Jahren aus der Praxis heraus entwickelte Grabenspeicher (Kubaturen-Modell) zu einer Verbesserung der Dränung und damit besseren Durchlüftung des Bodens, weil die Absenkungstiefe des Speichergrabens über die gesamte Länge konstant bleibt im Gegensatz zum konventionellen Dränagegraben, bei welchem die Absenkungstiefe aufgrund des Gefälles der Grabensohle kontinuierlich abnimmt. Am Grabenbeginn ist die Absenkungstiefe gleich Null, am Grabenende befindet sich der tiefste Punkt beim Übergang des Grabens in den Vorfluter. Dabei ist die Luft im Boden ein wesentlicher Wachstumsfaktor und ebenso wichtig wie das Wasser. Die Atmung der Pflanzenwurzeln, das bedeutet Aufnahme von Luftsauerstoff, ist eine elementare Vorbedingung für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen durch die Pflanze.
Werden vor allem grund- oder staunasse Böden entwässert, so führt dies zu einer verbesserten Durchlüftung, sodass Pseudovergleyung und Vergleyung gehemmt werden und Grundwasserböden in Landböden für eine Aufforstung überführt werden können.

Mit einer Meliorationsmaßnahme ist im Allgemeinen nicht nur eine Verbesserung des Lufthaushaltes verbunden, sondern für viele Kulturpflanzen ebenso eine Vergrößerung des Wurzelraumes. Hierdurch steigt indirekt auch die Wasserspeicherfähigkeit an.
Die erhöhte Durchlüftung des Bodens führt weiterhin zu einer Verbesserung des Wärmehaushaltes. Entwässerte Böden sind wärmer, einerseits wegen des geringeren Wärmeentzugs durch Verdunstung, wie andererseits durch eine verringerte Wärmespeicherkapazität. Mit der besseren Durchlüftung in Zusammenhang steht eine erhöhte Aktivität von Bodenorganismen und insgesamt eine Gefügeverbesserung des Bodens.

Der positive Einfluss der Grabenspeicher auf das Baumwachstum konnte über einen Zeitraum von 40 Jahren ausnahmslos beobachtet werden. Die Messergebnisse zeigen am Waldbestand eindeutige Wuchssteigerungen und Holzzuwächse im Vergleich zu den Referenzflächen. Eine deutliche Zunahme des Brusthöhendurchmessers (BDH) konnte insbesondere bei 20-jährigen Roterlen (Alnus glutinosa) festgestellt werden. Dieser lag bei Baumreihen entlang der Grabenspeicher um mehr als das Doppelte höher im Vergleich zu Beständen abseits der Grabenspeicher. Das sind handfeste wirtschaftliche Gründe, die für den Grabenspeicher sprechen. So wäre es für die Forstwirtschaft eher ein Segen, sich vom konventionellen Dränagegraben als technische Entwässerungs- und Wasserbeschleunigungsrinne zu verabschieden und dafür mit dem Wasser haushälterisch umzugehen: Das Wasser zurückzuhalten, muss oberste Prioriät haben.


Grabenspeicher als Feuerprävention

Durch die hydrologische Vernetzung des Grabenspeichers sowie der anderen Retentionsräume (Kubaturen) mit dem Fließgewässer (Bach, Fluss) ist ein permanenter Wasserspeicher gewährleistet, was bei den bislang vorhandenen Dränage- und Wassergräben nicht gegeben ist. Diese sind deshalb für eine Wasserspeicherung nicht geeignet, weil sie im Allgemeinen periodisch und vor allem in den Sommermonaten überP einen längeren Zeitraum trockenfallen (temporäres Gewässer).
Die Grabenspeicher und Grabenteiche sowie anderen Retentionsräume führen als perennierendes Gewässer deshalb ganzjährig Wasser, weil deren Sohle grundsätzlich tiefer liegt als die Sohle des Vorfluters (Fließgewässer), also des Baches oder Flusses. Damit eignen sich diese Wasserrückhaltespeicher auch für eine Löschwasserversorgung bei einem Waldbrand. Selbst bei einer stunden- oder tagelang anhaltenden Wasserentnahme für eine Brandbekämpfung würde die Löschwasserversorgung nicht zusammenbrechen, einmal wegen der permanent vorhandenen hohen Wasserkapazität im Retentionsnetz selbst und weil wegen der hydraulischen Vernetzung stetig Wasser aus dem Bach, Fluss, Strom oder See nachfließt.

Die weitergehende Vernetzung und der Ausbau mit bereits natürlich vorhandenen Retentionsräumen wie Mulden, Senken, Tümpeln, Rigolen, Sölle, Teiche und Weiher schaffen zusätzliche Wasserspeicherkapazitäten, um selbst gegen größere Naturkatastrophen wie Dürren, Feld-, Wald- und Torfbrände in einer professionellen Weise vorgehen zu können.


Wasser – das Lebenselement der Erde

„Ohne Wasser kein Leben.“ Diese Kurzformel hebt die unvergleichbare Bedeutung des Wassers als Lebenselement hervor. Wasser ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Pflanzen, Tiere und Menschen könnten ohne Wasser nicht existieren, wären ohne Wasser nie entstanden.
Da uns insgesamt nur 0,3 % des weltweiten Wasservorrates zur Verfügung stehen, ist ein haushälterischer und vernünftiger Umgang mit einer unserer wichtigsten Lebensgrundlagen gefragt. Grabenspeicher und Grabenteiche bieten mit einer ganzen Reihe von Vorteilen für den Wald und dessen Ökosysteme eine Möglichkeit dafür. Damit würden die Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes unterstützt und als solche im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie nachhaltig verfolgt.
Wenn in den nächsten Jahren über eine neue Verteilung der EU-Gelder auch für Umweltmaßnahmen nachgedacht wird, wäre dies eine lohnende Option.

 

 

Wiesengraben – Technische Wasserrinne oder
ökologisch wertvoller Lebensraum?

Ein Praxisbericht zur ökologischen Aufwertung von
Entwässerungsnetzen, zur Schaffung von Laichgründen und
Kleinfischhabitaten.

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

Kleingewässer und ihre stiefmütterliche Behandlung
Quellen, Gräben, Bäche und Flüsse sind die Lebensadern unserer Landschaften. Und letztlich ist jeder noch so kleine Graben und das darin wegfließende Nass mit dem globalen Wasserhaushalt vernetzt.
Wasser ist unsere wichtigste Lebensgrundlage. Aber wie gehen wir damit um? Jahrhunderte lang wurde das Wasser aus der Landschaft getrieben, als ob es der Feind des Menschen wäre. Generationen von Wasserbau-Ingenieuren haben daran gearbeitet, das Wasser immer schneller aus unserem Land herauszubringen. Mit Beginn des 19ten Jahrhunderts wurden die Fließgewässer in Deutschland nahezu systematisch reguliert, das heißt begradigt, verbreitert und tiefer gelegt. Bäche, Gräben, Rinnsale und andere Fließgewässer wurden in Betonschalen gezwängt oder ganz unter die Erdoberfläche verbannt und verrohrt, wie an zahlreichen Dorf- und Stadtbächen geschehen. Und leider wurden weiterhin unzählige dieser Lebensadern auch so umgebaut, dass sie sich von Kanälen in nichts unterscheiden. Deshalb braucht es niemanden zu wundern, dass natürliche Bach- und Flussläufe, krautreiche Wiesengräben, aber auch Seen, Weiher, Teiche, Tümpel inzwischen zu einer Rarität geworden sind.
Durch die technischen Maßnahmen wie Begradigungen, Ufer- und Dammverbauungen hat der Mensch gravierend in den Naturhaushalt der Gewässer eingegriffen und so das Erscheinungsbild ganzer Landschaften verändert. Die Folgen haben wir bereits zu spüren bekommen: Weil die natürlichen Überschwemmungsgebiete entlang der Fließgewässer ihre Funktion nicht mehr erfüllen können, häufen sich die hausgemachten Hochwasser-Katastrophen. Doch auch die stillen Veränderungen wie der schleichende Artenschwund der an und in Fließgewässern lebenden Tiere und Pflanzen müssen uns alarmieren.
Die nachhaltigste Gefahr stellt natürlich die Beseitigung dar, die Lebensraumzerstörung. Man sollte meinen, in einer Zeit allgemein gestiegenen Umweltbewusstseins (zumindest in Umfragen) und wo die Begriffe „Biotop“ und „Biotopschutz“ in niemandes Wortschatz fehlen, sei dies kein Problem mehr. Dem ist offensichtlich leider nicht so. Denn mit erheblichen staatlichen Zuschüssen wurden in weiten Bereichen unseres Landes über 90 Prozent der Kleingewässer trockengelegt oder im Zuge der Flurbereinigung beseitigt. Für den Großmaschineneinsatz in der Landwirtschaft wurden Kleingewässer als Hindernisse für die Bewirtschaftung angesehen und solche Standortnachteile sind insbesondere nach 1950 systematisch behoben worden.
Auch bei „einzelbetrieblichen Meliorationen“ wurden viele dieser unzähligen Klein- und Kleinstgewässer meist in trockenem Zustand ohne viel Aufhebens verfüllt. So ist eben mancher Wiesengraben mit wertvollen Laichkräutern im Sinne einer „Heilung“ dieser Landschaftswunden klammheimlich über Nacht verschwunden. Lautlos ist dann wieder ein Gewässer-Biotop gestorben.
Ehemalige Torfstiche und Mergelkuhlen, da meist in entlegenen Ecken einer Landschaft liegend, dienten oft sogar als willkommene, kostenlose Müllkippen.

Ehemaliger Weiher bei Altshausen-Stuben, gelegen am nordwestlichen Rand des Naturschutzgebietes Dolpenried. Wilde Müllablagerungen und andere diverse Abfallprodukte, u.a. sogar Gefahrstoffe (giftige Chemikalien), sind die unerfreulichen Spuren unserer Zivilisation, welche Kleingewässer und damit Lebensräume für Gewässerflora und –fauna vernichten.

 

Warum Kleingewässer schützen?
Stehende Kleingewässer wie Weiher, Teiche, Tümpel und Altwässer sowie kleine Fließgewässer wie Dorfbach, Entwässerungs- und Wiesengraben können Heimat und Lebensgrundlage sein für weit über 1 000 Tierarten, darunter viele Kleintiere, und für über 200 Pflanzenarten. Allein über 2 000 Insektenarten sind auf Süßwasser angewiesen, darunter auch viele vom Aussterben bedrohte Insektenarten wie Großlibellen oder Schwimm- und Wasserkäfer. Die 19 bei uns heimischen Amphibien (Frösche, Kröten, Molche) sind ebenso wie viele Vogelarten auf Kleingewässer angewiesen.
Amphibien spielen eine wichtige Rolle im Naturhaushalt, da sie zum einen den Bestand an Insekten und anderer Kleintiere regulieren und zum anderen selbst die Nahrungsgrundlage für Storch, Ringelnatter und Reiher, aber auch von Eulen, Gelbrandkäfer, Igel, Dachs und vieler anderer Tiere darstellen.

Kleingewässer sind somit wichtige Ausgleichsräume in unserer intensiv genutzten Landschaft.

Die Wiesengräben – Künstliche Fließgewässer
Die natürlichen oder ehemals natürlichen Bach- und Flussnetze wurden – fast kann man sagen seit Jahrtausenden – ergänzt durch ganz unterschiedliche Formen von künstlichen Fließgewässersystemen, die ausschließlich dazu da waren oder sind, dem Menschen zweckdienlich zu sein. So auch der Wiesengraben. Er ist primär ein Zweckbau im Sinne eines Entwässerungsgrabens, welcher Bodenwasser, Grundwasser, Hangwasser oder Quellwasser sammelt und in einen anderen Graben oder Bach abführt. Sein Verlauf ist meistens gestreckt, allenfalls leicht gekrümmt. Die Breite reicht von wenigen Dezimetern bis zu mehreren Metern und sein Profil ist meist kasten- oder trapezförmig. Vielfach markieren die Wiesengräben die Grenzen von landwirtschaftlichen Flurstücken.

Zur ökologischen Bedeutung von Wiesengräben
Zweckbau heißt, dass ökologische Überlegungen oder die Überlegung, möglichst naturnah zu gestalten, beim Bau überhaupt keine Rolle gespielt haben. Dies ist erst seit etwa 1980 ein Thema. Der Wiesengraben ist damit nicht an Natürlichkeitsmaßstäben zu messen wie ein Bach. Er hat eher eine technisch-ökonomische und daher eine technikgeschichtliche und wasserbauhistorische Bedeutung. Ökologische Belange können bei einer Bewertung des Wiesengrabens eine Rolle spielen, müssen aber nicht. Das heißt jedoch nicht, dass man dieses Gewässer nicht ökologisch aufwerten kann.
Allgemein ist die Diskussion über Entwässerung/Entwässerungsgräben recht ambivalent, da einerseits – und das ist ursprünglich der Zweck dieses Grabentyps – Flächen, das heißt Feuchtgebiete mehr oder weniger trockengelegt und Sumpfquellen geradewegs abgeleitet werden.
Andererseits sind aber viele Gräben wiederum selbst äußerst wertvolle Lebensräume für eine Vielzahl von Organismen. Der Wert wird bestimmt vom Wasserhaushalt der Fläche, der Art des Grabens (tief oder flach, trapez- oder U-förmig usw.), der Art und Intensität der Grabenpflege und der angrenzenden Nutzung.
Alle diese Gräben wurden in Landschaften mit hoch anstehendem Grundwasser oder mit Staunässeböden angelegt, um land- und forstwirtschaftliche Flächen besser kultivieren zu können oder aber um Quellwasser an einem Hang oder an einer Straßen- oder Eisenbahntrasse aufzufangen.
Alte Wiesengräben, die nur alle fünf Jahre geräumt werden und im extensiven Grünland liegen, sind außergewöhnlich reich an Tierarten. Man fand hier unter anderem mehr als 20 Fischarten, 27 Libellen-, 38 Schwimmkäfer und 21 Schneckenarten. Strukturell und faunistisch am reichhaltigsten waren die Gräben, in denen die Krebsschere dominierte. Etwas andere Qualitäten besitzen die breiten Hauptentwässerungsgräben (Fleets), die neben einer reichen Fisch- und Amphibienfauna für etliche Vogelarten als Nahrungsbiotop eine größere Bedeutung besitzen.

Damit können Wiesengräben wie allgemein Klein- und Kleinstgewässer in der Gewässerökologie eine wichtige Rolle spielen. Als seitlicher Zufluss von größeren Gewässern dienen sie für bestimmte Fischarten als Laichplatz und sind als „Kinderstube“ von hoher Bedeutung für eine Selbstreproduktion. Weiterhin sind sie Lebensraum von verschiedenen Kleinfischarten.   
Allerdings sind die Gräben faunistisch sehr viel weniger wertvoll, wenn die angrenzenden Flächen intensiv landwirtschaftlich genutzt werden und zugleich auf Gewässerrandstreifen verzichtet wird.

Die ökologische Aufwertung von Wiesengräben
Entwässerungsgräben werden in der Praxis mit einem Gefälle von 1 bis 2 % zum Fließgewässer hin angelegt. Vor allem in den Sommermonaten ist eine Konstanz der Wasserführung nicht mehr gegeben. Ein periodisches, teilweise längeres Trockenfallen ist die Folge. Dies beeinträchtigt die Qualität als Lebensraum erheblich.
Die Erfahrung zeigt, dass ein permanent anstehender Wasserspiegel in den Gräben und Grabensystemen die Voraussetzung ist für die Entwicklung von Lebensräumen mit hoher ökologischer Qualität.
Es stellt sich somit die Frage, wie mit einfachen Mitteln dem Trockenstress in den Sommermonaten begegnet und dadurch das Graben-Ökosystem aufgewertet werden kann.
Die einfache Idee hierzu ist, das Drainagewasser nicht durch ein  Gefälle der Grabensohle zum Fließgewässer hin schnellstmöglich abzuleiten, sondern das Wasser zu speichern, indem das Gefälle „gekippt“ und der Entwässerungsgraben zum Speichergraben (Senke) ausgebaut wird. Die Sohle eines solchen, ökologisch aufgewerteten Grabens (= Wiesengraben) liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Fließgewässers. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist gewährleistet, dass der Wiesengraben ganzjährig mit Wasser gefüllt ist und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gewährleitet ist. Neue Lebensräume von höchster Qualität können sich dadurch entwickeln.

Was unterscheidet den Drainagegraben vom Wiesengraben?
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Drainagegraben und Wiesengraben liegen im Wasserhaushalt und dem Wasserspeichervermögen begründet, weiterhin in der ökologischen Bedeutung.
Während der Wiesengraben sich durch eine permanente Wasserspeicherung auszeichnet (perennierendes Gewässer), liegen beim Drainagegraben vor allem in den Sommermonaten stärkere Wasserstandsschwankungen und gelegentliches, im Allgemeinen periodisches, längeres Trockenfallen vor (temporäres Gewässer). Das Wasserspeichervermögen im Wiesengraben kann je nach Bauart um bis zu Faktor 20 höher sein als im Drainagegraben.
Der Wiesengraben führt als perennierendes (ausdauerndes) Gewässer ganzjährig Wasser und ist somit in der Lage, eine dauerhaft eigenständige aquatische Lebensgemeinschaft zu beherbergen. Aquatische Pflanzen mit einer längeren, teilweise mehrjährigen Entwicklung im Wasser kommen nur hier vor und fehlen weitestgehend in den periodisch austrocknenden Drainagegräben. Analoges gilt weitgehend auch für die Aquafauna. Diese Merkmale begründen die hohe ökologische Bedeutung der Wiesengräben.

Mit einfachen Mitteln können neue Kleingewässer entstehen
Bei zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen markieren die Drainagegräben seit Generationen die Flurgrenzen. Dieses bestehende Grabensystem beansprucht in der Regel ca. 1 bis 2 % der landwirtschaftlichen Fläche. Jedoch sind die meisten Drainagegräben mit einem Gefälle zum Fließgewässer hin ausgebildet und nicht als Senke ausgelegt. Mit einem Minibagger können die Drainagegräben zu Senken (= Wasserspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für die Aufwertung eines solchen Drainagegrabens zu dem ökologisch höherwertigen Wiesengraben liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Und es reicht, dann alle 8 bis 10 Jahre eine Entschlammung des Wiesengrabens durchzuführen. Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone kann 2 Meter, an der Grabensohle 1 Meter betragen. Am Ende eines Wiesengrabens ist -falls möglich- die Aufweitung und Vertiefung des Grabenprofils zu einem kleinen Weiher mit abgeflachten Ufern unbedingt zu empfehlen. Bewährt haben sich Wasserflächen von 20 bis 100 Quadratmetern und einer Tiefe von 1 bis 2 Metern.
Und hier ist der Bagger nicht als naturzerstörende Technik anzusehen, sondern als willkommenes Hilfsmittel des Naturschutzes, um zahlreiche Sünden der Vergangenheit wieder auszugleichen.

Ein neuer Lebensraum entsteht
Sehr schnell wird ein solch neu entstandener kleiner Weiher von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen, wie zum Beispiel für die stark gefährdete Karausche (Carassius carassius), dem Fisch des Jahres 2010. Den neu geschaffenen Lebensraum kann sich die Karausche mit anderen Fischarten teilen, wie mit Schleie (Tinca tinca), Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis), Moderlieschen (Leucaspius delineatus) und dem vor rund 30 Jahren nach Europa eingeschleppten Giebel (Carassius gibelio).  

Und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“, eine sogenannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte und an der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten Wiesengräben mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum.
Wasservögel besuchen ein solches Biotop stundenweise und zum Teil wird auch gebrütet (z.B. Krickente). Und für den Storch ist der Wiesengraben ein wichtiges Nahrungsbiotop. 
Das Beispiel zeigt, dass es mit einfachen Mitteln und einem überschaubaren Aufwand möglich ist, Gewässer-Biotope zu sanieren oder neu zu schaffen. Vor allem an kleineren Gewässern, wie am Wiesengraben, lassen sich innerhalb eines kurzen Zeitraums sichtbare Erfolge erzielen.

 

Ein Beispiel für einen naturnah geschaffenen kleinen Weiher durch Vertiefung und Aufweitung des Profils eines ehemaligen Drainagegrabens. Dadurch ist unter anderem ein neuer Lebensraum für eine stark gefährdete Kleinfischart, die  Karausche, entstanden.

 

Laichgründe schaffen
Die Schaffung solcher neuen Lebensräume kommen nicht nur gefährdeten Tier- und Pflanzenarten zugute, sondern es entstehen auch neue Laichmöglichkeiten. Durch das kleinmaschige Gewässernetz aus krautreichen Wiesengräben entsteht eine ökologisch wertvolle Biotopvernetzung, welche den Graslaichern hervorragende Möglichkeiten bietet, ihren Laich abzulegen. Die ausgeschlüpften Brütlinge von Hecht, Barsch und Cypriniden finden dann ideale Habitate in solchen Wiesengräben.
Diese seichten und vielfach auch gut strukturierten Kleingewässer eignen sich auch deshalb als hervorragende Laichplätze, weil sich in solchen Gewässernetzen die Brutfische, geschützt vor Hochwasser und Fraßdruck, ungestört entwickeln können um dann, wenn sie größer werden, ins Hauptgewässer abzuwandern.
Bekannt ist, dass bei verschiedenen Fischarten die natürliche Vermehrung stark leidet. Nur die Herstellung von Laichgründen, verbunden mit der Wiederherstellung von geschützten Jungfischhabitaten, kann die verloren gegangene Selbstreproduktion wieder zurückbringen. Gehen wir es mit vereinten Kräften an!

Schutz und Pflege
Die Biotop-Neuschaffung hat letztlich nur dann einen Sinn, wenn Gefahren von außen erkannt und möglichst abgewendet werden. Ist der Wiesengraben zwischen intensiv bewirtschafteten Wiesen und Äckern eingezwängt, so ist die Gefahr von Dünger- und Pestizideinträgen groß, was insbesondere die Gewässerfauna erheblich beeinträchtigt. Hier muss die Anlage von Gewässerrandstreifen zur Pflicht werden. Denn alle Belastungen, die wir auch dem Wiesengraben antun, sind letztlich global wirksam. Der Umgang selbst mit einem unserer kleinsten Fließgewässer, dem Wiesengraben, der nur scheinbar alles von uns wegträgt, dokumentiert in ganz besonderer Weise, ob wir in der Lage sind, in großen Zusammenhängen zu denken und zu handeln. Dass wir davon ein ganzes Stück entfernt sind, zeigt der Blick auf unsere oftmals stark degradierten Gewässersysteme.

Gewässer und Landschaft
Durch die vorstehend beschriebenen Möglichkeiten zur ökologischen Aufwertung von Wiesengräben werden nicht nur neue Kleingewässer und Laichgründe geschaffen, sondern es wird ein Netz an naturnahen Wasserrückhaltespeichern entstehen. Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume kommen übrigens nicht nur gefährdeten Fischarten wie der Karausche zugute, sondern sichern vielen anderen Arten (Vögel, Amphibien, Libellen u.a.), die durch menschliche Eingriffe in die Gewässerstrukturen in ihrem Fortbestand gefährdet sind, das Überleben. Es wird damit ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinander stoßen. Und solche, technisch einfach durchführbaren Maßnahmen zur Biotop-Neuschaffung sind sicherlich im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zur Erreichung eines guten ökologischen Zustandes.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens inmitten einer durchaus als monoton und uniform bezeichneten Kulturlandschaft zu liegen kommen. Denn oftmals bilden die Wiesengräben die einzigen aquatischen und amphibischen Biotope in einer ausgeräumten Agrarlandschaft und sind Überwinterungshabitate von Amphibien. Damit werden neue, wertvolle ökologische Zellen in eine Kulturlandschaft eingegliedert.

Der Schutz und die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger und naturnaher Kleingewässer wird zukünftig nicht nur eine wesentliche Aufgabe der Wasserwirtschaft sein, sondern erfordert ebenso eine intelligente Zusammenarbeit mit den verschiedensten Verbänden, Organisationen und Behörden. Hier gibt es vielfältige Möglichkeiten mit dem „Nachbarn“ zusammenzuarbeiten, um die fachliche, finanzielle und personelle Leistungsfähigkeit der eigenen Gemeinde zu stärken. Und am besten funktioniert es, wenn alle an einem Strang ziehen: Kommunen, Verwaltung, Eigentümer, Fischerei, Planungsbüro u.a.
Gehen wir es gemeinsam mit Sinn und Verstand an. Die ödp ist auf jeden Fall mit dabei.

 

 

Brand- und Klimaschutz
können gleichzeitig Naturschutz sein

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Hitzewellen im Sommer, Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen und schneefreie Winter: Wissenschaftler sind der Überzeugung, dass der Klimawandel auch in Deutschland bereits seine Spuren hinterlassen hat. Zu den Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel kann das Anlegen von Wasserspeichern und Löschteichen gehören, um der zunehmenden Gefährdung von Feldern und angrenzenden Wäldern durch Brände bei Trockenheit schnell zu begegnen. Eine einfache Möglichkeit zur effizienten Bekämpfung der Feuersbrunst von Wald- und Torfbränden am Beispiel Russlands beschreibt der nachfolgende Bericht.
Und ganz nebenbei, quasi als Nebeneffekt, würden zahlreiche Biotope und Fischhabitate entstehen. Es gibt wohl keine schönere und lebendigere Möglichkeit, technische Funktionen wie Wasserspeicher und Löschteiche mit den vielfältigsten naturnahen Lebensräumen zu verknüpfen. Ebenso werden die sich daraus resultierenden, vielfältigen Synergien für Mensch, Natur und Landschaft aufgezeigt.

 

Ein aus einer 40-jährigen Praxis heraus entwickeltes, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept wird hier vorgestellt, um die jährlich wiederkehrenden, zum Teil verheerenden Wald- und Torfbrände vor allem in Russland zu minimieren. Die Idee besteht im Aufbau einer Vielzahl kleiner, hydrologisch vernetzter Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche, indem die bereits vielfach vorhandenen Drainagegräben in ihrem Gefälle gekippt und zu Wasserspeichern („Grabenteiche“) ausgebaut werden. Dadurch entstehen millionenfach kleinere Löschwasserteiche, welche mehr oder weniger gleichmäßig über die gefährdeten Regionen verteilt sein werden. Das notwendige Löschwasser kann jederzeit mittels mobiler Pumpen relativ einfach und vor allem schnell zu jedem Punkt einer Brandstelle gebracht werden.
Durch die ökologische Aufwertung der Entwässerungsnetze werden zusätzlich neue Lebensräume für die Aquafauna und –flora geschaffen, insbesondere entstehen neue Kleinfischhabitate und die so wichtigen Laichgründe für eine Selbstreproduktion.

 

1 Ursachen für die Wald- und Torfbrände
Wald- und Torfbrände gehören zu den unberechenbarsten Katastrophen und der Kampf gegen die Flammen ist oft verzweifelt und aussichtslos. Ausgelöst werden diese Naturkatastrophen durch Blitzeinschläge in Kombination mit langen Dürre- und Trockenperioden. Doch die meisten Waldbrände werden inzwischen allerdings vom Menschen ausgelöst. Und Russland macht da keine Ausnahme. Viele Wälder und Fluren sind übersät mit wilden Feuerstellen, an denen Schaschlik gegrillt wird. Auch achtlos weggeworfene Zigaretten oder Streichhölzer haben dabei schon eine Vielzahl von schweren Bränden verursacht. Weiterhin sind gezielte Brandstiftung und purer Vandalismus weltweit immer öfter schuld an Brandkatastrophen. Experten gehen davon aus, dass nur noch 10 Prozent aller Waldbrände auf eine natürliche Entzündung durch Blitze zurückzuführen sind.
In Russland brennt allerdings nicht nur der Wald, sondern auch der Torfboden, auf dem die Bäume stehen. Torf ist ein organisches Sediment, das überwiegend aus Torfmoosen besteht. Im getrockneten Zustand ist Torf ein exzellenter Brennstoff, genau wie Heu oder Stroh, und erreicht einen Heizwert von 20–22 MegaJoule/kg, ähnlich wie Braunkohle. Und so hält der torfige Untergrund die Feuer in Gang.

2 Entwässerte Moore begünstigen Brände
Solange die Moore in ihrem ursprünglichen Zustand nass waren, konnten sie nicht brennen. Doch in den letzten 100 Jahren, vor allem nach 1930, sind sie nach und nach trockengelegt worden. Die gewaltigen Landflächen konnten jetzt als Äcker, Wiesen oder Wälder genutzt werden. Und das sind mehr als 10 Prozent der Fläche Westrusslands, was ungefähr dem 1,2fachen der Fläche Deutschlands entspricht.
Durch die Grundwasserabsenkung konnte Torf in großen Mengen abgebaut werden, um ihn als fossilen Brennstoff zu nutzen oder als Rohmaterial für den Gartenbedarf nach Mitteleuropa zu exportieren.
So sind im europäischen Russland Regionen entstanden, in der es die größten Torfflächen der Welt gibt und damit sind die Voraussetzungen für verheerende Wald- und Torfbrände gegeben. In der Regel wird Torf dort in Brand geraten, wo das Grundwasser künstlich abgesenkt worden ist, kein Regen in der Trockenperiode fällt und wo ein Waldbrand wütet. Hohe Lufttemperaturen, geringe Luftfeuchtigkeit sowie Wind begünstigen die Entzündung. So kam es 2010 in Russland zu Hunderten dieser riesigen Torffeuern.

Torffeuer sind weltweit ein Dauerproblem. Vor allem in den mächtigen Mooren Südostasiens können sie mehrere Jahre schwelen. In Russland gehen die Brände derzeit nur an wenigen Stellen in tiefere Bodenschichten. Aber auch da braucht es riesige Mengen an Löschwasser, um einen solchen Brand in den Griff zu bekommen.

3 Verlauf der Wald- und Torfbrände in Westrussland 2010
Insgesamt brannten auf einer Fläche von 196 000 Hektar zwischen Karelien, Woronesch und der Region südöstlich von Moskau geschätzte 700 Feuer. Es waren zeitweise über 240.000 zivile Rettungskräfte, davon 162.000 Feuerwehrleute und mehr als 2.000 Armee-Angehörige sowie 54 Löschflugzeuge im Einsatz. Weiterhin stellte die russische Regierung alle 300 Löschfahrzeuge ihres Heeres zur Verfügung.
Des Weiteren wüteten große Torffeuer in den Moorlandschaften um Moskau, was die Lage zusätzlich verschärfte. In weiten Teilen Russlands herrschte von Ende Juni bis Mitte August 2010 die größte Hitze seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren. So wurden am 2. August in der Stadt Woronesch 44 Grad Celsius gemessen, in der Region entlang des Stromes Wolga 42 °C, einem der Hauptzentren der Brandkatastrophe. Die schnelle Ausbreitung der Brände wurde durch den vertrockneten torfigen Untergrund begünstigt.

Die Auswertung von Bildern der NASA-Satelitten Aqua und Terra ergaben Anfang August bis zu 564 tagesgleiche Brände, welche sich am 9. August auf 442 Brände reduzierten. Am 14. August 2010 wurden jedoch immer noch 368 Wald- und Torfbrände in Russland registriert. So erklärte das russische Katastrophenministerium im August 2010, dass wohl 239 bestehende Feuer gelöscht wurden, jedoch innerhalb der vergangenen 24 Stunden 247 neue Brände ausgebrochen sind. Damit ist die Dramatik dieser katastrophalen Brände nicht mehr zu überbieten. Selbst der russische Ministerpräsident Wladimir Putin hat sich am 10. August 2010 höchstpersönlich als Feuerbekämpfer erfolgreich betätigt, indem er als Co-Pilot die Wasserladung eines Löschflugzeuges zielgenau über einer Feuerbrunst im Gebiet Rjasan, ca. 150 km südöstlich von Moskau, abwarf.

4 Schadensbilanz
Laut offiziellen Angaben forderten die großflächigen Wald- und Torfbrände in Westrussland im Juli und August 2010 mindestens 62 Tote, wobei Hilfsorganisationen von mehr Opfern ausgehen. Ganze 52 Dörfer und 3.200 Häuser wurden vernichtet. Nach längerem Zögern räumten die russischen Behörden ein, dass die Brände auch in radioaktiv verstrahlten Gebieten wüteten. Allein in der Region Brjansk wurden 28 Wald- und Torfbrände auf einer Fläche von 269 Hektar am 06. August 2010 gezählt. Diese Umgebung, nahe dem Grenzgebiet zur Ukraine und Weißrussland, gehört zu den gefährlichsten Gebieten der Welt. Bekanntlich kam es dort 1986 zur Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl. Zudem hatte es auch in anderen radioaktiv verstrahlten Gegenden gebrannt, wie etwa in Tscheljabinsk am Ural, wo sich ebenfalls mehrere Reaktoranlagen befinden. Ebenso ist ein weiteres, befürchtetes Szenario eingetroffen: Die Brände haben auch das stark radioaktiv kontaminierte Gebiet von Majak erreicht. Dort hatte sich 1957 eine atomare Katastrophe in der Wiederaufbereitungsanlage und dem Lager von radioaktivem Material ereignet.

Die wochenlang andauernden Wald- und Torfbrände hatten darüber hinaus alarmierende Folgen für das Weltklima. Nach Schätzungen des GeoBio-Centers der Ludwig-Maximilians-Universität in München wurden bis zu 100 Millionen Tonnen klimaschädigendes Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Das entspricht ca. 12 Prozent der Jahresemission Deutschlands.
Verheerende Auswirkungen hatten insbesondere die Torfbrände, deren Schadstoffbelastung um ein Vielfaches höher ist als die aus brennenden Wäldern. Der dichte Qualm aus brennenden Mooren enthält neben dem Kohlenstoffdioxid das äußerst giftige Gas Kohlenstoffmonoxid. Hinzu kommt noch eine extreme Feinstaubbelastung (Rauchpartikel), welche vermutlich Tausenden von Menschen das Leben kostete.
Der Feinstaub der Torfbrände hatte nicht nur schlimme Auswirkungen für die Menschen und Tiere in der Katastrophen-Region. Die Gefahr für das Klima wird durch die freigesetzten Rußpartikel zusätzlich verstärkt. Denn die extrem feinen Partikel halten sich sehr lange in der Atmosphäre und können bis zur Arktis getragen werden, wo sie die Eisschmelze weiter beschleunigen. Das wäre dann ein weiterer, sehr unerwünschter Klimaeffekt.
Der Heizwert des verbrannten fossilen Materials liegt bei ca. 500 PetaJoule, das sind 500 Billiarden Joule. Rechnet man diese Energiemenge äquivalent auf Heizöl um, dann ist ein Energiepotenzial in Höhe von ca. 14 Milliarden Euro nutzlos verbrannt worden.
Ökonomisch bedeuten die Brände für die russische Regierung hohe Einbußen, da es mindestens etwa 50 Jahre, eher 100 Jahre dauern wird, bis in den Brandgebieten wieder Nutzungskonzessionen für den Holzeinschlag vergeben werden können.

Russland gehört neben der Europäischen Union, Australien und der USA zu den weltgrößten Getreide-Exporteuren mit einem Exportumfang von jährlich rund 22 Millionen Tonnen. Die russische Regierung verhängte am 5. August 2010 ein Exportverbot für Getreide aufgrund der Dürren und Brände. Der russische Getreideausfall durch Brände und Dürren lag bei rund 30 Prozent, was einer Tonnage von mehr als 30 Millionen entspricht. Dadurch stiegen die Weltmarktpreise für Getreide, insbesondere bei Weizen, ab Juli 2010 rasant an. Die Brotpreise sind innerhalb kurzer Zeit um deutlich über 20 % gestiegen, teilweise um bis zu 35 %.

Experten aus Russland, ebenso aus Westeuropa, schätzen den materiellen und volkswirtschaftlichen Schaden durch die Wald- und Torfbrände im Sommer 2010 in Westrussland auf mehr als 30 Milliarden Euro.

Neben den Waldbränden im europäischen Russland standen auch im Fernen Osten des Landes weite Gebiete in Flammen. Nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace seien landesweit den Flammen mindestens 12 Millionen Hektar zum Opfer gefallen und damit eine Fläche größer als der gesamte Waldbestand Deutschlands. Greenpeace schätzt die Waldschäden 2010 in Russland auf mehr als 200 Milliarden Euro, also deutlich höher als von den russischen Behörden angegeben. Nach amtlichen Angaben hat es landesweit etwa 30.000 Waldbrandherde auf einer Fläche von mehr als 1,246 Millionen Hektar gegeben.

Die Katastrophe könne sich in Russland jederzeit wiederholen, warnte Greenpeace Ende August 2010. Tatsache ist, dass seit Beginn des Jahres 2011 landesweit 11.060 Naturbrände ausgebrochen sind, welche bereits eine Gesamtfläche von 618.000 Hektar Wald zerstörten. Das ist nahezu dreimal mehr gegenüber dem Vergleichszeitraum Januar bis Mai des Vorjahres 2010 als 215.000 Hektar Wald zerstört wurden, so die Mitteilung des Zivilschutzministerium Russlands am 07. Juni 2011. Besonders kompliziert war die Lage in der Region Krasnojarsk und dem Gebiet Irkutsk. Dort loderten neun größere Brände auf einer Fläche von 11.590 Hektar. Die Brände wurden nach Aussage des sibirischen Zentrums des Zivilschutzministeriums hauptsächlich von Aktivitäten der örtlichen Einwohner verursacht, obwohl von den sibirischen Behörden rund 1.500 Posten eingerichtet worden sind, die den Zugang zu den Wäldern einschränken und die Lage beobachten.

5 Hauptproblem für die Brandbekämpfung ist fehlendes Löschwasser
Die Löschwasserversorgung für die Feuerwehren ist unzureichend. Ein Teil der Wald- und Torfbrände wütete fernab jeglicher Zivilisation und in schlecht erreichbaren Regionen. Die vorjährigen Erfahrungen zeigen, dass die meisten Brände auf verlassenen Feldern und Großkahlschlägen entstanden waren. Es handelte sich bei der Feuerbildung anfangs um Grasbrände, die sich erst danach auf die Wälder ausbreiteten. Dort, wo Land- und Forstwirtschaft gut funktionieren, dort, wo eine verantwortungsvolle und nachhaltige Landnutzung betrieben wird, gab es keine solchen Feuerkatastrophen im Gegensatz zu den Brachlandflächen. Die Aufgabe von agrarisch genutzten Kulturflächen, dann großflächige Kahlschläge, illegaler Holzeinschlag und die starke Übernutzung der Wälder im Sinne einer „Ausbeutungsressource“ haben maßgeblich zu der prekären Lage beigetragen, was vielerorts zu einer Verbuschung und Versteppung führte, wodurch sich die Feuer schnell ausbreiten konnten. Und fatalerweise ist in diesen Gebieten die erforderliche Löschwasservorhaltung in aller Regel nicht gegeben.
Wasserentnahmestellen aus Bächen, Kanälen oder Wassergräben waren dort entweder nicht vorhanden oder vertrocknet. So musste das dringend benötigte Löschwasser durch Tankfahrzeuge und Löschflugzeuge teilweise über weite Strecken an die verschiedenen Brandherde aufwändig herangeführt werden. Dadurch konnten sich die Flammen meist ungehindert kilometerweit durch Russlands brachliegende und teils versteppte Fluren fressen, um dann mit der gesamten Feuersbrunst auf die Wälder überzuspringen. Die Flammen bleiben oftmals nicht nur am Boden, sondern es entstehen die alles vernichtenden Baumkronenfeuer. Die Flammen schlagen von Krone zu Krone und solche Brände nehmen dann schnell riesige Dimensionen an.
Dies ist einer der Hauptgründe, weshalb selbst nach mehr als zwei Monaten die etwa 250.000 Rettungskräfte die verheerenden Feld-, Steppen-, Busch-, Wald- und Torfbrände immer noch nicht in den Griff bekamen. Auch die Effizienz des Einsatzes der 54 Löschflugzeuge und der 300 Löschfahrzeuge wurde deutlich überschätzt. Gegen solche Katastrophenfeuer, wie sie 2010 im europäischen Russland herrschten, können Löschflugzeuge und Löschfahrzeuge nur in einem sehr geringen Umfang einen effizienten Beitrag zur Brandbekämpfung leisten.
Bei der Bekämpfung von Feld-, Steppen-, Busch-, Wald- und Torfbränden ist schnelles Handeln entscheidend, denn hier zählt jede Sekunde. Deshalb ist es erforderlich, in dichten Abständen Wasserentnahmestellen für eine kontinuierliche und ausreichende Löschwasserversorgung der Feuerwehren bereitzuhalten. Allgemeines Ziel muss es sein, die Brände so früh wie möglich zu lokalisieren, sie dann ohne Zeitverlust erfolgreich zu bekämpfen, um die Entwicklung größerer Brandereignisse zu verhindern. Mit einer solchen Strategie werden Schäden für Mensch, Natur und Umwelt so gering wie möglich gehalten.

6 Eine salomonische Lösung: Alte Drainagegräben zu neuen Wasserspeichern ausbauen
Die naheliegende wie einfache Idee ist, das Drainagewasser der Moore und das Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in kanalisierten Rinnsalen und Drainagegräben in einen Vorfluter (= Bach, Fluss) abzuleiten, sondern das Wasser, eines unserer wichtigsten Lebens- und Gebrauchsgüter, von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein „negatives“ Gefälle. Sie werden „gekippt“ und zur Senke ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen mehr. Damit ist gewährleistet, dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.
Das Ziel muss sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Kubaturen wie Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlagwassers benutzt werden. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge und des Hochwassers zu speichern.
Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume (Kubaturen) mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung. Die Wasserableitung aus dem Vorfluter (Bach, Fluss, Strom, See) erfolgt durch die vorstehend beschriebenen Grabenspeicher. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität zur Wasseraufnahme im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender.

 



Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine Länge von rund 200 m wird durch den natürlichen Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 1 000 m³ Wasser gespeichert werden, welche ganzjährig zur Bewässerung von Kulturen oder als Löschwasser bei Bränden zur Verfügung stehen. Und „ganz nebenbei“ entsteht ein neues Biotop für die Aquafauna und –flora. Naturschutz kann damit auch gleichzeitig Brand- und Klimaschutz sein.

 

7 So kann die technische Umsetzung aussehen
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits Drainagegräben vorhanden, meist entlang von Parzellengrenzen, dann vielfach auch in Waldstandorten, jedoch meistens mit einem Gefälle zum Vorfluter hin ausgebaut und nicht als Senke ausgelegt. Diese bereits millionenfach in Russland vorhandenen Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 2 % der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln, zum Beispiel einem mittelschweren Bagger, zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für das Anlegen eines Grabenspeichers liegen bei durchschnittlich ca. 2 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12 Jahre muss eine Entschlammung der Grabenspeicher sowie der anderen Rückhalteräume durchgeführt werden.
Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle etwa 1 Meter betragen. Am Ende oder je nach Grabenlänge, kann beispielsweise alle 100 Meter durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner Teich mit abgeflachten Ufern für die Wasserentnahme entstehen, ein so genannter Grabenteich. Bewährt haben sich Wasserflächen von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr Metern.

8 Grabenspeicher mit bivalenter Funktion: Wasserspeicher und Wasserspender für die Land- und Forstwirtschaft
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in solchen Grabenspeichern, je nach Länge und Profil, mehrere tausend Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung, insbesondere während den Trockenperioden. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine natürliche Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten Horizont bei Grünlandböden.
Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem Wiesen und Äckern sowie dem Waldboden das so wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg zugeführt werden. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist dann besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der Heuernte auftritt und wenn der Boden bei starker Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke besonders schnell austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten kennen die Bilder aus den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen über Wochen hinweg fast keine Phytomasse-Entwicklung stattfindet.

In Dürrezeiten kann das gespeicherte Wasser ebenso für eine künstliche Bewässerung oder Beregnung der Kulturflächen (Äcker, Wiesen, Wald) eingesetzt werden.

 



Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen Wasser-Rückhalteraumes durch Vertiefung und Aufweitung des Profils eines Grabenspeichers zu einem Grabenteich als Maßnahme für eine Katastrophenvorsorge. Eine Wasserentnahme für die Bewässerung von Kulturflächen oder als Löschwasser ist stets gewährleistet.

 

9 Aus alten Gräben entstehen neue Biotope
Sehr schnell werden solche Grabenteiche von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen. Und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“, eine so genannte „Natur aus zweiter Hand“. Für Amphibien und für viele Wasserpflanzen wie untergetauchte, schwebende, aufrechte und an der Oberfläche schwimmende, sind diese ökologisch ausgebauten Grabenteiche mit ihrem fast stagnierenden Wasser ein exzellenter Lebensraum.
Die Expertise zeigt, dass es mit einfachen Mitteln und einem überschaubaren Aufwand möglich ist, einerseits Feld-, Wald- und Torfbrandkatastrophen sowie Dürren durch die Anlage von Lösch- und Bewässerungsteichen deutlich zu minimieren und dass andererseits so „ganz nebenbei“ neue Gewässer-Biotope entstehen.
Aufgrund der hydraulischen Vernetzung ist gewährleistet, dass die Speichergräben ganzjährig mit Wasser gefüllt sind und dadurch eine Anbindung an das größere Fließgewässer bei allen Abflusssituationen gewährleistet ist. Die Erfahrung zeigt, dass ein permanent anstehender Wasserspiegel in den Grabenspeichern und Teichen die Voraussetzung ist für die Entwicklung von Lebensräumen mit hoher ökologischer Qualität. Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume sichern vielen Tieren und Pflanzen das Überleben. Es wird hiermit auch ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinanderstoßen.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens auch inmitten einer durchaus als monoton und uniform bezeichneten Kulturlandschaft zu liegen kommen.

10 Laichgründe entstehen
Es ist offenkundig: Die meisten Bäche und Flüsse in Europa haben trotz vielfach verbesserter Wasserqualität weder ihren früheren Artenreichtum, noch ihre einstige Produktivität wiedererlangt. Bereits in den 1970er Jahren wurde deutlich, dass eine gute, chemisch zu messende Wasserqualität nicht ausreicht. Die bisherige Nutzung der Bäche und Flüsse hat diese früher reich besiedelten Lebensräume vielerorts in verödete, unbewohnbare „Linien in der Landschaft“ verwandelt. Fische wurden daran gehindert, aufwärts zu ihren Laichplätzen zu wandern und früher gewundene Gewässer verwandelten sich zu eintönigen Kanälen, die unnötig hart unterhalten werden. Die Zerstörung von Lebensräumen im und am Gewässer ist offenkundig. Die einst reiche Natur der Gewässer verarmte.
Und so kommt gerade den kleineren Gewässern eine besondere Bedeutung zu, das heißt den Bachoberläufen mit ihren verzweigten Grabensystemen und den kleineren Flüssen für die Vernetzung der Landschaft aufgrund ihrer sehr großen Streckenlänge.

Durch den möglichen Umbau der ehemaligen Drainagegräben zu Grabenspeichern, Grabenteichen und kleinen Weihern wird ein Netz an naturnahen Wasserrückhaltespeichern für Mensch und Technik, aber ebenso für Natur und Landschaft entstehen. Dieses kleinmaschige Gewässernetz aus krautreichen Gräben und Grabenteichen schafft eine ökologisch wertvolle Biotopvernetzung, welche den Graslaichern hervorragende Möglichkeiten bietet, ihren Laich abzulegen. Die ausgeschlüpften Brütlinge von Hecht, Barsch und Cypriniden finden dann ideale Habitate in solchen Grabensystemen.
Diese seichten und vielfach auch gut strukturierten Kleingewässer eignen sich auch deshalb als hervorragende Laichplätze, weil sich in solchen Gewässernetzen die Brutfische, geschützt vor Hochwasser und Fraßdruck, ungestört entwickeln können um dann, wenn sie größer werden, ins Hauptgewässer abzuwandern.
Nur die Herstellung von Laichgründen, verbunden mit der Wiederherstellung von geschützten Jungfischhabitaten, kann die verloren gegangene Selbstreproduktion wieder zurückbringen.

11 Rückzugsräume und Teilhabitate für Fische werden geschaffen
Würde man in den Torfgebieten Westrusslands alle bereits jetzt vorhandenen Drainagegräben zu Grabenspeichern und Grabenteichen als perennierende (ausdauernde) Gewässer ausbauen, so entstünde ein Netz an kleinen Fließgewässern mit einer Gesamtlänge von mindestens einer Million Kilometern. Eine unermesslich große Zahl an spezifischen Fischhabitaten würde entstehen, einschließlich der Teilhabitate wie Laichplätze, Jungfischhabitate, Nahrungsgründe und Einstände (Winter-, Hochwasser- und Jungfischeinstände). Sind diese Habitat-Typen in ausreichender Zahl und Größe vorhanden sowie funktional sinnvoll mit dem Hauptgewässer vernetzt und erreichbar (biologische Durchgängigkeit), genügen sie den oft sehr spezifischen Ansprüchen natürlich vorkommender Fischarten. So wachsen Jungfische nach, die sich natürlich anpassen können. Sie stammen aus dem Gewässer, sie lernen vor Feinden zu flüchten, Deckung zu suchen, die richtige Nahrung zu fressen und mit der Strömung umzugehen. Eigenschaften, an die sich Besatzfische aus der Zucht erst umständlich gewöhnen müssen.

12 Grabenspeicher für die Löschwasserversorgung
Durch die hydrologische Vernetzung des Grabenspeichers sowie der anderen Retentionsräume (Kubaturen) mit dem Fließgewässer (Bach, Fluss) ist ein permanenter Wasserspeicher gewährleistet (perennierendes Gewässer), was bei den bislang vorhandenen Drainagegräben und Wassergräben nicht gegeben ist. Diese sind deshalb für eine Wasserspeicherung nicht geeignet, weil sie im Allgemeinen periodisch und vor allem in den Sommermonaten über einen längeren Zeitraum trockenfallen (temporäres Gewässer).

Die Grabenspeicher und Grabenteiche sowie anderen Retentionsräume führen als perennierendes Gewässer deshalb ganzjährig Wasser, weil deren Sohle grundsätzlich tiefer liegt als die Sohle des Vorfluters (Fließgewässer), also des Baches oder Flusses (siehe hierzu Kapitel 6).
Selbst bei einer stunden- oder tagelang anhaltenden Wasserentnahme für eine Brandbekämpfung würde die Löschwasserversorgung nicht zusammenbrechen, weil einmal ständig Wasser aus dem Bach, Fluss, Strom oder See nachfließt und zum anderen wegen der stetig vorhandenen hohen Wasserkapazität im Retentionsnetz selbst.

Die Wasserkapazität des Grabenspeichers kann dadurch erhöht werden, dass am Ende oder in der Mitte durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein Grabenteich für die Wasserentnahme zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Felder oder für die Löschwasserentnahme im Brandfall entsteht. Bewährt haben sich, wie im Kapitel 7 ausgeführt, Wasserflächen von 20 bis 200 Quadratmetern und einer Tiefe von zwei und mehr Metern.
Die weitergehende Vernetzung und der Ausbau mit bereits natürlich vorhandenen Retentionsräumen wie Mulden, Senken, Tümpeln, Rigolen, Sölle, Teiche und Weiher schaffen zusätzliche Wasserspeicherkapazitäten, um selbst gegen größere Naturkatastrophen wie Dürren, Feld-, Wald- und Torfbrände in einer professionellen Weise angehen zu können.

Die bisherige Nutzung der ehemaligen Torfmoorgebiete wird durch den Umbau der millionenfach vorhandenen Drainagegräben zu Speichergräben in keinster Weise eingeschränkt, sondern das Gegenteil wird eintreten, indem die Infrastruktur eindeutig verbessert und die Katastrophengefahr signifikant gemindert wird.

Die beiden Schemazeichnungen, „Anlage eines Retentionsnetzes“ und „Gewässer-Systeme“, sollen die grundlegende Idee zur naturnahen Wasserspeicherung verdeutlichen. Die Idee beruht auf dem physikalischen Gesetz verbundener Gefäße (Kubaturen).

Die hier beschriebenen Grabenspeicher und Löschteiche stellen Maßnahmen im Sinne einer Katastrophenvorsorge dar und können mit den früher üblichen Dorfteichen verglichen werden. Der Dorfteich gehörte früher zu jeder Siedlung, um im Brandfall Löschwasser zur Verfügung zu haben (Feuerprävention). Heute besitzen solche Feuerlöschteiche in der Dorfmitte oder am Dorfrand nur noch Seltenheitswert.

 

 

 

 

 

13 Vielfältige Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch
Dem permanent mit Wasser gefüllten Grabenspeicher und Grabenteich sowie den Retentionsnetzen lassen sich noch weitere Vorteile zuschreiben.
Die gezielte Speicherung von Sickerwasser, Niederschlägen und Hochwasser in den Grabenspeichern, Grabenteichen und kleinmaschigen Retentionsnetzen dient dem Landbau zur Bewässerung seiner Kulturflächen, der Wasserwirtschaft zur Grundwasseranreicherung (Infiltration) und nimmt insgesamt als stabilisierender Faktor einen positiven Einfluss auf den Wasserhaushalt. So bleibt beispielsweise bei extremen Niedrigwasserzeiten der Fließcharakter des Baches (Vorfluters) weitgehend erhalten, weil aus dem Retentionsnetz Wasser für das Fließgewässer gespendet wird.
Weiterhin wird ein wichtiger Beitrag zum präventiven Hochwasserschutz geleistet, indem die Flutwelle im Vorfluter gekappt und in die Breite abgeleitet wird. Dadurch wird der Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Hier wird eine soziale Verantwortung gegenüber den Anwohnern flussabwärts wahrgenommen, indem Schadenshochwässer vermieden oder wenigstens gemindert werden.
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer geleistet.
Ebenso werden Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes unterstützt. Weiterhin trägt der Aufbau eines kleinmaschigen Retentionsnetzes zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird aufgrund der Schaffung neuer Biotope und der Biotop-Vernetzung erheblich zunehmen (Biodiversität).

14 Ausblick
Wald- und Torfbrandkatastrophen sind Ereignisse, die nicht vermeidbar sind. Moderne Löschfahrzeuge und Löschflugzeuge sowie zusätzliches Personal lösen das Problem der Feld-, Wald- und Torfbrände in Russland nur wenig. Entscheidend bei der Bekämpfung dieser Brandkatastrophen ist eine breit angelegte und jederzeit verfügbare Löschwasserversorgung. Hierzu soll die vorliegende Projekt-Studie einen Beitrag leisten, um zukünftige Feld-, Wald- und Torfbrände vor allem in Russland besser unter Kontrolle zu bekommen. Immense materielle Schäden werden dadurch gemindert und menschliches Leid gelindert. Parallel dazu werden die riesigen Mengen an freigesetztem Kohlenstoff, welcher signifikant in seiner gasförmigen Modifikation als Kohlenstoffdioxid zur Erderwärmung beiträgt, deutlich reduziert (Klimaschutz).
Die Vorbeugung solcher Brandkatastrophen darf nicht nur auf technische Maßnahmen beschränkt bleiben, sondern sie ist ebenso eine große gesellschaftliche Aufgabe. Wir müssen wieder lernen, unsere Kulturlandschaften nach ökologischen Prinzipien und vor allem nachhaltig zu bewirtschaften sowie mit der Natur sorgfältig umzugehen.
Für den Natur- und Umweltschutz ist von zusätzlicher Bedeutung, dass auf diesem Weg quasi als Nebeneffekt neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen werden. Eine unermesslich große Zahl an Fischhabitaten könnte entstehen. Dies wäre ein möglicher großer Erfolg für die Ichthyologie allgemein.

15 Danksagung

Dem Vorstand des ÖDP-Ortsverbandes Altshausen, insbesondere Herrn Dr. med. Walter Ebner, danke ich vielmals für die wohlwollende Unterstützung der vorliegenden Expertise.

 

 

Hochwasser-Katastrophen vermeiden

Ein Konzept zur Vermeidung von immensen materiellen
Schäden, Verbesserung des Wasserhaushalts, Schaffung
neuer Lebensräume und zur Schonung des Klimas

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

Hochwasser-Katastrophen verursachen Jahr für Jahr in Deutschland immense Schäden, zum Teil in Milliardenhöhe. Menschliche Fehlplanungen und Handlungen, Missachtung hydrologischer Bilanzierungen und ökologischer Sachverhalte sind oft die Ursachen für die immer gewaltiger werdenden Auswirkungen beim letztlich nicht verhinderbaren Naturereignis Hochwasser. Nicht Hochwasser, sondern die Schadenshochwasser müssen von vornherein vermieden werden.
Ein praktikables, ökologisch und ökonomisch sinnvolles Konzept, diese jährlich wiederkehrenden Schadenshochwasser zu vermeiden, besteht im Aufbau einer Vielzahl kleiner, vernetzter Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche sowie im Verbund von Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Speicherkapazitäten.

Wasserbau und Kulturmaßnahmen
Die geradezu revolutionären Entwicklungen in der Landwirtschaft ziehen sich durch alle Bereiche der Landnutzung. In ganz besonderem Maße äußerten sie sich im Wasserbau. Die großen Flusskorrekturen des 19ten Jahrhunderts dienten noch vorwiegend oder ausschließlich der Schifffahrt, später auch zur Nutzung der Wasserkraft. Die Flussbegradigung hatte praktisch keinen Einfluss auf Häufigkeit und Stärke des Hochwassers, außer dass die Flut schneller flussabwärts vorankam, dafür aber auch schneller wieder ablief. Erst die massive Eindämmung der Flüsse in ihren früher weitläufigen  Auen bewirkte ein starkes Ansteigen der Hochwasser-Höhen, weil sich die Pegel-Durchfluss-Beziehungen zu Ungunsten des natürlichen Abflussgeschehens veränderten. Die einst regelmäßig, aber unvorhersehbar überschwemmten Auen, die nur als Weideland genutzt werden konnten, ließen sich jetzt durch die Damm- und Deichbauten in Ackerland und nutzbares Bauland umwandeln. Ein regelrechter Erschließungsboom setzte ein und innerhalb weniger Jahre verwandelten sich die ehemaligen Flussauen zu Siedlungs- und Industriegebieten. Diese neue Landnahme entzog den Flüssen ihre Überschwemmungsflächen. Die Seitenausdehnung der Wassermassen war durch den Fluss- und Tal-(Auen)-Verbau massiv beeinträchtigt und ließ die Pegelstände erhöhen.  Das verschärfte die Hochwasser in den am Fluss gelegenen Städten ganz erheblich, weil flussaufwärts die Rückhalteräume fehlen. Hier wurden und werden in der Bau- und Landnutzungsplanung regelmäßig Fehler gemacht mit teilweise verheerenden Auswirkungen.
So hat sich die Anzahl der einem möglichen Hochwasser ausgesetzten privaten Gebäuden sowie der gewerblichen und industriellen Anlagen seit Beginn des 20sten Jahrhunderts erheblich vergrößert. Durch die Ansiedlung des Menschen in Gewässernähe und der damit verbundenen Anhäufung von riesigen materiellen Werten sind jetzt enorme Hochwasserschäden die Folge. Verheerende Schäden an Privateigentum, kommunalen Gebäuden, Kulturdenkmälern, Infrastruktur und gewerblich-industriellen Einrichtungen sowie an Kultur- und Naturflächen sind zu beklagen. Durch die Wasserfluten werden Menschenleben bedroht und Arbeitsprozesse behindert. Kurzum, immense Werte werden vernichtet.

Hauptursache für Hochwasser-Katastrophen

Die weitaus größeren Veränderungen erzeugte jedoch der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung im Rahmen des landwirtschaftlichen Wasserbaus. Ein Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar der Rinnsale oder nur zeitweise wasserführenden Gräben wurde mit immensem Aufwand an Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder Sickerwasser schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurde.

Dadurch laufen die Hochwasserwellen tendenziell erheblich schneller ab und bilden höhere Spitzen.

Die Entscheidung liegt bei uns, ob wir das Wasser in kanalisierten Rinnen möglichst schnell an die Unteranlieger weiterleiten oder den Wasser-Rückhalt in der Fläche fördern und dadurch neue Lebensräume für eine Gewässerfauna und –flora schaffen.

Ziel der Kulturmaßnahmen war es, auf allen landwirtschaftlichen Produktionsflächen auch möglichst gleichartige Produktionsbedingungen zu schaffen. Standortnachteile sollten behoben werden. Frühere Grenzertragsflächen, deren Bewirtschaftung im Vergleich zum Aufwand kaum Erträge erwarten ließ, konnten durch die Kulturmaßnahmen in die landwirtschaftliche Produktion mit einbezogen werden [1].

Als eine der Hauptwirkungen dieser landesweiten Entwässerung der Fluren verschwanden weithin die Unterschiede in den Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß wurden die Verluste bei den Feuchtgebieten. Moderne, von starken Motoren getriebene Maschinen ermöglichten die Entwässerung von Mooren, Feuchtwiesen und Sümpfen. Die Verlegung von Drainagerohren und das Ausbetonieren von Abzugsgräben gehörte zum Standard des Kulturwasserbaus. Der Ausbau der Gewässer dritter Ordnung verschlang jene Summen an Steuermitteln, die dringend benötigt worden wären, die Hochwasser-Probleme bleibend zu lösen.

Auewälder wurden gerodet. In der Zeit von 1950 - 1975 verloren die mitteleuropäischen Flüsse den größten Teil der noch verbliebenen Auen. Seither gibt es durchschnittlich nur noch etwa 5 Prozent der früheren Auwaldflächen des unregulierten Zustandes. Auwälder, Sümpfe und Moore gehören zu den ganz großen Verlierern in der Umgestaltung der mitteleuropäischen Landschaften [2].

Ein Großteil der Hochwasser-Schäden, die Ende des 20sten Jahrhunderts und vor allem in den letzten Jahren zustande gekommen sind, beruht auf diesen Maßnahmen. Für wenige Hektar hochwasserfrei angelegter Auen, die landwirtschaftlich genutzt werden können, haben die Anwohner flussabwärts und die Steuerzahler insgesamt unverhältnismäßig hohe Schäden abbekommen. Niederschläge normaler Größenordnungen, die keineswegs über Regenmengen früherer Jahrhunderte hinausgehen, schwellen zu nicht mehr kontrollierbaren Fluten an, weil praktisch alle Rinnsale, Gräben, Bäche und Flüsse das Wasser schnellstens ableiten. Die eingeschnürten Flüsse können diese Fluten natürlich nicht mehr fassen.

Geht man der Frage nach, wie viele Fließgewässer es in Deutschland gibt, und hierbei nur die natürlichen Gewässersysteme berücksichtigt, wie sie in der Topographischen Karte 1 : 25 000 enthalten sind, gibt es allein in Deutschland etwa 600 000 Kilometer Fließgewässerstrecken. Rechnet man die zahlreichen künstlichen Fließgewässer wie Gräben, Kanäle usw. hinzu, kommt man auf über 1 Million Kilometer an Fließgewässerstrecken. Und dieses riesige Potenzial an unzähligen kleineren Fließgewässern mit ihren Regulierungen bewirken in ihrer Summe die eigentlichen Hochwasser-Katastrophen.

Anhand der so genannten „Elbeflut" vom August 2002 soll das verdeutlicht werden. Der Begriff „Elbeflut" weist in eine völlig falsche Richtung, denn im Elbetal selbst entstand nur ein Bruchteil der Schäden. Die großen Verwüstungen traten an den Zuflüssen der Elbe auf, oft an kleinen Bächen und harmlos dahin plätschernden Rinnsalen, die in kürzester Zeit zu reißenden Strömen wurden. Und hier muss stets das immense Potenzial an kleinen und kleinsten Fließgewässern im Bewusstsein bleiben. Denn die kleinen Gewässer sind quantitativ und qualitativ die „Kinderstube" der großen Bäche und Flüsse. Deshalb können diese immer nur so gut sein, wie es die vielen kleinen Gewässer im Einzugsgebiet zulassen.

So wurde die Stadt Grimma in Sachsen nicht durch die Elbe vier Meter hoch überflutet, sondern durch den Nebenfluss Mulde. Der Ort Weesenstein wurde durch das Flüsschen Müglitz regelrecht zerstört und selbst der Sturzbach durch den Dresdener Hauptbahnhof hatte nichts mit dem Hochwasser der Elbe zu tun, sondern wurde durch die Weißeritz verursacht. Dieser Bach stand mit einem 100-jährlichen Abfluss von 350 m³/s zu Buche, der jetzt ankommende Scheitelabfluss lag bei 600 m³/s [4]. Die Weißeritz, die im Stadtgebiet Dresdens heute teilweise unterirdisch fließt, war diesen Wassermassen nicht mehr gewachsen. Das überschießende Wasser suchte seinen alten Weg - und auf diesem steht mittlerweile Dresdens Hauptbahnhof.

Das Fazit ist: Kleine Gewässer - Große Wirkung!

Und so ist eine der Hauptursachen für die Hochwasser-Katastrophen, dass man die im 19ten Jahrhundert begonnene Regulierung der Flüsse konsequent im 20sten Jahrhundert bis in die Quellbezirke zu Ende führte. Die davon ausgelösten Hochwasser-Katastrophen sind keine Folge einer in Gang gekommenen Klimaerwärmung, sondern hausgemachte Ergebnisse des landwirtschaftlichen Wasserbaus, dessen Verantwortung an den jeweiligen Flurstücken oder spätestens an den Grenzen des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes endet [1]. Auch wenn in der Vergangenheit überregionale Kommissionen für Hochwasserschutzmaßnahmen gebildet wurden, so ist der Gedanke, sich um die Gemeinwesen flussabwärts zu kümmern, immer noch weitgehend fremd.

Die rasante Siedlungsentwicklung seit Beginn des 20sten Jahrhunderts nutzte die durch Damm- und Deichbauten trockengelegten Flächen von ehemaligen Überschwemmungsgebieten. So hat sich die Anzahl der einem möglichen Hochwasser ausgesetzten privaten Gebäuden sowie der gewerblichen und industriellen Anlagen erheblich vergrößert. Durch die Ansiedlung des Menschen in Gewässernähe und der damit verbundenen Anhäufung von riesigen materiellen Werten sind jetzt enorme Hochwasserschäden die Folge [3, 4]. Verheerende Schäden an Privateigentum, kommunalen Gebäuden, Kulturdenkmälern, Infrastruktur und gewerblich-industriellen Einrichtungen sowie an Kultur- und Naturflächen sind zu beklagen. Durch die Wasserfluten werden Menschenleben bedroht und Arbeitsprozesse behindert. Kurzum, immense Werte werden vernichtet.

Und hier muss radikal umgedacht werden. Was der Mensch durch den Wasserbau zerstört und gefährdet hat und durch den Klimawandel verstärkt wird, wird ein Wassermangel in Europa sein. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden. Auch das Grundwasser, bisher noch am saubersten, ist gefährdet: In vielen Städten reicht es zur Wasserversorgung nicht mehr aus und muss mit Oberflächenwasser künstlich angereichert werden. Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz" in die Schul- und Lehrbücher sowie in die Gewässer relevanten Gesetzeswerke eingeführt werden:

Das Wasser zurückzuhalten muss oberste Priorität haben.

Grundlagen der Hydrologie

Für eine realistische Lösung der gesamten Hochwasserproblematik im Binnenland gibt es nur einen Weg, nämlich die Wasserrückhaltung in der Landschaft des gesamten Einzugsgebiets eines Gewässers. Denn der Raum, den die Flüsse im unregulierten Zustand früher eingenommen hatten, ist längst anderweitig genutzt und nicht mehr wieder zurückzugewinnen.
Anhand einfacher Grundlagen der Hydrologie können Niederschlag, Wasserabfluss, Verdunstung und Wasserspeicheränderung quantitativ bewertet werden. Hierbei nimmt der Wasserabfluss in der Hydrologie eine Schlüsselstellung ein. Da die Verdunstung insgesamt für ein größeres Gebiet nicht zu erfassen ist, geht die Hydrologie von den Abflussmengen aus, die an den Fluss-Pegeln allgemein seit Beginn des 19ten Jahrhunderts gemessen werden.

Die Bilanzierung von Wasserumsätzen erfolgt auf der Grundlage des Massenerhaltungssatzes. Die hydrologische Bilanzgleichung lautet in ihrer einfachsten statischen Form:

N  =  A  +  V  +  ΔS

Die Größe N bedeutet den auf ein umgrenztes Gebiet (hydrologisches Einzugsgebiet) fallenden Niederschlag, A die Wassermenge, die ober- und unterirdisch abfließt und V sämtliche Arten der Verdunstung (Evapotranspiration), also die Gesamtverdunstung aus Evaporation, Interzeption und Transpiration. Die 4. Größe berücksichtigt die  Wasserspeicheränderung  ΔS.    Die Wasserspeicherung kann als Eis, Schnee, Oberflächenwasser und unterirdisches Wasser (Boden- und Grundwasser) erfolgen.

Die Bewertung der Wasserumsätze durch Niederschlag, Abfluss, Verdunstung und Speicheränderung erfolgt als Volumen pro Flächen- und Zeiteinheit, z.B. mm/d.

Die Formel der hydrologischen Bilanzgleichung besagt, dass die Summe der Mengen aus Abfluss, Verdunstung und Speicheränderung eines hydrologischen Einzugsgebietes in einem gewählten Zeitabschnitt (z.B. monatlich) die Niederschlagsmengen ergeben. Damit spielt die Wasserbilanz  eine wesentliche Rolle für die Ermittlung der Wasserspeicherkapazität von Niederschlägen in einem Einzugsgebiet.

Die hydrologische Bilanzgleichung spiegelt weiterhin in einem gewissen Grad das landschaftliche Milieu des Einzugsgebietes eines Flusses wieder. Denn Art, Intensität und Dauer des Abflusses hängen von der Morphologie des Flussgebietes, der Beschaffenheit des Bodens, des Untergrundes sowie der Vegetation ab. Damit ist der Abfluss gerade wegen seines Zusammenwirkens zahlreicher Faktoren ein hervorragender Index für die Ökologie einer Landschaft [5].

Ebenso können sich die menschlichen Eingriffe in Gestalt von Flussbegradigungen, Kanalisierungen, Eindeichung, Erhöhung der Abflussgeschwindigkeit von Bächen und Flüssen, Versiegelung der Böden, ansteigender Auenverbau und zunehmende Besiedlungsdichte signifikant, teilweise sogar entscheidend auf die Abfluss-Bilanz eines Flusses auswirken, wie durch die hydrologische Bilanzgleichung innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts beschrieben werden kann:

A = N - V - ΔS

A    = Abfluss 
N    = Niederschlag
V    = Verdunstung
ΔS  = Wasserspeicheränderung
Alle Terme werden in Volumen pro Flächen- und Zeiteinheit gemessen und beziehen sich auf das hydrologische Einzugsgebiet.

Diskussion der hydrologischen Bilanzgleichung

Fall 1: Es wird eine extrem große Niederschlagsmenge N in einem begrenzten Einzugsgebiet und innerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts angenommen. Dann ist die Abflussmenge A primär abhängig von der Niederschlagsmenge N sowie von der Verdunstung V und Änderung der Wasserspeicherung ΔS. In einer Kulturlandschaft mit geringer Wasserspeicheränderung oder einer urbanen Region mit hoher Bodenversiegelung sind die beiden Terme V und ΔS klein. Damit wird die Abflussmenge eines Gewässers im Wesentlichen durch die Niederschlagsmenge N bestimmt. Sintflutartige Regenfälle bedingen dann einen extremen Anstieg des Abflusses.

Ergebnis Fall 1: Eine Flutwelle baut sich auf. Verheerende Hochwasserschäden werden die Folge sein.

Fall 2: Wie im Fall 1, wird von einer extrem großen Niederschlagsmenge ausgegangen. In einer naturbelassenen Landschaft kann die Verdunstung V und die Änderung der Wasserspeicherung ΔS hoch sein. Die Abflussmenge A eines Gewässers wird dann wesentlich durch die beiden Terme Verdunstung  V und Speicheränderung ΔS bestimmt. Der Aufbau einer gefährlichen Flutwelle wird generell vermieden. Es kommt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Wasserpegels. Ein „normales" Hochwasser als völlig natürliche Erscheinung ist die Folge.

Ergebnis Fall 2: Verheerende Überflutungsschäden wie im Fall 1 werden ausbleiben.

Das Resultat der hydrologischen Bilanzierung ist, dass vorbeugender Hochwasserschutz grundsätzlich machbar ist. Grundlegendes Wissen ist hierzu vorhanden. Jedoch beschränkte sich der Hochwasserschutz in der Vergangenheit weitgehend auf bautechnische Maßnahmen. Integrierende Präventionsmaßnahmen wurden bislang nicht oder nur wenig realisiert.

Eine sehr große Zahl an Experten, Universitätsinstituten, Behörden, Landesämter, Bundesanstalten und Staatsregierungen, dann Komitees für Katastrophenvorsorge und die Initiativen zur Verbesserung der Hochwasservorsorge sowie zahlreiche andere Einrichtungen beschäftigen sich seit Jahrzehnten intensiv mit der Hochwasserproblematik. Viele der dort erarbeiteten Konzepte mögen richtig und wertvoll sein, doch die Tatsache bleibt, dass in den letzten 20 Jahren die Schäden durch Flutkatastrophen verheerende Ausmaße angenommen haben.

Dieser Sachverhalt wird zum Anlass genommen, ein einfaches, praktikables, öko-logisch und ökonomisch sinnvolles Konzept zu entwickeln, welches  die verheerenden Hochwasser-Schäden im Binnenland verhindert oder zumindest deutlich mindert. Klar muss dabei auch sein, dass es einen absoluten Hochwasserschutz nicht geben kann. Das Ziel muss deshalb nicht die Verhinderung von Überflutungen sein, sondern die Begrenzung auf Bereiche, in denen möglichst wenig Schäden angerichtet werden.

Die Konzeptidee, Hochwasser-Katastrophen zu vermeiden, den Wasserhaushalt zu verbessern und das Klima zu schützen

  1. Das Niederschlagswasser muss von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet unter optimaler Nutzung aller natürlichen Speicher-möglichkeiten zurückgehalten werden [6].
  2. Natürliche Speicher sind Waldungen, Moore, Seen, Tümpel, Weiher, Senken und Überschwemmungsgebiete.
  3. Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein „negatives“ Gefälle. Sie werden zur Senke ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung im Grabenspeicher soll bei  > 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle (= Vorfluter) liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen größer.
  4. Jeder bisherige Drainagegraben oder Rinnsal soll reaktiviert und als Ent-lastungsgraben (= Grabenspeicher) ausgebildet werden, um eine Kappung von Hochwasserspitzen im Vorfluter (= Bach, Fluss) zu erreichen [6].
  5. Ebenso sollen Mulden, Senken, Rigolen, Tümpel und Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt werden müssen, für natürliche Flutungen benutzt werden, um die Flutwelle im Vorfluter überwiegend in die Breite abzuleiten.
  6. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um den überwiegenden Teil der Hochwasserwelle im Retentionsnetz zu speichern und um die Spitze des Hochwassers im Vorfluter nachhaltig zu kappen.
    Eine hydraulische Vernetzung der Speicherräume mit dem Vorfluter muss gegeben sein.
  7. Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichen-de Kapazität im Vorfluter gegeben ist. Damit wirkt das Retentionsnetz als stabilisierender Faktor für den Wasserhaushalt.
  8. Abflussfördernde Maßnahmen sind grundsätzlich zu vermeiden, um eine möglichst maximale Speicherung des Hochwassers im Retentionsnetz zu erreichen. Dadurch wird der Wasserabfluss zeitlich entzerrt.
  9. Die gezielte Speicherung des Hochwassers soll der Wasserwirtschaft zur Grundwasseranreicherung dienen (Infiltration).
  10. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird durch den Aufbau eines Retentions-netzes erheblich zunehmen. Denn stehende Kleingewässer, wie Tümpel und krautreiche Gräben, sind Heimat und Lebensgrundlage für weit über 1 000 Tierarten, besonders Fische, Vögel, Amphibien (z.B. Frösche, Kröten, Molche), darunter viele Kleintiere, und für über 200 Pflanzenarten. Damit werden die Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes unterstützt.
  11. Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer geleistet.
  12. Soziale Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden muss gegenüber den Anwohnern flussabwärts geleistet  werden. Schadenshochwässer zu vermeiden gebietet die Menschlichkeit.

Ein Modell für die Bundesrepublik Deutschland
Es wird nachdrücklich betont, dass es sich bei der folgenden Beschreibung um ein exemplarisches Denkmodell für die Bundesrepublik Deutschland handelt, welches dann vor Ort an die Realität angepasst werden muss.

  1. Es werden 2 % der Landschaftsfläche benötigt für die Anlage von Flut- und Wassergräben, welche mit dem Vorfluter verbunden sein müssen. Auf zahl-reichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits Drainagegräben vorhanden, teilweise auch in Waldstandorten, jedoch mit einem Gefälle zum Vorfluter ausgebildet und nicht als Senke ausgelegt. Diese bereits vorhandenen Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 1 bis 2 % der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln zu Senken (= Flutgräben) ausgebaut  werden.
  2. Auf jeden Hektar Landschaftsfläche kommt ein als Senke angelegter Wasser-graben. Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone beträgt mindestens 2 m, an der Grabensohle 1m, die Grabenlänge 100 m. Bei Hochwasser von 1 m über Normalnull sollen in dem Flutgraben mindestens  150 m³ Niederschlagswasser gespeichert werden.
  3. Pro Quadratkilometer Einzugsfläche existiert 1 Vorfluter mit einer Länge von 1 km und einer Kronenbreite von 3 m.
  4. Es können hiermit mindestens 18.000 m³  Niederschlagswasser auf einen Quadratkilometer unmittelbar gespeichert werden.

Fallbeispiel  A:  Extremsituation

  1. Es ereignen sich sintflutartige Regenfälle mit einer Niederschlagsmenge von 50 mm (= 50 l / m²) innerhalb weniger Minuten.
  2. Pro Quadratkilometer entspricht dies einer Wassermenge von 50.000 m³.
  3. In der Regel verdunsten im Jahresmittel zirka 65 %  der Niederschläge, das heißt, dass diese Menge nicht dem Grund- und Oberflächenwasser zufließt. Bei einer für das Fallbeispiel angenommenen  Evapotranspirationsrate von 40 %  müssen  damit 30.000 m³ Wassermenge auf einer Fläche von 1 km² berücksichtigt werden.
  4. Es wird die Extremsituation einer total versiegelten Fläche angenommen. Das bedeutet, dass kein Niederschlagswasser in den Boden einsickert und dort als Haftwasser gespeichert wird. In unserem Fallbeispiel A wäre dies eine Wassermenge von 30.000 m³ pro Quadratkilometer.
  5. Das aufgebaute Retentionsnetz besitzt eine Speicherkapazität von 18.000 m³. Beträgt die Abflussgeschwindigkeit des Vorfluters ca. 4 km/h, so kann innerhalb einer  Stunde  die extreme Wassermenge von ca. 30.000 m³ , entsprechend einem Niederschlag von 50 mm, im Retentionsnetz „geschluckt“  werden.

Ergebnis: Eine Hochwasser-Katastrophe wird durch das Retentionsnetz vermieden.

Fallbeispiel B: Normalsituation

  1. Es sollen sich wie im Fallbeispiel A extreme Regenfälle ereignen mit einer Niederschlagsmenge von 50 mm (= 50 l/m²). Die Niederschlagsmenge soll sich jedoch nicht spontan über die Fläche ausgießen, was weitgehend unrealistisch ist, sondern zeitlich entzerrt sein.
  2. Die Speicherkapazität des Retentionsnetzes soll um 30 %  auf 12.000 m³ vermindert werden. Ebenso soll die Abfluss-Geschwindigkeit im Vorfluter um 50 % auf 2 km/h vermindert sein.
  3. Fällt die Niederschlagsmenge von 50 mm über einen Zeitraum von 4 Stunden, was der Realität näher kommt, so kann die gesamte Wassermenge im Retentionsnetz wiederum gespeichert werden.
  4. Extreme Niederschläge in Höhe von 50 mm innerhalb von 4 Stunden sind für Deutschland gemäß Literatur-Recheren eher selten.

Ergebnis: Die beiden Fallbeispiele beweisen, dass Hochwasser- Katastrophen vermieden oder zumindest deutlich gemindert werden können.

 

Physikalische Grundlagen für das Retentionsnetz

1. Gesetz der kommunizierenden Gefäße:

In allen kommunizierenden Gefäßen (vernetzte Gefäße) liegen alle Oberflächen einer ruhenden Flüssigkeit in einer waagrechten Ebene.

Für das Konzept des Retentionsnetzes bedeutet dies, dass alle natürlichen und künstlichen Wasserspeicher wie Mulden, Senken, Tümpel, Weiher, Teiche, Rinnsale u.ä.m. durch ein  vernetztes Grabensystem mit dem Vorfluter  verbunden sein müssen.

2. Gesetz von der Erhaltung der Energie:

Dieses physikalische Gesetz ist ein allgemein gültiges, grundlegendes Naturgesetz, nach dem bei einem physikalischen Vorgang Energie weder erzeugt noch vernichtet, sondern lediglich in eine andere umgewandelt werden kann.

Als Folgerung des Energiesatzes ergibt sich die Unmöglichkeit, ein Perpetuum mobile 1. Art zu konstruieren.

Für das Konzept des Retentionsnetzes bedeutet das, dass eine Hochwasserwelle, ohne Energiezufuhr von außen, sich nicht vergrößern kann. Dieser Sachverhalt ist entscheidend, weil bei dem hier vorgestellten Projekt des Retentionsnetzes grundsätzlich dem System des Vorfluters keine zusätzliche Energie von außen, z.B. durch einen Nebenfluss (kinetische und potentielle Energie) zugeführt wird.

3. Potentielle und kinetische Energie:

Eine Flutwelle kann physikalisch als ein Energie-System betrachtet werden, welches sich aus potentieller Energie (Epot) und kinetischer Energie (Ekin) zur Gesamtenergie (Eges) zusammensetzt.

Potentielle und kinetische Energie werden in der Physik unter dem Begriff mechanische Energie zusammengefasst.

Eges = Epot + Ekin = g • mt • ho + ½• mt • vo²

g = Erdbeschleunigung 9,8 m/sec²
mt = träge Masse in kg
ho = Höhe der Flutwelle im Vorfluter  über Normalnull in m
vo = Geschwindigkeit der Flutwelle im Vorfluter in m/sec

Bei dem Modell wird ein Differenzbetrag der potentiellen Energie des Vorfluters dEpot (Vorfluter)  in kinetische Energie umgewandelt:

dEpot (Vorfluter) = g • mt • (ho - h) = ½ • mt • v² (Retentionsnetz)

potentielle Energie im Vorfluter = kinetische Energie im Retentionsnetz

h = Höhe in m  im Retentionsnetz nach Passage der Flutwelle
v = Geschwindigkeit in m/sec der trägen Masse im Retentionsnetz 

Die obige Formel beschreibt das kontinuierliche Zusammenbrechen der Flutwelle und die Ausbreitung der Wassermassen ins Retentionsnetz.

Wird h = ho, existiert keine Flutwelle mehr. Es besteht ein Gleichgewicht der Wasseroberfläche im Vorfluter und im Retentionsnetz.

 

Technische Realisierung

  1. Auf eine Einzugsfläche von 100 km² muss im Mittel ein Retentionsvolumen (z.B. Grabenspeicher, Senke, Mulde, Tümpel, Teich, Stausee u.ä.m.) von ca. 150 m³ pro Hektar bestehen.
  2. Die Retentionsvolumina müssen mit dem Vorfluter vernetzt sein.
  3. Die Fläche der Bundesrepublik Deutschland umfasst 357.092 km². Davon sind 8.279 km² Wasserfläche , 47.226 km² Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie 105.314 km² Waldfläche. Die freie Landschaftsfläche beträgt damit 196.273 km². Für die Retentionsflächen, gebildet aus Wald- und Landschaftsflächen,  (= 301.587 km²) wird ein Bedarf von 2 % benötigt. Das sind 6.032 km² . Ein großer Teil dieser Flächen besteht bereits aus vorhandenen Drainage- und Wassergräben, welche jedoch mit Gefälle und nicht als Senke gebaut sind. Weiterhin sind zahlreiche Flächen mit einem natürlichen Speicherpotenzial ebenso vorhanden, z.B. Tümpel, Senken, Mulden u.a., allerdings ohne mit einem Vorfluter vernetzt zu sein.
  4. Ca. alle 10 bis 15 Jahre muss das Retentionsnetz entschlammt werden.
  5. Die technische Realisierung der hier vorgestellten Projekt-Idee ist aufgrund geologischer, orohydrographischer, geobotanischer, hydrologischer und anderer Gegebenheit nicht in jeder Region möglich.

Ein Realisierungsgrad von > 90 % kann dann erreicht werden, wenn in nicht prädestinierten Regionen entsprechend angepasste  Maßnahmen und Techniken ergriffen werden. So können in Hochgebirgsregionen Wildbachverbauungen vorgenommen werden, in Gebieten mit z.B. Granit- und Gneisformationen kann sich der Bau von mehreren, hintereinander geschalteten Rückhaltebecken bewähren. In Steillagen kann ein serpentinenartig geführter Bachverlauf mit  einem möglichst parallelen Verlauf der Bachbettsequenzen quer zum Hang angelegt werden. Entscheidend in jedem Fall ist es, den Wasserabfluss zu verzögern und alle Möglichkeiten der Wasserrückhaltung auszunutzen.
Ein nahezu universell anwendbares Verfahren ist der Bau von Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Flutungskapazitäten. Allerdings liegen die Baukosten um das 3 bis 5-fache höher im Vergleich zur Anlage eines kleinmaschigen Retentionsnetzes mit bereits vorhandenen natürlichen Speichermöglichkeiten. 
Es ist notwendig, dezentrale Maßnahmen gewässer- und einzugsgebietspezifisch zu untersuchen und für das jeweilige Einzugsgebiet das größte Potential an dezentralem Rückhalt durch entsprechende Maßnahmenkombinationen zu ermitteln.

Kostenkalkulation

  1. Bezogen auf 1 km² werden 2 Hektar Fläche für das Retentionsnetz benötigt. Das Retentionsnetz entspricht einer Länge von 10 km pro Quadratkilometer.
  2. Die Kosten für das Anlegen der Speichergräben liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter (überwiegend Bagger-Arbeiten), für 1 km² ergeben sich Kosten von ca. 40.000 Euro.
  3. Hochgerechnet auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland würden die einmaligen Gestehungskosten bei  ca. 12 Milliarden Euro liegen.
  4. Da eine Entschlammung des Retentionsnetzes im Mittel  alle 10 bis 15  Jahre durchgeführt werden muss, reduzieren sich die gemittelten Kosten auf ca. 1 Milliarde Euro jährlich für die gesamte Bundesrepublik  Deutschland.

Den Kosten von ca. 1 Milliarde Euro jährlich für die Errichtung und Unterhaltung eines Retentionsnetzes zur nachhaltigen Vermeidung von Hochwasser-Katastrophen müssen  die jetzigen laufenden Kosten in Höhe von jährlich > 1 Milliarde Euro aus staatlichen Mitteln  gegenüber gestellt werden.
Diese jährlichen Kosten von mehr als 1 Milliarde Euro fließen zu einem großen Teil den Flurbereinigungsbehörden zu, um vorhandene Wasser- und Drainagegräben zu verfüllen sowie Flurgehölze, Brachland- und  Feldgehölzinseln zu roden,  damit größere Flächeneinheiten für landwirtschaftliche Großbetriebe geschaffen werden. Die Flurbereinigung dient primär dem Ziel, im Interesse der Landwirtschaft möglichst hohe Ertragssteigerungen zu erzielen. Deshalb strebt die Flurbereinigung an, das Oberflächenwasser möglichst rasch in Kanäle und andere Vorfluter abzuleiten.
Ähnliche Maßnahmen werden auch von den Wasserverbänden, Straßenbauämtern, Land- und Forstwirten sowie Bauherren durchgeführt, um anfallendes Regenwasser möglichst rasch in den nächsten Vorfluter und diesen in die Täler abzuleiten. Um die Strömung der Bäche und Flüsse zu beschleunigen, werden Bachbette tiefer gelegt und begradigt (sog. „Rennstrecken“). Uferbewuchs erscheint als unnötiges Hindernis und fällt den Ausbaumaßnahmen zum Opfer. Weiter flussabwärts führen diese Maßnahmen immer wieder zu katastrophalen Verhältnissen und verheerenden Überflutungen aufgrund des Wegfalls der natürlichen hydraulischen und hydrologischen Dynamik.
 
Die genauen Kosten für diese Ausbaumaßnahmen zur Beschleunigung des Wasserabflusses konnten  nicht genau bestimmt, sondern nur grob abgeschätzt werden. Sie liegen jedoch in der Größenordnung wie die der Flurbereinigungsmaß-nahmen in Höhe von ca. 1 Milliarde Euro jährlich.    
Die immer stärkeren Hochwässer der großen Ströme wie Elbe, Oder, Rhein und Donau machen es aus Sicht der Behörden und Landesregierungen notwendig, mit enormen finanziellen Mitteln (= Steuergeldern) die Deiche zum Schutz der dahinter liegenden Flächen zu verstärken und zu erhöhen. Und dies ist genau der falsche Lösungsansatz, welcher jährlich zusätzlich ca. 1 Milliarde Euro an Baukosten verschlingt. 
Dieser Tatsachenverhalt soll verdeutlichen, wie wenig sinnvoll mit den Geldern des Steuerzahlers umgegangen wird, welche Absurditäten im Wasserbau teilweise praktiziert werden und Kosten in Milliardenhöhe jährlich eingespart werden können.

Schäden durch Überflutungen
Die großflächigen Überschwemmungen finden vor allem wegen der damit verbundenen immensen Schäden besondere Aufmerksamkeit. Die folgenden Angaben zu den volkswirtschaftlichen Schäden beziehen sich auf die Daten und Statistiken der Münchner Rückversicherung  [7].

1. Im Zeitraum vom 12. – 20. August 2002 belaufen sich die offiziellen Hochwasserschäden in Deutschland auf 13.500 Millionen US $.

In dieser Schadenssumme von 13,5 Milliarden US $ ist die gesamte Schadstoffproblematik des Elbe-Hochwassers nicht enthalten. Das Hochwasser im Elbegebiet sorgte durch Unterspülung, Überflutung und Erosion für die Freisetzung unterschiedlicher Kontaminanten auf tschechischem und deutschem Gebiet. Die Halden des über Jahrhunderte betriebenen Erzbergbaus, „Tailings“ aus dem Uranbergbau der Nachkriegszeit und industrielle Altlasten aus dem Großraum Bitterfeld-Wolfen fungierten als Schadstoffquellen im Muldegebiet.  Hinterlassenschaften chemischer Produktionsbetriebe entlang anderer Nebenflüsse und der Elbe selbst, Braunkohletagebaue und sekundäre Altlastdepots in den Buhnenfeldern der Elbe waren betroffen. Hinzu kamen Schadstoffe aus überschwemmten Wohngebieten und Kläranlagen [8].

Bedenklich sind die über Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte bleibenden Verunreinigungen nach der Phase der Überflutung.

Die Elbe-Flut vom August 2002 hat gezeigt, dass nur ein komplexes, ja, radikales Umdenken, das nicht an politischen Grenzen halt machen darf und in rechtlichen Grundlagen verankert werden muss, unsere und die kommenden Generationen sowie unseren Lebensraum wirksam vor den Folgen solcher Katastrophen schützen kann.

2.

Allein die Überschwemmungen in der Zeit vom 20. – 27. 8. 2005 verursachten in der Schweiz einen Schaden von 2.100 Millionen US $, in Österreich von 700 Millionen US $ und in Bayern von 220 Millionen US $ [7].

3.

Die durch Hochwasser-Katastrophen verursachten Schäden betragen jährlich weltweit > 50 Milliarden US $.

Klimaschutz durch CO2 – Einsparung
Es wurde aufgezeigt, wie Hochwasser-Katastrophen nachhaltig vermieden werden können. Damit werden Schadenskosten in Höhe von > 40.000 Millionen Euro eingespart. Die Schadenskosten von > 50 % sind direkte oder indirekte Energiekosten.

  1. Beispiel: Die durch Hochwasser-Katastrophen zerstörten Siedlungen und gewerblich-industriellen Einrichtungen müssen wieder aufgebaut werden. Hierzu werden Baumaterialien gebraucht, wie z.B. Zement, Kalk und Baustahl. Die Produktionskosten für diese Materialien sind überwiegend Energiekosten. So verursachen bei der Zement-Produktion die Energiekosten ca. 95 % der gesamten Herstellkosten.
  2. Beispiel: Bei dem Elbe-Hochwasser im August 2002 waren zahlreiche Rettungsmannschaften, teilweise mit schwerem Gerät, im Einsatz. Die Bundeswehr mit ihrer hervorragenden technischen Ausstattung zu Boden, Wasser und Luft leistete zusätzlich  wertvolle Rettungsdienste. Es liegt mir fern, den engagierten Einsatz von allen Helfern und Einrichtungen zu schmälern.

Die Tatsache jedoch bleibt, dass an diesen Tagen des Katastrophen-Einsatzes mindestens 100 000 000 Liter an Diesel-, Kerosin-  und Benzinkraftstoffen verbraucht wurden.

Die vorstehenden Beispiele sollen verdeutlichen, welcher Energieinhalt in verschiedenen Materialien implementiert ist. Die Beispiele zeigen weiterhin, dass insbesondere Materialien für den Hoch- und Tiefbau sehr energieintensive Produktionsverfahren bedingen, wie z.B. Zement und Baustahl.

  • Recherchen ergaben, dass > 50 % der kalkulatorischen Kosten für die Sanierung von Hochwasser-Schäden als direkte und indirekte Energiekosten eingesetzt werden können.
  • Die Hochwasser-Schäden betragen > 40 Milliarden Euro pro Jahr. Somit belaufen sich die reinen Energiekosten auf > 20 Milliarden Euro für die Restaurierungsmaßnahmen.
  • Es wird ein mittlerer kalkulatorischer Wert von 0,5 Euro pro Kilogramm für fossile Brenn- und Kraftstoffe wie Kohle,  Heizöl, Diesel, Benzin u.ä.m. angenommen. Damit kann abgeschätzt werden, dass sich ein jährlicher Verbrauch von > 10 Millionen Tonnen fossiler Brennstoffe ergibt, welche bei der Verbrennung > 25 Millionen Tonnen klimaschädigendes Kohlenstoffdioxid erzeugen.

Ergebnis: Vermeidet man die weltweit verursachten Schäden durch Hochwasser-Katastrophen, so können dadurch > 25 Millionen Tonnen klimaschädigendes Kohlenstoffdioxid eingespart werden.

Klimaschutz durch biologische Systeme
Durch Photosynthese und nachfolgende Prozesse setzen Bäume das Treibhausgas CO2  in Holz um. Wälder sind gigantische Kohlenstoff-Speicher. In bis zu 400 Tonnen Holz pro Hektar lagern sie 200 Tonnen Kohlenstoff ein. In der Biomasse der Wälder  sind weltweit rund 600 Milliarden Tonnen an Kohlenstoff gespeichert.

Die weitere Idee ist, Flurgehölze entlang der Grabensysteme zu pflanzen.

Technische Realisierbarkeit, Rahmenbedingungen und Kosten am Modell Bundesrepublik Deutschland:

  1. Es werden zusätzlich zum Retentionsnetz weitere 3 % an freier Landschaftsfläche benötigt, um entlang der Wassergräben Flurgehölze in Form einer Hecke anzupflanzen. Das entspricht einer Fläche von ca. 6.000 km² für die Bundesrepublik Deutschland.
  2. Die Streifenbreite für die Hecke entlang des Grabens beträgt 3 m.
  3. Die Wassergräben des Retentionsnetzes sollen nur einseitig bepflanzt werden, damit (siehe Punkt 4 und 5)
  4. eine Entschlammung des Retentionsnetzes jederzeit durchgeführt werden kann.
  5. der Flächenverbrauch optimal genutzt wird, da bei einer einseitigen Bepflanzung die Grabenfläche vom Heckenvolumen mit beansprucht werden kann.
  6. Die Pflanzkosten liegen bei ca. 3 bis 5 Euro pro lfd. Meter.
  7. Die Forderungen der Landwirtschaft, die unrentable Streifenflur in eine rentable Blockstruktur umzuwandeln, ist berechtigt. Die heutigen modernen Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft verlangen zweifelsohne größere Bearbeitungsflächen. Um eine Ausgewogenheit von landwirtschaftlicher Nutzungsfähigkeit und Landschaftshaushalt auf Dauer zu gewährleisten, sollen im Mittel auf einer Einzugsfläche von 100 km²  5 % an freier Landschaftsfläche sinnvoll verteilt für das Grabenhecken-Netz reserviert werden.
  8. Den Landwirten ist eine 10jährige Nutzungsentschädigung (= „staatlicher Pachtzins“) von gesamt 100 Euro pro Hektar  zu bezahlen.
    Basis für die Nutzungsentschädigung: Pro Hektar wird ein Wasserspeicher-Volumen von 150 m³ und eine Fläche von 300 m²  für die Grabenhecke dauerhaft zur Verfügung gestellt. Die Mindestdauer beträgt 10 Jahre, angepasst an den Rhythmus der Entschlammung des Retentionsnetzes.  Die Höhe der vorgeschlagenen Nutzungsentschädigung ist für jeden Landwirt attraktiv und aufgrund ähnlicher Beispiele (siehe Aktion „Nitrat im Grundwasser“ des Landes Baden-Württemberg) kann mit einer schnellen Realisierung auf freiwilliger Basis gerechnet werden.
  9. Die Kosten für die  Nutzungsentschädigung  würden  bei jährlich  200 Millionen  bundesweit liegen. Diese Summe wäre ein Bruchteil dessen, was jährlich für Flurbereinigung, Hochwasserschutz, Beseitigung von Hochwasser-Schäden u.ä.m. ausgegeben wird. Diese Kosten liegen bekanntlich im Milliarden-Bereich!

Nutzen der Grabenhecken:

  1. Eine Grabenhecke produziert jährlich ca. eine Tonne Biomasse pro Flutgraben von 100 m Länge. Das Grabenhecken-System würde nach dem beschriebenen Modell eine Fläche von ca. 9 800 km² beanspruchen, also 5 % der freien Landschaftsfläche (= 196.273 km²) der Bundesrepublik Deutschland. Die Länge des Grabenhecken-Systems wäre ca. 2 Millionen Kilometer als Modell-Betrachtung.
  2. Die durch das Grabenhecken-System jährlich produzierte Biomasse würde ca. 20.000.000 Tonnen entsprechen. Dadurch könnten jährlich durch die Grabenhecken mehr als 30.000.000 Tonnen an klima-schädigendem Kohlenstoffdioxid gebunden werden.
  3. Grabenhecken beherbergen in ihrem kleinräumigen Mosaik von Standorten eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Es besteht zwischen ihnen sowie zu den agrarischen Nutzungsformen und anderen Landschaftsbedingungen ein vielseitiges Beziehungsgeflecht, das sich durch relative Ausgeglichenheit und Stabilität auszeichnet [9].

Extreme Flurbereinigungen, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten praktiziert  wurden, haben zu einer Verarmung der Artenvielfalt und zu Beeinträchtigungen des Bodens und Wasserhaushaltes geführt. Es gilt, diese Schäden in einer sinnvollen Weise zu beheben. Dazu dient das vorliegende Dossier.   

Die Funktionen von Stauseen-Ketten
Eine bekannte Stauseen-Kette wurde bereits im 16ten bis 19ten Jahrhundert im Harz auf engstem Raum von rund 200 Quadratkilometern in einer einzigartigen Dichte von 143 Stauseen angelegt (Oberharzer Wasserregal). Die vielen kleinen Seen bei Clausthal-Zellerfeld besitzen einen Gesamtinhalt von 22 Millionen m³ und dienten zur Speicherung von Wasser, um die Wasserräder in den Bergwerken des Oberharzer Bergbaus anzutreiben. Das Oberharzer Wasserregal  mit seinem 500 km langen Wasserzuführungs-Grabensystem zählt zu den größten und bedeutendsten historischen bergbaulichen Wasserwirtschaftssystemen der Welt. Die Anlagen wurden am 31. Juli 2010 wegen ihrer Einzigartigkeit und ihres großen Umfanges vom UNESCO-Welterbekomitee zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
Einige der Stauseen erfüllen in der Gegenwart aus Sicht der Wasserwirtschaft noch einen Zweck im Hochwasserschutz und in der Trinkwassergewinnung.

Im Hochmittelalter und bis zu Beginn des 19ten Jahrhunderts wurden in Deutschland eine Vielzahl von Teichen angelegt. Sie dienten der Fischzucht und besonders dem Gewerbe, wie z.B. Mühlenteiche.
So wurden im Gebiet des Landkreises Ravensburg im Verlauf des 15ten bis 19ten Jahrhunderts rund 2 400 Weiher angelegt. Im Rahmen der in den Jahren 1978 bis 1981 im Landkreis Ravensburg durchgeführten Feuchtgebietskartierung wurden lediglich noch 659 der 2409 Weiher und ehemaligen Weiher aufgenommen. Damit wurde der allergrößte Teil der früheren Weiher aus dem Bild und dem Verbund der Kulturlandschaft völlig eliminiert. Dadurch verlor man schätzungsweise 25 bis 30 Millionen Kubikmeter an Speicherraum für das Niederschlagswasser [13]. Und dies allein nur im Landkreis Ravensburg. Die daraus resultierenden Probleme für den  Landschaftswasserhaushalt sind allgemein bekannt:
Absinken der Grundwasserstände, mangelnde Grundwasserneubildung, schnelle und starke Hochwasserabflüsse, allgemein stark schwankende Wasserführungen der Fließgewässer sowie zunehmende Überschwemmungen mit immensen materiellen Schäden und Todesopfern.

Mit dem Bau von Stauanlagen ahmt der Mensch die von der Natur gegebenen Bedingungen einer Wasserspeicherung nur nach. Denn Stauseen gibt es von Natur aus und sie sind schon seit Jahrtausenden vorhanden. Man betrachtet sie bloß nicht als Stauseen. Die meisten Naturseen der Alpen und Voralpen oder anderer Bergregionen entstanden als Stauseen, weil abschmelzendes Gletscherwasser sich an der Endmoräne staute, und erst als der Rückstau entsprechend gefüllt war, sich dann das Wasser einen Überlauf schaffte. So läuft der Hochrhein in den Bodensee und wird dort als großer See zurückgestaut, bis das Wasser das Seebecken über den Rhein bei Schaffhausen wieder verlässt. Die Tiroler Ache speist auf dieselbe Weise den Chiemsee und fließt als Alz zum Inn. Bei Rhone und Genfer See verhält es sich analog. Durch einen Stausee fließt der Fluss mit gleicher Wassermenge pro Jahr wie ohne Aufstau. Nur so lange, bis das Staubecken aufgefüllt ist, kommt eine Rückhaltung zustande. Aus eben diesem Grund kann auch ein Stausee nur so viel Wasser einer Flut zurückhalten, wie noch nicht aufgefüllte Speicherkapazität vorhanden ist.
Die Ketten von Stauseen, wie sie an vielen Flüssen gebaut worden sind, um Strom zu erzeugen oder Mindestwassertiefen für die Schifffahrt zu garantieren, bewirken bei Hochwasser nicht allzu viel, weil ihnen größere Speichermöglichkeiten fehlen. Bei der Anlage von Stauseen-Ketten wurde besonderes durch den Naturschutz darauf geachtet, den „Landschaftsverbrauch“ möglichst zu minimieren. Die Ergebnisse sind jetzt für Hochwasser nicht taugliche Stauseen.

Schadenshochwässer können nur dann von Stauseen-Ketten entschärft oder gar vermieden werden, wenn entsprechend große Flutungsflächen bereit gestellt werden. Stauanlagen können das Hochwasser umso weniger entschärfen, je schneller das Wasser durch den Ausbau der Kleingewässer im Einzugsbereich zum Hauptfluss strömt.
Dieses Prinzip wurde insbesondere bei der Bilanzierung der vielen kleinen Begradigungen und Meliorationsmaßnahmen in den Oberlaufbereichen unserer mitteleuropäischen Flüsse  missachtet [11]. Die Folgen zeigen sich in den Schadenshochwässern unserer Zeit mit ihren verheerenden Schäden [12].

Es ist abzusehen, dass in den kommenden Jahrzehnten dezentrale Stauseen-Ketten im Verbund mit kleinmaschigen Retentionsnetzen als Landschaftselement erkannt und anerkannt sein werden und sie zu einem wichtigen Objekt neuzeitlicher Stadt- und Landesplanung werden. Man wird ihnen ähnlich wie im Denkmalschutz und beim Schutz der Kulturlandschaft speziellen Schutz angedeihen lassen. Verlandete Stauseen und Mühlenteiche, zugeschüttete Gräben, Mulden und Tümpel  werden vermutlich mit viel Aufwand wieder saniert und regeneriert. So reagieren die Menschen auf das Bekannte. 


Zusammenfassung der Ergebnisse

Konzept-Idee:

Aufbau einer Vielzahl kleiner, vernetzter Retentionsräume zur Wasserrückhaltung in der Fläche im Verbund mit Stauseen-Ketten.

Konsequenzen:

  • Immense materielle Schäden von > 40 Milliarden Euro können jährlich und weltweit vermieden werden.
  • Der Wasserhaushalt wird durch Wasserrückhaltung weltweit nachhaltig verbessert.
  • Die Trinkwasser-Qualität wird allgemein verbessert. Auswaschungsverluste von Nährstoffen in die Fließgewässer werden verringert.
  • Das Klima wird geschont. Ca. 25 Millionen Tonnen klimaschädigendes Kohlenstoffdioxid können jährlich eingespart werden.
  • Die Gefahr von Dürren, Hitzewellen, Torf- und Waldbränden wird gemindert.
  • Der Aufbau eines Grabenhecken-Netzes trägt zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft bei. Die Artenvielfalt wird durch die Vielzahl kleiner, vernetzter Retentionsräume zunehmen. Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes werden unterstützt.
  • Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird gefördert.
  • Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Flutungskapazitäten werden künftig die Natur mitprägen.
  • Soziale Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern flussabwärts.
  • Moral: Schadenshochwässer zu vermeiden gebietet die Menschlichkeit.

Literaturangaben

[1]  Reichholf, J.H.:Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends.  3. Auflage. Frankfurt am   Main: S. Fischer Verlag, 2007.
[2] Reichholf, J.H.: Stabile Ungleichgewichte. Die Ökologie der Zukunft.  1. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 2008.
[3] Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg: Hochwassergefahr  und Strategien zur Schadensminderung in Baden-Württemberg. Stuttgart, April 2003.
[4] Kron, W.: Hochwasser. In: Wetterkatastrophen und Klimawandel. ISBN 3-937624- 80-5. München: Münchener Rück, S. 122 – 131, 2005.
[5] Heyn, E.: Wasser – ein Problem unserer Zeit. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Verlag Moritz Diesterweg, S. 57, 1981.
[6] Koch, E.: Kleine Gewässer – Große Wirkung. Über die wahren Ursachen von Hochwasser-Katastrophen und deren Vermeidung. Offenbach/Main: AFZ/fischwaid, Heft 3, S. 19-21, 2010.
[7] Koch, E.: Dränagegraben als Wasserspeicher nutzen. Stuttgart: BW-agrar, 61. Jg., Heft 36, S. 17 – 18, 2009.
[8] Münchner Rück: Topics Geo. Jahresrückblick Naturkatastrophen 2005. München: Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, 2006.
[9] Geller, W.; Ockenfeld, K.; Böhme, M.; Knöchel, A.: Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002. Magdeburg: UFZ – Umweltforschungszentrum Leipzig -  Halle, 462 S., 2004.
[10] Horst, K.; Koch, E.; Stamm, R.A.: Zur biologischen und landschaftsökologischen  Bedeutung der Hecken in schutzwürdigen Teilen der Lüneburger Elbmarsch. Lüneburg: Jahrbuch Naturwiss. Verein Fürstentum Lüneburg, Bd. 35,  S. 77 – 142, 1981.
[11] Koch, E.: Nachhaltiger Hochwasserschutz. Düsseldorf: Umweltmagazin,  Heft 10-11, S. 77, 2009.
[12] Münchener Rück: Schadenspiegel – Themenheft Risikofaktor Wasser. München: 48. Jahrgang,  S. 1- 48, 3/2005.
[13] Konold, W.: Oberschwäbische Weiher und Seen. Teil I. 1. Auflage. Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Karlsruhe,  S. 161- 164, 1987.
 

 

Drainagegraben - 200 Jahre lang falsch konzipiert?

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden Klimawandels lohnt es sich, darüber nachzudenken, inwieweit Drainagesysteme als Wasserspeicher genutzt werden können und zugleich einen Beitrag zum präventiven Hochwasserschutz leisten. Für Umweltschützer ist von zusätzlicher Bedeutung, dass auf diesem Weg neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschaffen werden. Über eine 40jährige Praxiserfahrung zum Grabenspeicher wird berichtet.


Drainage ditch – did we follow the wrong concept for the past 200 years?

Taking the fact into consideration that the climate is ever changing it is important to consider drainage systems. Those systems can be used as water retainers as well as protection systems for flood prevention. At the same time new living space for animal and plant life is being created. Approximately 40 years of life experience using ditch reservoirs have contributed to this report.
 

1 Einleitung
Der Drainagegraben ist eine Form der Entwässerung zur Trockenhaltung von meist landwirtschaftlich genutzten Böden und fand seit Anfang des 19ten Jahrhunderts bis heute in Europa breite Anwendung. So wurden noch vor rund 50 Jahren etwa 10 000 Hektar Fläche jährlich allein in Westdeutschland neu drainiert. Die Dränung wird vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt, damit die Bearbeitungsflächen mit Stau- oder Haftwasser früher abtrocknen und die Vegetationszeit insgesamt verlängert werden kann (früher trocken im Frühjahr, länger trocken im Herbst). Dieser Prozess wird durch die bessere Durchlüftung des Bodens nach Entfernen des Wassers durch die Dränung gefördert. Ziel der Dränung ist, möglichst deutliche Mehrerträge zu erhalten.
Die Dränung wird auf (Teil-) Flächen durchgeführt, die ohne Drainage überhaupt nicht landwirtschaftlich nutzbar wären, wie z. B. Flutrasen und Senken. Dies ist vor allem unter zunehmendem Maschineneinsatz wichtiger geworden, da ein Befahren bei zu hoher Wassersättigung des Bodens zu erhöhter Bodenverformung führt. Extreme Fahrspuren sind die sichtbare Folge, weiterhin die Zerstörung der Porenkontinuität durch Scherung und die Homogenisierung durch „Kneten“.

Für eine erfolgreiche Dränung wird eine gesicherte Vorflut (= Bach, Fluss) vorausgesetzt, das heißt, der Drainagegraben muss genügend Gefälle zum abführenden Gewässer besitzen. In der Praxis wird meist ein Gefälle von 1 bis 2 % angelegt. Dadurch wird die Wasserbewegung innerhalb des Grund- und Stauwassers in Richtung auf den nächsten Wasserlauf beschleunigt und die Fließzeit verkürzt. Für die volle Wirksamkeit eines Dränsystems mittels offener Gräben sind die Dräntiefe und der Dränabstand entscheidend.
Die Drainage nimmt also direkten Einfluss auf den Grundwasserspiegel, auf den Wasserhaushalt und dadurch auch auf den Stoffhaushalt. Dies sind die Gründe, weshalb die Wirkungen von Drainagen kontrovers diskutiert werden.


2 Zur Geschichte der Dränung
Wir leben in einer Zeit, in der sich bisherige Wertmaßstäbe oft innerhalb weniger Jahre ändern. Besonders deutlich wird dies in unserem Verhältnis zum Wasser. Jahrtausendelang war das Wasser ein Feind des Menschen. Natürlich – man trank es, man wusch sich darin, man tränkte das Vieh und betrieb die Wasserräder zur Energiegewinnung. Aber was die Grundhaltung der Menschen bestimmte, waren nicht diese alltäglichen Selbstverständlichkeiten, sondern die zerstörerische Kraft des Wassers: Die Sturmfluten, die die Deiche an Küsten überspülten, die Überschwemmungen im Binnenland, die Behinderung der Transportwege durch Flüsse und Sümpfe, die Schwierigkeiten bei der Kultivierung der Moore. Die Besiedlung Mitteleuropas ist gleichzeitig auch eine Geschichte des Kampfes gegen das Wasser: Flüsse wurden in ein neues, schlauchartiges Bett gezwängt, Deiche immer höher aufgeschüttet, viele Bäche fließen inzwischen in unterirdischen Röhren, und frühere, großflächig feuchte Gebiete, wie die Moore, sind bis auf wenige Reste trockengelegt und werden von der Landwirtschaft genutzt.
Insbesondere zu Beginn des 19ten Jahrhunderts sind nahezu alle Gewässer in Mitteleuropa systematisch korrigiert worden. Die stark wachsende Bevölkerung benötigte Nahrungsmittel und Energie. Es ging darum, so viel Kulturfläche wie möglich für den landwirtschaftlichen Anbau zu gewinnen. Unberührte, unkultivierte Natur – das war eine brachliegende Ressource, geradezu ein Frevel !
Diese gesellschaftliche Notwendigkeit veränderte unsere Landschaft und führte zu begradigten, oft sterilen Gewässerstrecken. In vielen Fällen geplant, ausgeführt, zumindest aber begleitet durch die staatliche Wasserwirtschaftsverwaltung bzw. deren damaligen Vorläufern und den Flurbereinigungsbehörden.
Der Blick zurück zeigt jedenfalls, dass das zum Teil rund 200 Jahre alte „Erbe“ der Gewässerveränderungen nicht aus Willkür oder Unvernunft entstanden ist, sondern bittere Notwendigkeit im damaligen gesellschaftlichen Konsens war.
So wurde ein Großteil der kleinen Flüsse, Bäche und sogar Rinnsale oder nur zeitweise wasserführenden Gräben mit immensem Aufwand an Geld so ausgebaut, dass das Niederschlags- oder Sickerwasser schnellstmöglich ab- und in die großen Flüsse eingeleitet wurde. Deshalb erhöhte sich die Entwässerungsgeschwindigkeit von 1 m/Std. auf bis zu 4000 m/Std. heute. Dadurch laufen die Hochwasserwellen tendenziell erheblich schneller ab und bilden höhere Spitzen.

 



Kanalartig begradigter Bach auf der Gemarkung Altshausen. Um die Abflussgeschwindigkeit zusätzlich zu erhöhen, wurde die Bachsohle mit Betonschalen ausgekleidet.

 

Ein weiteres Ziel der Kulturmaßnahmen war es, auf allen landwirtschaftlichen Produktionsflächen auch möglichst gleichartige Produktionsbedingungen zu schaffen. Standortnachteile sollten behoben werden. Frühere Grenzertragsflächen, deren Bewirtschaftung im Vergleich zum Aufwand kaum Erträge erwarten ließ, konnten durch die Kulturmaßnahmen in die landwirtschaftliche Produktion einbezogen werden. Das Ziel der Flurbereinigung war seit den 1950er Jahren, die Landschaft zu maschinenbefahrbaren Produktionsstätten umzugestalten. Daher sind überall dort, wo neuzeitliche Flurbereinigungen durchgeführt worden sind, die Elemente der traditionellen Kulturlandschaft - vor allem die der dritten Dimension- abgetragen bzw. aufgefüllt worden.

Als eine der Hauptwirkungen der landesweiten Entwässerung der Fluren verschwanden weithin die Unterschiede in den Lebensbedingungen der Natur. Besonders groß wurden die Verluste bei den Feuchtgebieten. Moderne, von starken Motoren getriebene Maschinen ermöglichten die Entwässerung von Mooren, Feuchtwiesen und Sümpfen. Das Anlegen von Dränsystemen und das Ausbetonieren von Abzugsgräben gehörte zum Standard des Kulturwasserbaus. Der Ausbau der Gewässer III. Ordnung verschlang jene Summen an Steuermitteln, die dringend benötigt worden wären, die Hochwasser-Probleme zu lösen.


3 Die Auswirkungen der Dränung
Durch Dränung kommt es zu einer allgemeinen Absenkung der Grundwasseroberfläche. Durch das relativ rasche Abführen des Wassers sollten die Grundwasserschwankungen deutlich verringert werden. Die Veränderung des Grundwasserspiegels bei Grundwasserböden (Auenböden, Moore, Gleye und Marschen) kann Auswirkungen auf benachbarte, von weitgehender Wassersättigung abhängiger Ökosysteme haben wie Auen- und Bruchwälder, Sümpfe und Moore, Nass- und Feuchtwiesen, Röhrichte und Seggenriede. Des weiteren entstehen oxidierende Verhältnisse im entwässerten Oberboden, die verstärkt aerobe Vorgänge wie die Mineralisation von organisch gebundenen Nährstoffen fördern.
Dränung kann neben höheren Nährstoff-Konzentrationen im Grundwasser (z. B. Nitrat) auch dazu führen, dass Nährstoffe den Boden allgemein schneller passieren, beispielsweise durch präferentielle Fließwege in feinkörnigeren Böden (z. B. Lehme). Hier führt die Entwässerung zu Schrumpfungsvorgängen. Durch die größeren vertikalen Risse fließt dann bevorzugt Wasser ab, das jegliche Bodenpassage somit umgeht, die einen Teil der Nährstoffe u. U. zurückhalten könnte.
Die Wirkung von Vorflutern, die als Vorbedingung für die Drainage vorhanden sein müssen, ist auf den Wasserhaushalt relativ unumstritten. Demnach führen sie für sich gesehen durch höhere Hochwasserscheitel, höhere Hochwasservolumina, gleichzeitige Vorverlegung des Hochwasserscheitels und Minderung der Niedrigwasserabflüsse zu extremeren Abflussschwankungen.
Deshalb werden die Wirkungen von Drainagen auf den Wasser- und Stoffhaushalt zurecht kontrovers diskutiert.


4 Wassermangel durch Klimawandel
Studiert man die aktuell vorliegenden Klimamodelle für die Zukunft in Deutschland, so muss die bisherige Rolle des Drainagegrabens auch unter diesem Aspekt kritisch hinterfragt werden. Denn nach den allgemein anerkannten Klimamodellen ist mit verstärkten Extremwetterereignissen sowie wärmeren und trockeneren Sommern einerseits und milderen und feuchteren Wintern andererseits zu rechnen. Diese Phänomene sind derzeit überall in Deutschland und Mitteleuropa bereits zu beobachten. Unmittelbare Auswirkungen auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft sowie Garten- und Weinbau sind die Folge. So werden die Bauern und Forstwirte, die Gärtner und Weinbauern mit einem zunehmenden Wasserdefizit während des Sommers konfrontiert. Dem gegenüber steht ein Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr.
Für die landwirtschaftliche Produktion bedeutet dies:
 

  • Zunahme an Sonnenlicht
  • Zunahme an Wärme
  • Abnahme an Wasser
  • Abnahme an Bodenfruchtbarkeit.

Eine intensive landwirtschaftliche Nutzung kann nur erfolgen, wenn alle vier Faktoren überreich vorhanden sind. Bei Mangel einer der vier Faktoren, bricht bereits nach wenigen Jahren eine Überschussproduktion zusammen. Wollen wir auch zukünftig ernten, um uns ernähren zu können, so muss alles getan werden, fruchtbaren Boden zu erhalten und zu mehren sowie Wasser zu speichern. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden. Machen wir uns bewusst, dass lediglich 0,3 % des Wasservorrats der Erde uns zur Verfügung stehen. Damit stellt sich die Frage, wie einem zunehmenden Trockenstress in der Vegetationsperiode einerseits und den zunehmenden Niederschlägen im Winter andererseits in der land- und forstwirtschaftlichen Praxis begegnet werden kann.
Auch darf in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt sein, ob die seit rund 200 Jahren auf den land- und forstwirtschaftlichen Kulturflächen millionenfach angelegten Drainagegräben richtig konzipiert sind, wenn sie während den Sommermonaten, also genau zur Hauptvegetationszeit, meistens kein Wasser führen und in den niederschlagsreichen Monaten die Dränung und Durchlüftung des Bodens nicht optimal sind?
 

5 Eine salomonische Lösung:
   Den Drainagegraben zum Wasserspeicher ausbauen

Die naheliegende wie einfache Idee ist, das Niederschlagswasser nicht schnellstmöglich in kanalisierten Rinnsalen und Drainagegräben in einen Vorfluter abzuleiten, sondern das Wasser, eines unserer wichtigsten Lebensgüter, von Anfang an und unmittelbar im Einzugsgebiet eines Gewässers zurückzuhalten.
Drainage- und Wassergräben, welche bislang üblicherweise mit einem Gefälle zum Vorfluter hin verlaufen, erhalten ein „negatives“ Gefälle. Sie werden „gekippt“ und zur Senke ausgebildet, um die Wasserspeicherkapazität gegenüber einem konventionellen Drainagegraben signifikant zu erhöhen. Die Sohle eines solchen Grabens, hier Grabenspeicher genannt, liegt damit grundsätzlich tiefer als die Sohle des Vorfluters. Die Absenkung soll bei mindestens 0,2 % Gefälle gegenüber der Bachsohle liegen, bei geeigneten hydrotopographischen oder geomorphologischen Verhältnissen größer. Damit ist gewährleistet, dass der Grabenspeicher ganzjährig mit Wasser gefüllt ist.
Das Ziel muss sein, bisherige Drainagegräben und Rinnsale zu reaktivieren und sie als Grabenspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Ebenso können Mulden, Senken, Tümpel, Rigolen, Sölle, Schlatts, Teiche und Weiher, welche mit dem Vorfluter vernetzt sein müssen, für eine natürliche Speicherung des Niederschlagswassers benutzt werden. Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen wird ein breitflächiges Retentionsnetz aufgebaut, um einen Großteil der Niederschläge und des Hochwassers zu speichern. Die hydrologische Vernetzung der Speicherräume mit dem Vorfluter ist eine Grundvoraussetzung.
Die teilweise Entleerung dieser Rückhalteräume erfolgt, wenn wieder ausreichend Kapazität im Vorfluter gegeben ist. Dann wirken die Grabenspeicher als Wasserspender.
Um ein frühzeitiges Ausufern des Fließgewässers bei Hochwasser in die Grabenspeicher zu ermöglichen, wurden schmale Gehölzstreifen als Drosseln in die Uferböschung des Fließgewässers gepflanzt. Als vorherrschende Holzart verwendete man die Schwarz- oder Roterle (Alnus glutinosa) sowie einige Baumweiden wie Bruchweide (Salix fragilis), Fahlweide (Salix rubens) und Silberweide (Salix alba). Auf reicheren Böden eignen sich als Ufergehölze die Esche (Fraxinus excelsior) und Traubenkirsche (Prunus padus). Zu ihnen gesellen sich Sträucher wie Hasel (Corylus avellana), Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus), Heckenkirsche (Lonicera xylosteum) und Bluthartriegel (Cornus guinea).
Durch den ingenieurbiologischen Uferverbau wurde ein natürliches Profil mit Drosselfunktion in das Fließgewässer eingebaut, um ein Gleichgewicht zwischen dem Abfluss im Fließgewässer und der Wasserspeicherung im Retentionsnetz herzustellen.


6 So kann die technische Umsetzung aussehen: Aus alten Gräben werden neue Biotope
Auf zahlreichen landwirtschaftlichen Flächen sind bereits Drainagegräben vorhanden, meist entlang von Parzellengrenzen, dann vielfach auch in Waldstandorten, jedoch meistens mit einem Gefälle zum Vorfluter hin ausgebaut und nicht als Senke ausgelegt. Diese bereits vorhandenen Drainagegräben beanspruchen in der Regel ca. 1 bis 2 % der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen und können mit einfachen technischen Mitteln, z. B. einem Minibagger, zu Senken (= Grabenspeicher) ausgebaut werden. Die Kosten für das Anlegen eines Grabenspeichers liegen bei durchschnittlich ca. 4 Euro pro lfd. Meter. Alle 10 bis 12 Jahre muss eine Entschlammung der Grabenspeicher sowie der anderen Rückhalteräume durchgeführt werden. Als Grabenprofil hat sich die Trapezform bewährt. Die Grabenbreite an der Grabenkrone soll mindestens 2 Meter, an der Grabensohle 1 Meter betragen. Am Ende kann durch Aufweiten und Vertiefen des Grabenprofils ein kleiner Weiher mit abgeflachten Ufern für die Wasserentnahme zur Bewässerung landwirtschaftlich genutzter Felder entstehen. Bewährt haben sich Wasserflächen von 20 bis 100 Quadratmetern und einer Tiefe von 1 bis 2 Metern.
Und hier ist der Bagger nicht als naturzerstörende Technik anzusehen, sondern als willkommenes Hilfsmittel des Naturschutzes, um verschiedene Sünden der Vergangenheit wieder auszugleichen.
 



Ein Beispiel für einen Grabenspeicher. Seine Länge von rund 100 m wird durch den natürlichen Uferbewuchs überdeckt. Hier können bis zu 600 m³ Wasser gespeichert werden. Die ökologische Bedeutung solcher Grabenspeicher ist hoch.

 

7 Neuen Lebensraum schaffen
Sehr schnell wird ein solcher Weiher von Wasserfauna und Wasserflora besiedelt, ebenso können neue Habitate für spezielle Kleinfischarten entstehen, wie zum Beispiel für die stark gefährdete Karausche (Carassius carassius), dem Fisch des Jahres 2010. Den neu geschaffenen Lebensraum kann sich die Karausche mit anderen Fischarten teilen, wie mit Schleie (Tinca tinca), Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis), Moderlieschen (Leucaspius delineatus) und dem vor rund 30 Jahren nach Europa eingeschleppten Giebel (Carassius gibelio).
Und ohne Zutun des Menschen bildet sich bald ein „Froschweiher“. Wasservögel besuchen ein solches Biotop stundenweise, zum Teil wird auch gebrütet (z. B. Krickente) und selbst Bachforellen gehen hier auf Froschfang. Für eine Biotop-Neuschaffung („Natur aus zweiter Hand“) kann jeder etwas tun.
 



Hier das Beispiel eines naturnah geschaffenen Wasser-Rückhalteraumes („Biotop aus zweiter Hand“) mit einer krautreichen Wasserflora und zugleich Schaffung eines Habitats für gefährdete Kleinfischarten, wie zum Beispiel der Karausche.

 

Durch die vorstehend beschriebenen Maßnahmen werden nicht nur neue Kleingewässer geschaffen, sondern es wird ein Netz an naturnahen Wasserrückhaltespeichern entstehen. Die Schaffung und der Schutz solcher neuen Lebensräume kommen übrigens nicht nur gefährdeten Fischarten zugute, sondern sichern vielen anderen Arten (Vögel, Amphibien, Libellen u.a.), die durch menschliche Eingriffe in die Gewässerstrukturen in ihrem Fortbestand gefährdet sind, das Überleben. Es wird damit ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Biodiversität geleistet, weil hier oftmals in kleinräumiger Abfolge limnische, nasse, sickerfeuchte, wechselfeuchte, wechseltrockene, nährstoffreiche und nährstoffarme Kleinlebensräume aneinander stoßen. Und solche, technisch einfach durchführbaren Maßnahmen zur Biotop-Neuschaffung sind sicherlich im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie zur Erreichung eines guten ökologischen Zustandes.
Ein weiterer, gewichtiger Vorteil wird sein, dass diese vernetzten Kleingewässer als Konzentrationspunkte eines vielfältigen pflanzlichen und tierischen Lebens inmitten einer durchaus zurecht als monoton und uniform bezeichneten Kulturlandschaft zu liegen kommen. Damit werden neue, wertvolle ökologische Zellen in eine Kulturlandschaft eingegliedert.
Der Schutz und die Wiederherstellung ökologisch funktionsfähiger und naturnaher Kleingewässer wird zukünftig nicht nur eine wichtige Aufgabe der Wasserwirtschaft sein, sondern erfordert ebenso eine intelligente Zusammenarbeit mit den verschiedensten Verbänden und Organisationen.


8 Grabenspeicher mit bivalenter Funktion: Wasserspeicher und Wasserspender
Bei Wasserüberschuss im Herbst, Winter und Frühjahr oder bei extremen Niederschlägen (Hochwasser) wirkt der zur Senke ausgebaute Grabenspeicher als Wasserspeicher. Zum Beispiel können bei Hochwasser von 1 m über Normalnull in solchen Grabenspeichern, je nach Länge, mehrere hundert Kubikmeter an Wasser gespeichert werden. Und ein Teil dieser Wassermengen stehen den Feldern und der Vegetation ganzjährig zur Verfügung. Auch der Wasserüberschuss aus den Wintermonaten kann während der Vegetationsperiode in den Sommermonaten für eine Bewässerung sinnvoll genutzt werden. Die konstante, ganzjährige Wasserversorgung durch die Grabenspeicher schafft die Voraussetzung für eine der Jahreszeit und Vegetation angepassten Transpiration und Evaporation aufgrund des kapillaren Wasseraufstiegs im Boden. Bei den bisherigen konventionellen Drainagegräben bricht dieses wichtige Wasserversorgungssystem durch den kapillaren Aufstieg insbesondere in den Sommermonaten aufgrund von Wassermangel zusammen, was zu einer Austrocknung des Oberbodens führt, wie zum Beispiel an der Krume von Ackerböden oder dem durchwurzelten Horizont bei Grünlandböden.

Damit übernimmt der Grabenspeicher in den Sommermonaten überwiegend die Funktion eines Wasserspenders, indem Wiesen und Äckern das so wichtige Bodenwasser durch den kapillaren Aufstieg zugeführt werden. Durch die potenzielle Wasserzufuhr wird das Wachstum der Pflanzen in trockenen Sommerzeiten gefördert. Dies ist dann besonders wertvoll, wenn Niederschlagsarmut in der Zeit nach der Heuernte auftritt und wenn der Boden bei starker Sonneneinstrahlung und geringem Schutz durch die Pflanzendecke besonders schnell austrocknet. Landwirte und Agrar-Experten kennen die Bilder aus den Grünlandgebieten, wo in solchen Fällen über Wochen hinweg fast keine Phytomasse-Entwicklung stattfindet.


9 Was unterscheidet den Drainagegraben vom Grabenspeicher?
Die wichtigsten Unterschiede zwischen Drainagegraben und Grabenspeicher liegen im Wasserhaushalt und dem Wasserspeichervermögen begründet, weiterhin in der ökologischen Bedeutung.
Während der Grabenspeicher sich durch eine permanente Wasserspeicherung auszeichnet (perennierendes Gewässer), liegen beim Drainagegraben stärkere Wasserstandsschwankungen und gelegentliches, im allgemeinen periodisches, längeres Trockenfallen vor (temporäres Gewässer). Das Wasserspeichervermögen im Grabenspeicher kann je nach Bauart um bis zu Faktor 20 höher sein als im konventionellen Drainagegraben.
Der Grabenspeicher führt als perennierendes (ganzjähriges) Gewässer ausdauernd Wasser und ist somit in der Lage, eine dauerhaft eigenständige aquatische Lebensgemeinschaft zu beherbergen. Aquatische Pflanzen mit einer längeren, teilweise mehrjährigen Entwicklung im Wasser kommen nur hier vor und fehlen weitestgehend in den periodisch austrocknenden Drainagegräben. Analoges gilt auch für die Aquafauna. Dies sind Gründe für die hohe ökologische Bedeutung der Grabenspeicher.


10 Die Nährstoffauswaschung wird reduziert und das Bodengefüge verbessert
Das erhöhte Wasserspeichervermögen durch das Retentionsnetz und die dadurch reduzierte Wasserpermeabilität in Böden wirkt erniedrigend auf die Sickerwassermenge und somit verringernd auf die Auswaschung von Nährstoffen in die Fließgewässer. Darüber hinaus werden aufgrund des ganzjährig potenziellen kapillaren Wasseraufstiegs Schrumpfungsvorgänge im Bodenkörper vermieden und somit präferenzielle (bevorzugte) Fließwege eliminiert. Dadurch werden Auswaschungen an Nährstoffen wie Nitrat und auch Pflanzenschutzmitteln ins Grundwasser oder Fließgewässer ebenfalls reduziert, was zu einer allgemeinen Verbesserung des Wasserqualität beiträgt.

Weiterhin führt der hier seit rund 40 Jahren aus der Praxis heraus entwickelte Speichergraben zu einer Verbesserung der Dränung und damit besseren Durchlüftung des Bodens, weil die Absenkungstiefe des Speichergrabens über die gesamte Länge konstant bleibt im Gegensatz zum konventionellen Drainagegraben, bei welchem die Absenkungstiefe aufgrund des Gefälles der Grabensohle kontinuierlich abnimmt und am Grabenende gegen Null geht. Dabei ist die Luft im Boden ein wesentlicher Wachstumsfaktor und ebenso wichtig wie das Wasser. Die Atmung der Pflanzenwurzeln, das bedeutet Aufnahme von Luftsauerstoff, ist eine elementare Vorbedingung für die Aufnahme von Wasser und Nährstoffen durch die Pflanze.
Die erhöhte Durchlüftung des Bodens führt auch zu einer Verbesserung des Wärmehaushaltes. Entwässerte Böden sind wärmer, einerseits wegen des geringeren Wärmeentzugs durch Verdunstung, wie andererseits durch eine verringerte Wärmespeicherkapazität. Damit in Zusammenhang steht eine erhöhte Aktivität von Bodenorganismen und insgesamt eine Gefügeverbesserung des Bodens.


11 Präventiver Hochwasserschutz
Die ehemaligen Auenlandschaften, in denen sich die Wasserfluten ausbreiten konnten, sind zugebaut, verbraucht und können nicht mehr wieder zurück gewonnen werden. Wo kein Platz mehr ist, kann man keine Deiche rückverlegen, keine Auenlandschaften gründen und keine neuen Mäander-Strukturen schaffen. Der Gedanke an eine Renaturierung unserer Flussauen muss leider in den meisten Fällen „Naturromantik des 18ten Jahrhunderts“ bleiben.
Die gebetsmühlenartig geforderte Herstellung von Auenwäldern und Mäanderstrukturen ist nur dann für den Hochwasserschutz und die Anreicherung von Grundwasser wirksam, wenn diese das Gewässer von der Quelle bis zur Mündung begleiten. Es bringt so gut wie nichts, nur „zwischendrin“ Auewälder und Mäanderstrukturen für teures Geld zu errichten. Allgemein werden die Renaturierungsmaßnahmen und das Mäandrieren in ihrer Wirksamkeit überschätzt oder falsch dargestellt. Sie können in der Regel kein wirkliches Katastrophen-Hochwasser verhindern, es sogar oft nicht einmal signifikant mindern. Dazu sind die Wassermassen einfach zu riesig, die an den großen Flüssen bei Extremereignissen anfallen.

Die wirkungsvollste Möglichkeit, Hochwasserschäden zu begrenzen, ist der Rückhalt von Hochwasserspitzen bereits im Einzugsgebiet von Bächen und Flüssen unter optimaler Nutzung aller natürlichen und künstlichen Speichermöglichkeiten. Natürliche oder naturnahe Speicher sind Waldungen, Moore, Seen, Tümpel, Weiher, Senken und Überschwemmungsgebiete sowie die vorstehend beschriebenen Grabenspeicher. Das Ziel muss sein, jeden bisherigen Drainagegraben oder jedes Rinnsal zu reaktivieren und als Wasserspeicher auszubauen, um möglichst ein Maximum an Rückhaltevolumen, sog. Retentionsräumen, zu erreichen. Die Rückhalteräume müssen mit dem Vorfluter (= Bach, Fluss) hydraulisch vernetzt sein. Durch diese Maßnahmen wird ein Retentionsnetz aufgebaut, um die Flutwelle im Bach oder Fluss zu kappen und in die Breite abzuleiten. Dadurch wird der Wasserabfluss räumlich und zeitlich entzerrt. Der Aufbau einer gefährlichen Flutwelle wird vermieden und verheerende Überflutungsschäden werden in der Regel ausbleiben. Ein „normales“ Hochwasser als völlig natürliche Erscheinung ist die Folge.

Künstliche Wasserspeicher wären Stauseen-Ketten, aber auch Mühlen- und Fischteiche. Es ist vorhersehbar, dass Stauseen-Ketten mit entsprechend großen Flutungsflächen die Natur künftig mitprägen werden. Die besten natürlichen Vorbilder für eine solche Stauseen-Kette sind unter anderem der Bodensee, Genfer See und Chiemsee.


12 Synergien für Natur, Landwirtschaft und Mensch
Die gezielte Speicherung von Niederschlägen und Hochwasser in Grabenspeichern und kleinmaschigen Retentionsnetzen dient dem Landbau zur Bewässerung, der Wasserwirtschaft zur Grundwasseranreicherung (Infiltration) und nimmt insgesamt als stabilisierender Faktor einen positiven Einfluss auf den Wasserhaushalt.
Wesentlich ist auch die soziale Verantwortung hinsichtlich Hochwasserschäden gegenüber den Anwohnern flussabwärts durch einen präventiven Hochwasserschutz. Denn Schadenshochwässer zu vermeiden, gebietet die Menschlichkeit.
Die Wiederherstellung natürlicher Wasserverhältnisse in verschiedenen grundwasserbeeinflussten Ökosystemen wird gefördert und ein Beitrag zur Verringerung der Auswaschungsverluste von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln in die Fließgewässer geleistet.
Ziele des Natur- und Landschaftsschutzes werden unterstützt und als solche besonders im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL 2000) nachhaltig verfolgt. Weiterhin trägt der Aufbau eines kleinmaschigen Retentionsnetzes zur Stabilisierung des Naturhaushaltes einer Landschaft bei. Die Vielfalt an Pflanzen und Tieren wird aufgrund der Biotop-Vernetzung erheblich zunehmen (Biodiversität).

Wenn in den nächsten Jahren über eine neue Verteilung der EU-Gelder für Agrar- und Umweltmaßnahmen nachgedacht wird, wäre dies eine für die Allgemeinheit lohnende Option.



13 Wasser – das Lebenselement der Erde
Es bedarf keiner langen Worte, um die Bedeutung des Wassers im menschlichen Leben, ja im Leben überhaupt, klarzumachen. So ist Wasser die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Pflanzen, Tiere und Menschen könnten ohne Wasser nicht existieren, wären ohne Wasser nie entstanden.
Was der Mensch durch den Wasserbau gefährdet hat und durch den Klimawandel verstärkt wird, mündet in einen Wassermangel in Europa. Sauberes Wasser droht zu einem knappen Gut zu werden. Deshalb muss ein neues „hydrologisches Grundgesetz“ postuliert werden:

Das Wasser zurückzuhalten, muss oberste Priorität haben.


Damit hat der vor 200 Jahren eingeführte Drainagegraben seine ursprüngliche Rolle als technische Entwässerungsrinne endgültig verloren. Wir müssen lernen, mit einer unserer wichtigsten Lebensgrundlage, dem Wasser, vernünftig und haushälterisch umzugehen.
 

 

Wohin mit Astholz und Mähgut bei der Gewässerunterhaltung?
Ein Umwelt-Tipp für Städte, Gemeinden und Vereine


von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Deutschland besitzt ein Netz von mehr als 1 Million Kilometern kleiner Fließgewässer. Es sind Gräben, Bäche und kleine Flüsse, die das Landschaftsbild bestimmen. Zusammen mit den schmalen Gewässerrandstreifen und den Ufergehölzen erfüllen sie im Naturhaushalt vielfältige Funktionen. Diese zu erhalten, zu pflegen und zu entwickeln ist eine wichtige Aufgabe und obliegt den Städten und Gemeinden. Doch ein großes Problem bei der Gewässerpflege ist immer wieder, wenn anfallendes Astholz, Schilf, Wasserpflanzen und Mähgut keine Verwendung oder keinen Abnehmer finden. Der häufig zu beobachtende Abtransport des Grünabfalls zu kommunalen Sammelstellen und anschließendes Schreddern und/oder Kompostieren ist aufwändig, energieintensiv und teuer. Die einfachste und unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Umweltschutzes beste Handhabung der organischen Abfälle ist das Aufsetzen von Reisig- und Totholzhaufen. Viele Arbeitsstunden und vor allem Kosten werden bei dieser natur- und umweltfreundlichen Lösung eingespart. Hierüber berichtet der folgende Beitrag.

 
 

Unterhaltungsmaßnahmen an kleinen Gewässern
Kleine Gewässer – Große Wirkung! Die kleinen Gewässer sind es, die qualitativ und quantitativ die „Kinderstube“ der großen Bäche und Flüsse bilden. Deshalb können diese immer nur so gut sein, wie es die vielen kleinen Gewässer im Einzugsgebiet zulassen.
Kleine Gewässer bedürfen einer fachgerechten Unterhaltung, um ihre Funktion für die Landwirtschaft, die Fischerei, die Wasserwirtschaft, den Naturschutz und die Landschaftspflege zu erhalten. Die Unterhaltung der Gewässer und das Umsetzen der Gewässerentwicklungskonzepte erfordert daher Fachkenntnis und umsichtiges Handeln. Im Rahmen der Unterhaltung sind z.B. Anlieger und Beteiligte, Fachbehörden und Fischereiberechtigte einzubinden. Weiterhin erfordert eine wirtschaftliche und gewässerverträgliche Unterhaltung eine jahrelange Erfahrung und vor allem ausgebildetes Fachpersonal wie unsere Gewässerwarte sowie den Einsatz von Spezialgeräten.
An den etwa 1 Million Kilometern Fließgewässer dritter Ordnung (kleine Flüsse, Bäche, Gräben) obliegt die Gewässerunterhaltung den Kommunen, also den Städten und Gemeinden. Eine fachgerechte und wirtschaftliche Unterhaltung der Gewässer ist auf der Ebene einer einzelnen Gemeinde oder eines einzelnen Wasser- und Bodenverbandes oft schwierig und dann nur unzulänglich durchzuführen. Der relativ kleine Umfang von Unterhaltungsarbeiten rechtfertigt andererseits weder die Einstellung bzw. feste Zuteilung von Fachpersonal und dessen kontinuierliche Aus- und Weiterbildung, noch eine eigene Material- und Gerätebereitstellung. Die Folge ist, dass bei der Unterhaltung der kleineren Gewässer oftmals die aktuellen gesetzlichen, fachlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten nicht ausreichend umgesetzt werden können.
Auch fehlen vielerorts den Gemeinden die Erfahrungen, wie man Fließgewässer naturgerecht behandelt. Deshalb sollten die Verantwortlichen in den Gemeindeverwaltungen ein hohes Eigeninteresse daran besitzen, „intelligente Allianzen“ einzugehen. Denn es bleibt den Kommunen überlassen, ob, wie, in welchem Umfang und in welchen Grenzen sie solche Kooperationen eingehen möchten.

 
 

Kooperation – Gemeinsam mehr erreichen
„Intelligente Allianzen“ zum Wohle ihrer Bürger entstehen immer dann, wenn Kommunen, Organisationen, Verbände und Vereine erfolgreich zusammenarbeiten. Das stärkt die Leistungsfähigkeit und damit auch die Eigenständigkeit der kommunalen Ebene. Sozialkompetenz und Umweltsinn des Einzelnen werden gefördert, ebenso Gemeinsinn und Kameradschaft. Der einhergehende Erfahrungsaustausch schafft auch Vertrauen im täglichen Miteinander und erleichtert die Arbeit vor Ort.
Im Bereich der Gewässerunterhaltung gibt es verschiedene Möglichkeiten der Kooperation, die je nach örtlichen Randbedingungen gelebt werden. Eine häufig praktizierte Kooperationsform der Kommunen ist die mit Umweltverbänden, Bachpatenschaften, Agenda 21-Gruppen, Privatunternehmen (Öko-Sponsoring) und mit den örtlichen Fischereivereinen. Und eine vorbildliche Gewässerunterhaltung funktioniert erfahrungsgemäß dann am besten, wenn alle, über bürokratische Grenzen hinweg, an einem Strang ziehen. Im Ergebnis wird durch die enge Kooperation der Verantwortlichen eine abgestimmte, naturnahe Pflege und Entwicklung unserer kleineren Fließgewässer gefördert.

 
 

Pflegemaßnahmen
Gewässer brauchen Schutz, Pflege und Platz für ihre Entwicklung. Hierbei sind einige Grundregeln der Gewässerunterhaltung zu beachten:

 
  • Die Hauptregel lautet: Weniger ist oft mehr. Das heißt, Gewässerpflege muss sein, aber nur nach Bedarf und unter Berücksichtigung der naturschutzfachlichen Bedeutung.
  • Kleingewässer erfordern nur selten menschliche Pflege. Aus Gründen des Naturschutzes sind stets extensive Pflegemaßnahmen durchzuführen.
  • Generell wirken sich Pflegeeingriffe um so weniger schädigend aus, je später im Jahr und je kleinflächiger sie erfolgen.

Im Einzelnen können folgende Pflegemaßnahmen sinnvoll sein:

 
  • Kleinseggenbestände an Quellbiotopen müssen, wenn eine Verbuschung und Bewaldung, also die Entwicklung zu Feuchtwäldern verhindert werden soll, in mehrjährigen Abständen manuell gemäht werden. Die Entscheidung darüber ist in jedem Einzelfall individuell zu treffen. Nichtstun bleibt bei Quellen im Regelfall die beste Alternative.
  • Die Ufer von Fließgewässern werden als sog. Unterhaltungsmaßnahme teilweise regelmäßig gemäht. Dies erfolgt oftmals aufgrund von kommunalen Verwaltungsvorschriften. Dieses regelmäßige Mähen ist aus Sicht des Naturschutzes kritisch zu sehen. Hochstauden-Säume und Röhrichte sollten, wenn überhaupt, nur abschnittsweise in Abständen von ein oder mehreren Jahren einmal im Spätherbst gemäht werden. So muss auch individuell entschieden werden, ob die von den Gemeinden angelegten Einheitsrasen weitgehend der Sukzession überlassen werden sollten. Andererseits wird man nicht ganz ohne Rasen auskommen, schon deshalb, weil nicht überall Gehölze Platz finden. In diesen Fällen kann man den Rasen als ein weiteres Gestaltungselement nutzen, wenn dieser mit Bedacht unterhalten wird. So können Rasenflächen, wenn sie mit blühenden Stauden durchsetzt sind, einem Heer blütensuchender Insekten, wie Bienen, Hummeln, Schwebfliegen, Käfern und Schmetterlingen, reichlich Futter bieten. Und wenn die Samen reifen, finden körnerfressende Vögel hier ebenfalls reiche Nahrung. Um diese Vorzüge verstärkt zu nutzen, werden neue Wege in der Rasenpflege nötig sein, etwa die umschichtige Mahd, wobei im Frühsommer nur die eine, im Spätherbst die andere Uferböschung geschnitten wird.
  • Ufergehölze verlieren an ökologischem Wert, wenn sie nicht mehr in einem niederwaldartigen Zustand gehalten werden: Sie „wachsen durch“, indem sie sich zu einer lichten Baumreihe wandeln, in der im Vergleich zu jüngeren Stadien deutlich weniger Gehölzarten gedeihen. Den größten Artenreichtum weisen Ufergehölze im Alter von 25 bis 40 Jahren auf. Die Berücksichtigung des folgenden Pflegehinweises kann den ökologischen Wert von Ufergehölzen sichern: Ein Rückschnitt von Ufergehölzen sollte in mindestens 15jährigen Abständen erfolgen, dann jedoch nur auf kurzen Abschnitten, um Tieren Fluchtmöglichkeiten zu belassen.
  • Kopfbäume (= Schneitelbäume), wie beispielsweise die Kopfweiden, müssen häufiger geschneitelt werden. Sie treiben nach dem Schneiteln, d.h. dem Abschneiden der Zweige, rasch wieder aus. Die Abstände des Schneitelns liegen bei etwa zehn Jahren, um die Kopfbäume vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren.
  • Sträucher sollten etwa alle zehn Jahre, maximal jedoch in 25jährigen Abständen auf den Stock gesetzt werden. Dies erfolgt durch Absägen wenige Zentimeter über dem Boden.
  • Von Schilf (Phragmites communis) und anderen Pflanzen gebildete Röhrichtgürtel sollten sporadisch gemäht werden. Durch eine gezielte Mahd lässt sich mit Röhrichtzungen und Buchten die Land-Wasser-Grenze als ökologisch wichtige Kontaktzone verlängern. Damit kann der Brutbestand von Wasservögeln steigen. Zurückdrängen lässt sich Schilf durch eine winterliche Mahd unterhalb des mittleren Wasserspiegels. Die Mahd sollte mosaikartig und möglichst kleinräumig erfolgen, um einen kleinflächigen Wechsel unterschiedlicher Schilfstrukturen von frisch gemähten Teilflächen bis zu mehrjährigem Altschilf zu erzielen.
  • Die an die Ufergehölze angrenzenden Kraut- und Grassäume sollen alle zwei bis drei Jahre im Herbst gemäht werden. Nach Möglichkeit werden nicht alle Säume entlang der Ufergehölze im gleichen Jahr gemäht, damit für Insekten lebensnotwendige Strukturen (Deckung, Nahrung, Überwinterung in toten Pflanzenstängeln usw.) erhalten bleiben.

Gehölzschnitt und Mahdgut müssen geräumt werden
Gehölzschnitt (Äste, Zweige, Reisig) sollten nicht im Bereich des Gewässerrandstreifens liegen bleiben, weil dies den Neuaustrieb der Sträucher und Baumsämlinge behindert sowie einseitig das Wachstum von Brennnesseln fördern kann. Auch eventuell notwendige Mäharbeiten werden durch herumliegendes Astholz erschwert.

Abgelegtes Mahdgut zerstört die Rasennarbe und begünstigt hochwüchsige Stauden. Auf dem mit der Zeit verrottenden Mahdgut siedelt sich bevorzugt die Große Brennnessel (Urtica dioica) an. Ebenso muss das Mähgut aus dem Gewässerbett entfernt werden, denn wo plötzlich große Mengen toter Wasser- und Sumpfpflanzen anfallen, kommt es zu einer starken Sauerstoffzehrung im Gewässer. Schwefelwasserstoff und Ammoniak können sich zusätzlich bilden. Beide Gase sind für Fische und die übrige Aquafauna stark toxisch.

Das Mähgut von Schilfstrukturen muss beseitigt werden, um den Nährstoffgehalt der Flächen und damit eine Ursache des Schilfsterbens zu reduzieren. Dasselbe gilt auch für die Kraut- und Grassäume, um diese Saumbiotope auszumagern.

Das Mäh- und Gehölzschnittgut soll einige Tage liegen bleiben, damit Amphibien, Reptilien und Insekten zurückwandern können. Doch dann muss das Schnittgut möglichst bald, auf jeden Fall vor Beginn des Frühjahrs, von der Fläche geräumt werden.


Möglichkeiten der Entsorgung
Im vorstehenden Kapitel wurde erläutert, dass das Mäh- und Gehölzschnittgut vor allem zur Vermeidung von Eutrophierung zumeist aus der Fläche entfernt werden muss. Die Entsorgung bereitet oftmals große Probleme, wenn sich für den bei der Gewässerpflege anfallenden Grünmüll keine Verwertungs- oder Verwendungsmöglichkeiten finden lassen. Diese Erfahrung machen die Mitarbeiter des kommunalen Bauhofes sowie die ehrenamtlich mitarbeitenden Mitglieder der Naturschutzverbände Jahr für Jahr erneut bei ihren durchgeführten Gewässer-Reinigungsaktionen sowie „Putzaktionen“ zur Sauberhaltung der Landschaft.

In der Vergangenheit blieb zur Beseitigung des Grünmülls nur das Verbrennen oder die Deponie übrig.
Landauf landab war das Verbrennen von Grünabfällen noch bis Ende des letzten Jahrhunderts eine gängige Methode. Doch das Verbrennen ist die schlechteste Lösung, die man sich überhaupt ausdenken kann. Der dichte Qualm der brennenden Grünabfälle enthält neben dem klimaschädigenden Kohlenstoffdioxid das äußerst giftige Gas Kohlenstoffmonoxid. Hinzu kommen noch unzählige, weitere Luftschadstoffe und eine extreme Feinstaubbelastung. Das Abbrennen scheidet auch aus ökologischer Sicht gänzlich aus: Es schädigt die Bodenorganismen und die in den toten Pflanzenstängeln überwinternden beziehungsweise lebenden Arten werden vernichtet. Das unmittelbare Verbrennen der Äste vor Ort würde über 90 % der Käferfauna vernichten und die Ausbreitung der von Landwirten als hartnäckiges Ackerwildkraut gefürchteten Gemeinen Quecke (Agropyron repens) fördern.
Insbesondere aus Emissionsschutzgründen wurde die Verbrennung von pflanzlichen Abfällen außerhalb von Abfallbeseitigungsanlagen in manchen Bundesländern eingeschränkt, so beispielsweise in Brandenburg. Hier dürfen gemäß Abfallkompost- und Verbrennungsverordnung (AbfKompVbrV) vom 29. September 1994 pflanzliche Abfälle im Freien nur noch mit Genehmigung der unteren Abfallbehörde verbrannt werden.

Auch die Entsorgung von Grünabfällen auf Mülldeponien ist eine der schlechtesten Lösungen und gemäß der neuen Deponieverordnung (DepV) vom 27. April 2009 inzwischen gesetzlich untersagt. Danach dürfen keine biologisch abbaubaren Abfälle ohne Behandlung (verbrannt oder gerottet) in einer Deponie abgelagert werden.

Die Entsorgung und Verwertung des Grünmülls als Kompost in großen, zentralen Kompostierungsanlagen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Doch die drei Verfahrenselemente der Kompostierung,
-Zerkleinerung des Rohmaterials,
-Umsetzung während der Rotte,
-Absieben der fertigen Komposterde,
sind kostenintensiv, weil energieintensiv.

Die energetische Nutzung des Grünmülls ist ähnlich kostenintensiv wie das Verfahren der Kompostierung. Denn die Abfälle der Grünmahd besitzen in der Regel einen Wassergehalt von über 90 %, das Gehölzschnittgut von etwa 50 %. Der hohe Energieeinsatz für das Schreddern, Trocknen und Transportieren machen eine energetische Verwertung der Gehölzabfälle unwirtschaftlich.

Auch das Schreddern des Gehölzschnittes ist viel zu aufwändig. Es ist zeit- und energieintensiv und kann damit kostspielig werden. Zum anderen kann sich das Häckselgut, zu Haufen aufgeschichtet, verdichten. Dann „versauert“ die Biosubstanz durch zu wenig Luftzufuhr. Anaerobe Prozesse laufen bevorzugt ab und können zu einer Umweltbelastung werden. Weiterhin siedeln sich auf dem verrottenden Holz-Häcksel wahre Brennnessel-Meere an. Damit ist auch Schreddern nicht der beste Weg zur Entsorgung des Gehölzschnittes. Darüber hinaus kennt die Natur auch kein gehäckseltes Material.

 
 

Die beste Lösung: Reisig- und Totholzhaufen
Viel sinnvoller und praktisch kostenlos, dann zeitsparend und vor allem natur- und umweltfreundlich ist es, die bei der Gewässerpflege anfallenden organischen Abfälle zu Reisig- und Totholzhaufen aufzuschichten. Dabei ist der Reisighaufen nur der „kleine Bruder“ des Totholzhaufens. Dennoch werden traditionsgemäß selbst monströse „Holzgebirge“ mit diesem etwas verniedlichenden Namen betitelt. Die Größe eines Reisig- und Totholzhaufens hängt in erster Linie von der Uferbreite des Gewässers ab, ebenso vom Anfall des Gehölzschnittgutes. So ist vom Reisighäufchen bis zur „hölzernen Cheopspyramide“ alles machbar. Die Entscheidung darüber ist in jedem Einzelfall individuell und vor Ort zu treffen.
Alles, was bei der Gewässerpflege an grobem, organischen Material anfällt, wird einfach nur aufgeschichtet nach dem Motto: „Immer nur feste drauf!“ Die Basis des Reisig- oder Totholzhaufens bilden stets die groben, hölzernen Abfälle. Und dies sind: Wurzeln, Stubben, Baumstämme, Trocken- und Moderholz, Äste, Sträucher, Hecken- und Baumschnitt, bis hin zu morschen Brettern und rachitischen Zaunpfählen. Auf diese grobe Holz-Basis folgen dann obendrauf die mehr feineren organischen Abfälle wie Zweige, Reisig, Laub, Schilf, Wasser- und Sumpfpflanzen, Gras- und Unkrautabfälle.
Sowohl ein sonniger als auch ein schattiger Platz kommen als Standort am Uferrand in Frage. Der Abstand zum Gewässer sollte mehrere Meter betragen und muss unbedingt sicher vor Hochwasser sein.

 



Hier das Beispiel eines Asthaufens, welcher Vögeln, Kleinsäugern, Reptilien und Amphibien Unterschlupf bietet.

 

Ein Totholzhaufen wird gebaut
Um Amphibien (Molchen, Erdkröten) und Reptilien (Blindschleichen, Ringelnattern) den stressfreien Zugang in frostfreie Tiefen zu ermöglichen, sollte die zukünftige Haufenmitte möglichst in eine Mulde gelegt werden. Falls keine natürliche Vertiefung vorhanden ist und sich freiwillige Naturfreunde oder umweltbewusste Gemeindearbeiter finden lassen, so wird in der künftigen Haufenmitte ein etwa 50 Zentimeter tiefes Loch in einer Größe von etwa einem Quadratmeter ausgehoben. Das Loch wird mit sehr groben, ineinander verkeilten Wurzelstücken, Stubben, Ästen und Stämmen so gefüllt, dass möglichst viele Hohlräume entstehen, in denen sich die Tiere bewegen können. Dünne Äste verrotten zu schnell und sacken dann zusammen.
Das gesamte holzartige, grobe Material wird nun kreuz und quer zu einem hohen, lockeren Haufen mit möglichst vielen Hohlräumen aufgeschichtet. Erst dann folgen die feineren organischen Abfälle wie Reisig, Schilf, Laub, Gras- und Unkrautabfälle, welche lose über die obere Hälfte des Haufens geschichtet oder wie bei Laub geschüttet werden. Durch die Verrottung sackt der Haufen nach und nach in sich zusammen. Oben kann kontinuierlich und zu jeder Jahreszeit frisches Material aufgelagert werden.


Eine neue Variante – Die Totholzmiete

Um das Potenzial von Totholz und dessen Artenfülle an Leben möglichst vollständig auszuschöpfen, wurde vom Verfasser dieses Beitrages vor rund 20 Jahren eine neue Variante geschaffen: die Totholzmiete.
Die folgenden, zugegebenermaßen hochgesteckten Anforderungen sollen durch die neue Totholz-Variante erfüllt werden:

 
  • Natur- und umweltverträgliches Entsorgungsverfahren
  • Minimaler Arbeitsaufwand
  • Keine Hege- und Pflegemaßnahmen
  • Keine Kosten
  • Der Einsatz von Maschinen wie Häcksler, Mulcher oder Kettensäge soll unterbleiben
  • Neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen durch Strukturvielfalt schaffen
  • Flexibilität in Länge, Breite und Höhe beim Bau und Betrieb
  • Minimaler Flächenverbrauch
  • Hohe Lagerkapazität
  • Schnelle Bereitstellung neuer Entsorgungskapazitäten ohne Flächenerweiterung
  • Keine Abhängigkeit von Jahreszeit und Witterung
  • Organisches Material mit Fahrzeugen jederzeit anlieferbar
  • Ästhetisches Aussehen.

Die Lösung ist einfach. Die Totholz-Variante neuer Art besitzt einen geometrischen Charakter in Form eines Quaders. Im Prinzip handelt es sich bei der Totholzmiete um nichts anderes als um eine langgezogene „Bandwurm-Variante“ des Reisig- oder Totholzhaufens, ergänzt um Pfahlreihen an den Seiten. Die Grundidee bei der quaderförmigen Anordnung ist, die Dimension Höhe durch zwei parallel zueinander verlaufende Pfahlreihen zu nutzen und dabei die Totholzhöhe durch Beimischung von frischem Mähgut („Nassmüll“) zu steuern. Man kann es auch „biologische Höhensteuerung“ nennen.
Eine Totholzmiete ist gegenüber einem Totholzhaufen dann zu bevorzugen, wenn größere Mengen an Totholz und Grünabfall zu arrangieren sind. In einer solchen Totholzmiete herrschen je nach Gegebenheit bestimmte Temperaturen und Feuchtigkeiten, wodurch sich sehr unterschiedliche Lebensbedingungen ergeben. Die untersten Lagen in Bodennähe sind kühl und feucht, der obere Teil der Miete ist dagegen warm und trocken. Ein solcher Haufen bietet großzügige Versteckmöglichkeiten für Kleinlebewesen wie Spinnen, Asseln, Tausendfüßler sowie für zahlreiche Insekten wie Käfer, Wespen, Wildbienen oder Ohrwürmer. Sind die Spalten am Boden groß genug, werden sich auch Igel und Erdkröten dort verstecken, in sonniger Lage auch Eidechsen.

Die hier beschriebene Totholzmiete ist nicht mit den Benjeshecken oder Totholzhecken vergleichbar. Diese Heckenart entsteht durch linienhafte, lockere Ablagerungen von hauptsächlich dünnerem Gehölzschnitt, wie Äste und Zweige, sowie durch Windanflug und durch Samen aus dem Kot rastender Vögel. Der Vorteil der Benjeshecke sollte sein, dass dadurch Neuanpflanzungen von Hecken eingespart werden können.
Bei der hier vorgestellten Totholzmiete soll bewusst durch die voluminöse Gehölzschichtung jegliche Spontanvegetation ausgeschlossen werden, wie beispielsweise das Wuchern von Brennnesseln und Brombeeren. Der Totholzhaufen soll derart angelegt werden, dass über Jahre, ja sogar über Jahrzehnte hinweg keine Pflege notwendig sein wird. Dies ist dann gewährleistet, wenn das frisch aufgeschichtete Material nicht mit der untersten Haufenschicht, welche aus Holzmulm und Mull besteht, in Kontakt kommt. Die Trennung wird einmal durch die Quaderform, zum anderen durch die voluminöse Schichtung in der Totholzmiete erreicht. Dadurch können auch unliebsame „Unkräuter“ wie Brennnesseln samt ihren ausladenden Tellerwurzeln auf der Totholzmiete obenauf umweltfreundlich entsorgt werden. Selbst nach 20 Jahren Praxis mit der Totholzmiete konnte ich bislang keine unliebsamen Wucherungen von Brennnesseln, Brombeeren und anderen lästigen Kräutern und Gehölzen feststellen. Auch ein kontinuierliches In-die-Höhe wachsen der Totholzmiete ist nach 20 Jahren noch nicht merklich feststellbar. Und selbst nach zwei Jahrzehnten Betriebszeit befindet sich die Totholzmiete nachwievor in einem geordneten Zustand, ohne dass zwischendurch einmal „aufgeräumt“ werden musste. Kurzum, die Totholzmiete ist für mich zu einer herben, rauen Natur-Schönheit geworden.

 
 

Der Aufbau einer Totholzmiete
Der Aufbau einer solchen Miete erfordert wohl etwas Aufwand, ist aber keineswegs kompliziert. Im Abstand von etwa einem Meter oder auch weniger, werden angespitzte Holzpfähle mit dem Vorschlaghammer 30 bis 40 Zentimeter tief in den Boden geschlagen. Der oberirdische Teil des Pfahls soll ein bis eineinhalb Meter über dem Erdboden herausragen.
Im Abstand von etwa 4 Metern von der ersten Pfahlreihe wird dann parallel dazu eine zweite Pfahlreihe angelegt. Die Breite von 4 Metern ist nur eine Empfehlung, die sich in der Praxis bewährt hat. Die Breite kann natürlich beliebig variiert werden, insbesondere dann, wenn die Totholzmiete von beiden Längsseiten zugänglich ist. Diese Variation gilt auch für die Länge der Totholzmiete. Mit zunehmender Breite steigt der ökologische Wert, der Arbeitsaufwand allerdings auch.
Sobald einer der Pfähle zu morsch wird, schlägt man unmittelbar daneben einen zweiten ein. Damit ist die Stabilität der Längsseite der Totholzmiete gesichert und der verbliebene morsche Pfahl bleibt attraktiv für alle Totholzbesiedler.
Der Raum zwischen den Pfahlreihen wird anschließend zuerst mit grobem Material wie beim Totholzhaufen gefüllt. Das sind: Stubben, Baumstämme, Wurzelstücke, Sträucher, Starkäste, Trocken- und Moderholz, Hecken- und Baumschnitt. Der Unterschied von Miete zum Haufen ist die Art der Schichtung. Die Schichtung des Gehölzschnittgutes soll überwiegend parallel zur Pfahlreihe erfolgen. Und je länger die verwendeten Äste sind, desto stabiler ist die Füllung zwischen den beiden Pfahlreihen. Ist der Raum zwischen den Pfahlreihen bis zur Oberkante der Pfähle mit grobem Holzmaterial gefüllt, so kann dann die Aufschichtung mit den feineren organischen Abfällen erfolgen wie Reisig, Schilf, Laub, Wasser- und Sumpfpflanzen, Gras- und Unkrautabfällen.
Je nach Anfall kann darauf wiederum eine Schicht mit grobem Holzmaterial aufgesetzt werden, bis eine Höhe von zwei, maximal drei Metern erreicht wird. Damit dieses voluminöse Astwerk in der obersten Schichtung möglichst rasch zusammensackt, wird eine etwa 10 bis 20 cm starke Schicht an frischem Mähgut („Nassmüll“) darauf gegeben. Es wird damit gewährleistet, dass die Miete im oberen Teil innerhalb kurzer Zeit deutlich an Höhe verliert, also in sich zusammensackt. Freie Kapazitäten für erneut anfallendes Gehölzschnittgut werden so geschaffen.

 



Die Totholzmiete – dein Freund und Helfer in der Entsorgung von Astholz und Mahdgut. Sie spart Zeit, Geld und Arbeit und es entsteht ein ökologisch hochwertiger Lebensraum mit einer unerschöpflichen Strukturvielfalt.

 

Die hier erstmals beschriebene Totholzmiete ist mit einer Kompostmiete nicht vergleichbar, eher noch mit einem Hügelbeet. Ziel der Kompostierung ist die Umwandlung organischer Abfälle in nachhaltig bodenverbessernde und wachstumsfördernde Stoffe. Diese Umwandlung vollzieht sich im Wesentlichen mit Hilfe der gleichen Organismen, die auch im Boden für die Umsetzung organischer Stoffe sorgen. Die Bodentiere leisten durch ihre zerkleinernde Tätigkeit (Abbau-Prozess) die Vorarbeit für die pflanzlichen Mikroorganismen. Die verschiedenen Mikroorganismenarten leiten einen Umbau- und anschließenden Aufbau-Prozess ein. Das Endprodukt ist ein Reifkompost, welcher aus Dauerhumus besteht, der sich günstig auf die physikalischen Bodeneigenschaften auswirkt, dagegen den Bodenlebewesen nur wenig Nahrung liefert.
Der grundlegende Unterschied zwischen Totholzmiete und Kompostmiete kann in einer vereinfachten Form beschrieben werden:

 
  • Die Totholzmiete ist ein Medium der Luft.
  • Die Kompostmiete ist ein Medium des Bodens.

Der große Vorteil der Totholzmiete im Vergleich zu den anderen Varianten ist ihre Anpassungsfähigkeit an die Menge des anfallenden organischen Materials sowie ihre Variabilität in den drei Dimensionen Länge, Breite und insbesondere Höhe.
Und das Prinzip der hier vorgestellten Totholzmiete ist derart einfach: immer nur alles oben drauf! Die Natur arbeitet für uns ganz alleine und das dazu noch kostenlos! Wir können uns dabei völlig entspannt zurücklehnen und uns auf die Beobachtung beschränken. Wir müssen hier nicht hegen und pflegen, sondern können den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen.

 
 

Geduld ist wichtig
Auch wenn es selbstverständlich sein sollte, so möchte ich hier dezent darauf hinweisen: Die Verrottung von Totholz ist definitiv nichts für eilige Zeitgenossen! Im Falle einer Eiche kann dieser Prozess mehrere Jahrzehnte dauern. Das ist natürlich ein Extremwert, aber auf Jahre müssen wir uns durchaus einstellen.
Die größte Geduld ist gleich zu Beginn erforderlich, bis die mit viel Liebe und vielleicht auch Schweiß neu gebaute Totholzmiete einmal „anspringt“. Die tägliche Kontrolle des Verrottungsprozesses ist zwar löblich, bei objektiver Betrachtung aber doch nur sehr mäßig sinnvoll. Bis eine Totholzmiete einmal „anspringt“, das heißt mit Tausenden von verschiedenen Arten besiedelt worden ist, vergehen gut zwei Jahre, in ungünstigen Fällen müssen bis zu fünf Jahren gewartet werden.
Feuchtigkeit und Schatten wirken sich dabei allgemein beschleunigend auf den Verrottungsprozess aus. Aufrecht stehende Totholzäste im Oberteil der Miete und dann noch der prallen Sonne ausgesetzt, halten sich am längsten. Aus dieser Beobachtung heraus entwickelte sich der Gedanke mit der Beimengung von „Nassmüll“. Der Erfolg war eindeutig und so wurde das frische Mähgut als Steuerungsinstrument für die Höhe der Totholzmiete eingesetzt. Und synchron dazu stellt sich ein weiterer, ganz wichtiger Synergie-Effekt durch die Grünschnitt-Beimengung ein: die Besiedelung mit Xylobionten nimmt hinsichtlich Artenvielfalt und –dichte rasant zu. Sind einmal die verschiedensten ökologischen Nischen in der Totholzmiete von einer Vielzahl von Spezialisten bewohnt, so erleben wir fast ein Wunder, mit welchem Tempo die Verrottung abläuft. Für mich ist es immer wieder faszinierend miterleben zu können, wie ich im Frühjahr die Totholzmiete mit bis zu 3 Meter hoch an Gehölzschnitt und anderem organischen Material belade und im Spätherbst ist sie gerade mal einen Meter hoch. Und in dieser Höhe bleibt die Totholzmiete seit rund 20 Jahren stehen. Das „Phänomen der Höhenkonstanz“ ist physikalisch einfach zu erklären, weil es sich bei der Totholzmiete wie bei allen in der Natur ablaufenden Prozessen nicht um ein geschlossenes, sondern um ein so genanntes „offenes System“ handelt.

 
 

Totholz als Lebensraum
Totholz ist eine Welt der Wunder, die von der Wissenschaft erst in Ansätzen erforscht wurde. Gleich mehrere wissenschaftliche Disziplinen wie Ökologie, Zoologie, Botanik, Mikrobiologie und Bodenkunde, um nur einige zu nennen, beschäftigen sich in jüngster Zeit mit den Stoffkreisläufen von Totholz, studieren das Ineinandergreifen einzelner Prozesse und beobachten, wie die zahlreichen Mitglieder der Gemeinschaft zusammenwirken. Und so ist Totholz Leben pur, Leben in überschäumender Fülle. Es gibt nur wenige andere Lebensräume mit einer vergleichbaren, geradezu unerschöpflichen strukturellen Vielfalt wie der von Totholz: stehend oder liegend, in voller Sonne oder beschattet, verpilzt oder unverpilzt, weißfaul oder braunfaul, verbrannt, trocken, feucht oder überschwemmt. Auf jeden dieser Lebensräume wirken zahllose Faktoren wie Mikroklima, Dicke und Art des Holzes, Grad der Verwitterung, Art der Pilzbesiedlung oder Art und Menge des beigemengten Mähgutes sowie anderer organischen Materialien. Durch all diese Faktoren spaltet sich das scheinbar so gleichförmige Medium Totholz in eine Unzahl verschiedenster Lebensräume auf. Dieses breit gefächerte Angebot reduziert die Konkurrenz zwischen den im Totholz heimischen Arten, jede einzelne Nische kann von optimal angepassten Spezialisten besiedelt werden. Den Löwenanteil der Holzbesiedler (Xylobionten) stellen die Käfer mit rund 1.400 Arten und die Pilze mit etwa 1.500 Arten. Über 500 Fliegen- und Mückenarten und zahlreiche andere Vertreter der Insekten tummeln sich ebenfalls dort. Moose, Flechten, Spinnen, Asseln, Schnecken, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere schließen den Reigen. Letztendlich hat jede Gruppe irgendwo im Totholz eine passende Nische für sich gefunden.
So benutzen Igel den Totholzhaufen oder –miete gerne als Tagesversteck. Mit etwas Glück stellen sich auch andere Vertreter der Säugetiere ein: Mäuse, Spitzmäuse und als Krönung vielleicht sogar das zierliche Mauswiesel. Auch Ringelnatter, Blindschleiche und Erdkröte finden dort Unterschlupf. Uneingeschränkte Herrscher des Totholzhaufens sind aber die null- bis vielbeinigen, wirbellosen Vertreter der Zoologie: Regenwürmer, Asseln, Spinnen und Insekten. Springschwänze, Florfliegen, Ohrwürmer, Ameisen, Wildbienen, Schlupfwespen, Wanzen, Käfer und ihre Larven und viele andere mehr finden in solchen Reisig- und Totholzhaufen sowie Totholzmieten paradiesische Zustände, oft auch für die Überwinterung.
Unter diesem Blickwinkel ist es zweifellos ein Fauxpas und sollte der Vergangenheit angehören, Totholz durch Verbrennen, Schreddern, Kompostieren oder energetisches Verwerten zu entsorgen.

 
 

Zerfallsstadien von Totholz
Vermutlich gibt es Hunderte von Faktoren, die bei der Besiedlung des Holzes mit Xylobionten zusammenwirken. Bei einem frisch abgestorbenen Baum beginnt sich bei fortschreitendem Befall die Borke vom Stamm zu lösen. Gleichzeitig erfolgt ein Ansturm verschiedener Insektenarten wie Käfer, Fliegen, Mücken, Spinnen, Schnecken und Holzwespen. Der äußere Teil des Holzkörpers (Bast und Splint) wird von Pilzen und Bakterien schnell abgebaut. Dieser Bereich des Totholzes ist deshalb entsprechend kurzlebig. Der innere Holzkörper wird anschließend von Pilzen durchdrungen. Die Myzelien verschiedener Pilze durchwuchern den kompletten Ast oder Stamm. Das Kernholz wird zunehmend weicher und morscher und machen es für viele Insektenarten interessant. Die große Insektenvielfalt lockt wiederum Räuber an. So ist es faszinierend zu sehen, wie Specht und Kleiber sich als effiziente, aber dennoch wohltuend leise „Bio-Schredder“ betätigen, wenn sie auf der Suche nach Insekten die morschen Äste mit geschickten Schnabelhieben in ihre Bestandteile zerlegen.
Mit zunehmender Zersetzung wird das Holz allmählich zu Mulm umgewandelt, einem Lockersediment, das zum größten Teil aus Bakterien, Mineralien, Pflanzenresten, Holzstaub und Stoffwechselprodukten besteht und mit dem Kot und den Resten der Vorbesiedler durchsetzt ist. Neben Fliegen- und Mückenlarven wird der feuchte Mulm nun zunehmend auch von typischen Organismen aus der Bodenfauna besiedelt. Asseln, Springschwänze, Milben und Würmer zerkleinern die einzelnen Partikel noch weiter und erleichtern dadurch die endgültige Zersetzung durch Bakterien und Pilze. Mulm und Unterboden werden zunehmend vermischt und bilden schließlich ein homogenes Gemisch. Der Kreislauf für neues Leben hat sich wieder einmal geschlossen.


Ausblick
Die natur- und umweltfreundliche Entsorgung von Gehölzschnitt und Mähgut, welches bei der Gewässerpflege anfällt, muss allen Verantwortlichen in den kommunalen Verwaltungen und den Naturschützern am Herzen liegen. Ein anzustrebendes Ziel der Kommunen und Umweltverbände sollte es sein, den Totholzanteil entlang unserer Gewässerbiotope kontinuierlich weiter zu erhöhen. In diesem Umfeld kann jeder Naturfreund in Zusammenarbeit mit der Kommune auch rechtlich gemäß der Bioabfallverordnung (BioAbfV) vom 21. September 1998 im überschaubaren Rahmen schalten und walten wie er möchte, und dabei selbst Erfahrungen mit dieser faszinierenden Materie sammeln. Zum einen schaffen wir damit neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen, zum anderen sensibilisieren wir unser Umfeld für das Thema „Totholz“ und halten es in der allgemeinen Diskussion. Unsere Gewässerbiotope bergen ein ökologisches Potenzial, das häufig nicht erkannt und viel zu wenig erschlossen wird.
Nehmen wir das Bild von einem Baumkeimling, der auf einem völlig vermoderten Holzstamm nach dem Lichte strebt, so hat dies einen ganz starken Symbolgehalt. Anfang und Ende gehen nahtlos ineinander über, ein ewiger Kreislauf, in dem auch wir selbst eingebunden sind. Totholz ist nicht das Ende, ganz im Gegenteil. Gerade durch seinen Tod hat der Baum Lebensraum für eine schier grenzenlose Artenfülle geschaffen. Eine Welt der Wunder!

 

 

Chemo-Indikatoren als Qualitätskriterien für
Komposterden und Kulturböden


von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

1. Kompostierung - ältestes Recycling-Verfahren
Die Kompostierung von Abfällen ist eine anerkanntermaßen vernünftige Beseitigungs- und Verwertungsmethode. Wie viele technische Prozesse, ist sie der Natur abgeschaut und hat eine lange Tradition. Seit Jahrtausenden ist den Menschen bekannt, dass Stoffe, die dem Boden für die Nahrung über die Pflanzen entzogen werden, diesem wieder zugeführt werden müssen. Dies geschieht u. a. über die Kompostierung. Sie ist somit das älteste Recycling-Verfahren.
Die Abfallkompostierung, wie wir sie heute verstehen, ist ein technisches Verfahren, das zum Ziel hat, dafür geeignete Abfälle aufzubereiten und einem steuerbaren biologischen Prozess zu unterwerfen, damit das fertige Produkt möglichst bald eine düngende und Boden verbessernde Wirkung hat.


2. Die Bedeutung der Kompostierung

Siedlungsabfälle können durch Kompostierung und anschließende Verwendung des Komposts im Siedlungs- und Gartenbau, in Land- und Forstwirtschaft und in anderen Bereichen auf unschädliche Art beseitigt und verwertet werden. Die Abfallkompostierung geeigneter organischer Materialien bringt im Gegensatz zur Ablagerung und Verbrennung volkswirtschaftliche Vorteile von großer Tragweite.

Durch Kompostanwendung kann dem Humusschwund in landwirtschaftlich oder gärtnerisch bewirtschafteten Böden entgegengewirkt und eine Bodenverbesserung erzielt werden. Dadurch wird eine Verbesserung des Wasserhaltevermögens, eine Verminderung der Bodenerosion durch Wasser und Wind, eine Auflockerung von schweren Böden, eine Verbesserung der Wirkung mineralischer Düngung, eine Stärkung der Bodenfauna und -flora sowie eine Stärkung der Abwehrkräfte gegen Schädlingsbefall und eine Verminderung der Gewässer-Eutrophierung durch verstärkte Zurückhaltung eutrophierender Stoffe wie Nitrat und Phosphat bewirkt.

Weil die Kompostierung als Methode der Abfallbeseitigung und Abfallverwertung in nahezu idealer Weise alle Forderungen des Umweltschutzes erfüllt, wird sie auch zukünftig eine vergleichsweise große Bedeutung besitzen. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine geprüfte Qualität.


3. Biologische, chemische und physikalische Vorgänge bei der Rotte
Das Ziel der Kompostierung ist die Vererdung bzw. Humifizierung organischer Abfall-Materialien. Der deutlichste Vorgang dabei ist die Rotte, das heißt die Zersetzung und Umwandlung der verschiedenen Abfall-Materialien bis zu einer lockeren, gut streufähigen Beschaffenheit. Sekundär kann hierbei die Bildung von Dauerhumus und Ton-Humus-Komplexen erfolgen.

Die Rotte ist ein biologisch bedingter Prozess. Außer verschiedenen Kleintieren (Würmer, Insekten, Milben u. a.), deren zerkleinernde und mischende Tätigkeit neben ihrer Verdauungsarbeit nicht unterschätzt werden darf, sind vor allem Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Strahlenpilze) an den Ab- und Umbauvorgängen beteiligt.

Herrschen in dem Substrat anaerobe Verhältnisse, d. h. Sauerstoffmangel, so bewirken bestimmte Mikroben, die ohne Luftsauerstoff gedeihen können, eine geringe chemische Zersetzung der organischen Stoffe, wobei organische Säuren, dann Fäulnisgase wie Methan und Wasserstoff sowie andere Spaltprodukte echter Gärungen auftreten. Solche Bedingungen sind im Kompost nicht nur unerwünscht, sondern für das Produkt und die Anwendung schädigend.

Bei der Kompostierung haben wir es meist mit schwer zersetzbaren Stoffen zu tun, deren Rotte beschleunigt werden muss. Dies lässt sich durch Schaffung aerober Verhältnisse, d. h. durch Luftzufuhr, erreichen. Die aeroben Mikroorganismen, zu denen fast alle Pilze und viele Bakterien gehören, zersetzen die organischen Massen sehr viel rascher und vollständiger als die anaeroben Mikroorganismen. Als Spaltprodukte treten Kohlenstoffdioxid (CO2), Wasser (H2O) und Ammoniak (NH3) auf. Dies ist ebenso wie das Ansteigen der Temperatur ein Zeichen dafür, dass es sich um Atmungsvorgänge handelt [1].

Betrachten wir diese aeroben mikrobiellen Zersetzungsprozesse etwas näher, so müssen wir feststellen, dass zu ihrem Zustandekommen zunächst die entsprechenden Mikroorganismen vorhanden sein müssen. Darum brauchen wir uns aber keine Sorge zu machen. Denn praktisch ist alles verwendete Material genügend infiziert und der Zusatz von Impfstoffen zum Kompost ist als eine flankierende Maßnahme zu sehen. Viel wichtiger ist es, für die Kleinlebewesen günstige Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Dazu gehören außer der Luftzufuhr, die wir durch lockere Lagerung, Umstechen und zweckmäßige Mietenformen erreichen, weiterhin eine ausreichende, gleichmäßige Feuchtigkeit (ca. 30 – 50 % Wassergehalt) und eine günstige, nicht zu niedrige Temperatur. Ferner muss durch Zusatz von Kalk dafür gesorgt werden, dass die organischen Zersetzungs- und Umwandlungsprodukte mit Basen weitgehend neutralisiert und gepuffert werden.

Durch die aeroben Verhältnisse werden auch die erwünschten Kleintiere gefördert, die unter Luftabschluss nicht gedeihen können. Das Vorherrschen oxidativer Reaktionen spielt bei der Kompostierung eine entscheidende Rolle [2].


4. Kompost neuer Art
Die alt hergebrachten, mindestens durch dreimaliges Umlagern und drei Jahre Wandlungszeit beanspruchenden Komposthaufen, in denen vielfach zweckwidrige Fäulnisvorgänge vorherrschen, sind überholt. „Misthaufen“, die ungeregelt, teils zu trocken verschimmeln (Feuchtigkeitsgehalt kleiner 20 %), teils Maden nähren und üble, säuerlich bis teerig riechende Gase und Sicker-wässer abscheiden, haben keine Berechtigung mehr. Kipphalden von Unrat und Müll, die Insekten, Ratten, Aasvögel und anderes anlocken, stellen ein Zeugnis der Rückständigkeit und des Unvermögens aus.
Statt als Brutstätten für Krankheitserreger herumzuliegen, haben Siedlungs-abfälle der Humusanreicherung zu dienen.

Kompost neuer Art kann bei sorgfältiger Kontrolle von Feuchtigkeit, Temperatur und Luftzufuhr schon innerhalb von mehreren Wochen hergestellt werden. Solch fachmännisch hergestellter Kompost ist scherbenfrei, er duftet fein wie Walderde und ist für Pflanzenwurzeln nicht schädlich, im Gegensatz zu unvollkommen verrotteten Abfällen. Ausgereifter Kompost fördert die Wuchskraft und Resistenz der damit versorgten Pflanzen.
 

5. Qualitätsprüfung
In Kompostwerken wird ein Kompostgut erzeugt, das schon vor der Rotte ganz oder zum größten Teil die üblichen Kompostsiebe passiert. Solcher Rohkompost ist noch nicht wurzelverträglich für die Pflanzen. Ebenso nicht wurzelverträglich ist Frischkompost. Von Frischkompost spricht man, wenn Rohkompost schon etwas angerottet ist. Diese beiden Kompostarten, auch Mulch genannt, können zur Flächenkompostierung im Sinne einer „biologischen Einschmelzung“ verwendet werden. Mulchen ist zwar recht einfach und wird deshalb gern angewandt, aber Flächenrotte führt zu einer beschleunigten Mineralisierung, denn die Bedingungen zur Dauerhumusbildung sind nicht so günstig wie bei einer gelenkten Rotte. Das Mulchverfahren ist auch nicht überall anwendbar. Für die meisten Anwendungsgebiete ist man jedoch auf Reifkompost angewiesen.

Die Prüfungsergebnisse der verschiedenen Komposte fallen verschieden aus und man hatte bislang kein überall anwendbares Testverfahren. Man konnte die „Güte“ eines Reifkompostes nur gefühlsmäßig „schätzen“ aufgrund der Zeit, die er liegt und der Zahl der Umsetzungen.
Da die Siebanalyse von Kompost überhaupt kein Kriterium für Reife, das heißt Wurzelverträglichkeit, darstellt, mussten geeignete Prüfverfahren entwickelt werden, welche dazu beitragen, ausgereiften Qualitätskompost zu produzieren [3].
Durch Wachstumsversuche im Vergleich mit chemischen Analysen stellten PFEIFER, SPOHN und KOCH fest, dass die Pflanzenverträglichkeit, also der Reifegrad, schnell und einfach auch mit chemischen Methoden feststellbar ist [4–6]. Beim Abbau abgestorbener pflanzlicher und tierischer Produkte entstehen unter anderem zunächst Ammonium/Ammoniak, Nitrit und Sulfid, die bei der aeroben Kompostierung in zeitlicher Abhängigkeit durch mikrobielle Oxidation zu Nitrat und Sulfat umgewandelt werden. Ist dieser Oxidationsprozess abgeschlossen, so ist die Pflanzenverträglichkeit beim Wachstumsversuch erreicht: Der Kompost ist reif. Man muss lediglich verhindern, dass er durch Luftabschluss wieder in anaerobe Zustände (Fäulnis) zurückfällt. Diese Gefahr besteht beim Untergraben oder bei Vernässung, allgemein übrigens bei jedem Boden durch Verdichtung. Es treten dann sofort wieder Sulfid- und erhöhte Ammonium-Konzentrationen auf. Wurzeln weichen solchen unterirdischen Fäulnisherden aus oder die Pflanzen kränkeln. Ebenso ist eine Absenkung des pH-Wertes (Versauerung) im Kompost oder Boden zu beobachten.

Die folgende Schemazeichnung „Reifkompost“ skizziert den grundlegenden Vorgang der mikrobiologischen Transformation (Konvertierung) von der unreifen (reduktiven) zur reifen (oxidativen) Phase. Das Vorherrschen oxidativer Reaktionen, besonders unter Luftzufuhr (Sauerstoff), spielt bei der Kompostierung eine entscheidende Rolle [2].

 

 

Ausgereifter Qualitätskompost muss unbedingt Charge für Charge auf Reife, also auf Wurzelverträglichkeit, geprüft sein. Maßgebend ist der Wachstumstest mit Kresse. Er dauert jedoch einige Tage.

Für die laufenden Routineprüfungen auf Qualitätskompost ist deshalb ein analytisches Schnellverfahren entwickelt worden, welches eine semiquantitative Konzentrationsbestimmung der Parameter Sulfid, Ammonium/Ammoniak und Nitrit sowie Nitrat und pH-Wert ermöglicht. Diese Parameter eignen sich als chemische Indikatoren für die Beschreibung des Rotteverlaufs. Sie geben einen indirekten Hinweis auf das erreichte Redox-Potenzial und damit auf den biologischen und physikalischen Zustand einer Kompostcharge. Die Qualitätskontrolle kann ohne Labor und Chemiker direkt vor Ort in wenigen Minuten selbst durchgeführt werden. Der biologische Zustand ist zunächst viel wichtiger als eine Gesamtnährstoff-Analyse, die ohnehin zu lange dauert und nur an gelegentlich gezogenen Stichproben in einem Speziallabor durchgeführt werden kann.

Die analytische Qualitätskontrolle für Reifkompost erfordert die Abwesenheit von Sulfid, Ammonium/Ammoniak und Nitrit sowie die Anwesenheit von Nitrat und Sulfat.
Nicht, dass Sulfid, Ammonium/Ammoniak und Nitrit absolut und alleinig wurzelschädlich wären. Ihre Anwesenheit ist jedoch ein Zeichen dafür, dass das Redox-Potenzial noch nicht weit genug nach der oxidativen Seite hin fortgeschritten ist. In diesem Zustand sind es eine Reihe anderer Substanzen, wie beispielsweise organische Säuren und Fäulnisgase, die ebenfalls eine Schadwirkung ausüben.

Ammonium/Ammoniak, Nitrit und Sulfid sowie Nitrat und der pH-Wert lassen sich auf einfache Weise an Ort und Stelle mit dem AgroQuant-Bodenlabor feststellen. Mit diesem Bodenlabor besitzt der Kompostmeister, Landwirt und Gärtner nunmehr ein einfaches und sicheres Instrument zur Überwachung und Lenkung des Rotteverlaufs und ein Prüfverfahren auf Kompostreife (Inprozess-Kontrolle).


6. Experimentelle Durchführung und Messprogramm
Kompost muss also, wie wir gelernt haben, unbedingt auf seine Reife, das bedeutet Wurzelverträglichkeit, geprüft werden. Für die laufende Routineüberwachung leistet das AgroQuant-Bodenlabor (siehe Abbildung) hervorragende Kontrollmöglichkeiten.

 



AgroQuant-Bodenlabor zur Messung des Stickstoffkreislaufs (Ammonium/Ammoniak, Nitrit und Nitrat) und zur Bestimmung des pH-Wertes

 

Wesentlicher Bestandteil des Bodenlabors sind Teststäbchen für Nitrat, Nitrit, pH-Wert und Reagenzien für die Ammonium-Bestimmung. Die Funktionsweise der Teststäbchen ist ähnlich wie bei den bekannten pH-Papieren. Je nach Gehalt, z. B. an Nitrat, wird eine spezifische Farbveränderung auf einer Testzone des Stäbchens hervorgerufen. Der Grad der Verfärbung wird anhand einer mitgelieferten Farbskala verglichen und der zugehörige Messwert abgelesen (siehe Bild).

 

 

Die Messungen sind außerordentlich rasch und einfach durchzuführen. Es können jeweils 100 Bestimmungen auf Nitrat, Nitrit, Ammonium/Ammoniak und pH-Wert durchgeführt werden. Sind die Teststäbchen oder Reagenzien aufgebraucht, so können die entsprechenden Austauschpackungen nachbestellt werden. Dadurch wird die Anwendung des AgroQuant-Bodenlabors besonders wirtschaftlich.

Das Messprogramm für die Qualitätskontrolle von Kompost umfasst die folgenden Parameter:

 
  • Nitrat
  • Nitrit
  • Ammonium / Ammoniak
  • Sulfid
  • pH-Wert
  • Kressetest

Die Nitrat- und Nitrit-Bestimmung erfolgt mit dem Merckoquant-Nitrattest; die Ammonium/Ammoniak-Bestimmung in Komposterden wird mit einem Farbkartentest durchgeführt. Mit dem Bleiacetat-Papier wird der Parameter Sulfid bestimmt, die pH-Messung erfolgt mit den nicht-blutenden Spezial-Indikatorstäbchen pH 2 – 9 (siehe Bild).

 

 

Um eine repräsentative Kompostprobe zu bekommen, benötigt man je Kompostcharge mindestens 20 Einstiche mit einem geeigneten Bohrstock, notfalls auch mit Spaten oder Gartenkelle. Die Kompostproben sind statistisch verteilt in der Quer- und Längsrichtung aus der gesamten Kompostmiete zu entnehmen. Die Einzelproben werden in ein Sammelgefäß, z. B. Eimer, gegeben und gründlich vermischt. Steine und andere sperrige Materialien sind von Hand auszulesen.


7. Auswertung der Messergebnisse

a) Nitrat-Messung

Guter Reifkompost zeigt reichlich Nitrat, teilweise mehr als 500 mg/kg.

b) Nitrit-Messung
Ein qualitativ einwandfreier Reifkompost beinhaltet kein Nitrit. Zeigen sich Spuren an Nitrit (1 mg/kg und größer), so liegt ein unreifer Kompost vor, welcher umgehend belüftet werden muss.

c) Ammonium- /Ammoniak-Messung
Guter Reifkompost weist einen Ammonium-Gehalt auf von 0,2 bis 2 mg/kg.
Kompost mit 3 mg/kg ist als kritisch einzustufen, und Komposte mit einem Ammonium-Gehalt von 5 mg/kg und höher sind unreif und müssen umgehend belüftet werden.

Reifkompost beinhaltet praktisch kein Ammoniak (NH3) oder höchstens in Spuren (kleiner als 0,05 mg/kg NH3).

 
d) Intermediäre Kompost-Stadien
  • Ist in einer Kompostcharge sowohl reichlich Ammonium/Ammoniak als auch Nitrat vorhanden, kann ein Gemisch aus reifen und unreifen Anteilen vorliegen oder ein Gemisch mit Handelsdünger.
  • Liegen geringe Konzentrationen an Ammonium und Nitrat vor, so kann es sich um einen Zwischenzustand handeln, in welchem mineralischer Stickstoff in lebendem Eiweiß festgelegt ist (sog. Stickstoff-Fixierung).

e) pH-Wert
Der pH-Wert soll bei einem Qualitätskompost im neutralen bis schwach alkalischen Bereich liegen (pH 6,5 bis 8,0). Dies gilt ebenso für den Rotteverlauf. Liegen die Werte unter pH 6, so muss gekalkt werden (gemahlener Naturkalk, kohlensaurer Kalk, Löschkalk oder Mergel).
Liegen die Werte über pH 8, so können sauer wirkende Mineraldünger zudotiert werden, wie beispielsweise Ammoniumsulfat. Eine ähnlich neutralisierende Wirkung zeigt der Zusatz von Torf oder Torfsubstraten.

f) Sulfid-Messung
Der Parameter Sulfid darf in Reifkompost höchstens nur in Spuren vorhanden sein. Die weiße Farbe des Teststreifens darf sich nicht ändern.

Ergebnis: Ein einwandfreier Qualitätskompost muss alle vorgenannten Prüfungen voll bestehen.

g) Kressetest
Ein Qualitätskompost liegt dann vor, wenn Samen und Wurzeln nicht mehr geschädigt werden. Hierzu kann man das Wachstumsergebnis von Kresse als Einheitsmaßstab zugrunde legen:
Eine flache Schale aus Kunststoff oder Keramik mit den Längenmaßen 40 cm x 25 cm x 6 cm wird mit dem zu prüfenden Kompost gefüllt und mit 10 g Kressesamen besät. Am zweiten und vierten Tag wird das verbrauchte Wasser ersetzt. Am sechsten Tag wird die Kresse mit der Schere geschnitten und gewogen (siehe SPOHN 1980).

Auswertung:
Eine Ausbeute von 60 bis 100 g ist gut, ein Ergebnis von mindestens 30 g noch ausreichend.

Die Prüfung mit reinem Kompost ist recht scharf, denn in der Praxis soll er mit mindestens 2 Teilen Erde oder Torf vermischt werden. Mit solchen Mischungen sind dann auch die Erträge bei dem Kressetest höher, bis über 100 g. Statt Kresse kann man natürlich auch andere Pflanzen nehmen, doch ergibt Kresse am schnellsten ein Resultat.
Für viele Zwecke ist der Kressetest dennoch nicht schnell genug. Wer Kompost verkauft oder kauft, braucht eine zuverlässige Schnellprüfung, wie sie vorstehend beschrieben ist. Liegen Zweifelsfälle bei der chemischen Schnellprüfung vor, so kann dann der Kressetest als Schiedsmethode herangezogen werden.

 
 

8. Land- und Gartenbau
Die vorgestellte analytische Qualitätsprüfung ist nicht nur für Kompost geeignet, sondern dient auch zum Nachweis von Fäulniszuständen im Boden, wie sie durch Untergraben oder Unterpflügen von Mist, Gründüngung, Frisch- und Rohkompost sowie Bodenverdichtung im Land- und Gartenbau entstehen können.

Das bedeutet, dass das hier beschriebene Messprogramm auch den aeroben und anaeroben Zustand von Böden erfasst.
Der Pflanzenbau muss sich zukünftig an erster Stelle um die optimale Förderung des Wurzelwachstums bemühen. Drei Bedingungen müssen dabei erfüllt werden:

1. Organische Massen wie Frisch- und Rohkompost, Gründüngung, Stallmist, Gülle und Jauche müssen erst extern verschiedene wurzeltoxische Rottephasen durchlaufen haben, bevor sie in den Boden bzw. Wurzelraum (Rhizosphäre) gelangen.

2. Die Bodenbearbeitung darf keine organischen Materialien vergraben und keine Sperrschichten und Reduktionszonen im Boden hinterlassen.

3. Eine ausreichende Kalkversorgung des Bodens muss sichergestellt sein, um die Krümelstabilität zu gewährleisten, sowie die bei der Humifizierung und Mineralisierung entstehenden aciden Verbindungen weitgehend zu neutralisieren oder zu puffern, damit die Säuretoxizität für die Pflanzenwurzeln eliminiert wird.

In der Praxis wird dadurch über ein verstärktes Wurzelwachstum das Nährstoff-Aneignungsvermögen der Pflanzenbestände derart verbessert, dass langfristig hohe Erträge möglich sind. Die einfach durchzuführende Inprozess-Kontrolle mit Hilfe des Koffer-Labors wird es ermöglichen, Umweltprobleme, wie beispielsweise Nitrat im Grundwasser, zu lösen, und dies nicht mit Kosten und Verlusten, sondern mit zusätzlichen Gewinnen für die betroffenen Bauern und Gärtner.


9. Ökologische Aspekte
Im Zeichen des Umweltschutzes wird langsam auch in der breiten Öffentlichkeit klar, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze von der Gesundheit und Harmonie des Bodenlebens abhängt. Man erkennt, dass diese Harmonie gestört wird durch ungeeignete Methoden der Bodenbehandlung und durch pflanzentoxische Stoffe, die sich nicht abbauen, sondern akkumulieren, addieren und potenzieren. Kerngedanke der Kompostierung ist es, aus geeigneten organischen Abfällen durch eine gelenkte Konvertierung ein hochwertiges Produkt zu erzeugen, das sich durch seine Qualität auszeichnet: also ohne zusätzliche Umweltverschmutzung und ohne Geruchsbelästigung. Damit ist Abfall nicht mehr Abfall, sondern Rohstoff. Und Kompostierung ist organisches Langzeit-Recycling.

Weder ungeordnete, noch geordnete Deponien, noch die Verbrennung von Müll bilden eine Dauerlösung des Abfallproblems. Wir müssen uns auf Methoden besinnen, die uns die Natur überall vormacht. Sie bedient sich der Stoffkreisläufe in ihrem ewig dauernden Haushalt. Wir müssen den Kreislauf des Lebendigen, den wir unterbrochen haben, wieder schließen.


10. Verständnis von Naturwissenschaft und Technik in der Welt von heute
Das naturwissenschaftlich-industriell geprägte Mensch-Natur-Verhältnis ist eine zunehmende Bedrohung der natürlichen Umwelt und der Lebensgrundlagen des Menschen. Es wird erkannt, dass die Natur mehr ist, als sich in Messgrößen und Formeln fassen lässt. Es wird erkannt, dass der Mensch ein Teil der Natur ist und nicht die Natur ein Teil des Menschen. Deshalb gehört der Schutz der natürlichen Umwelt zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Die Natur ist uns nur anvertraut, wir können nicht beliebig über sie verfügen. Unser Ziel muss sein, nachfolgenden Generationen eine menschengerechte Umwelt zu hinterlassen. Luft, Wasser, Boden, Pflanzen und Landschaft sind nicht vermehrbar. Ihre Zerstörung ist nur schwer rückgängig zu machen. Allein eine kluge Nutzung von Naturwissenschaft und Technik kann die Zukunft der Menschheit sichern.

Es ist notwendig, den Stellenwert der Umweltprobleme in und für unsere Gesellschaft zu verdeutlichen. Die Qualität unseres Lebens und unserer Umwelt hängt maßgeblich davon ab, wie wir uns in dem dargestellten Dreieck verhalten: Ökologie – Ökonomie – Technik.

 

 

Resignieren würde Einverständnis mit dem Niedergang des menschlichen Lebens auf diesem Planeten bedeuten. Deshalb bleibt allein die Aufgabe, das Verhalten des Einzelnen und der Gesellschaft zu ändern, unsere Hoffnung.

 
Literaturverzeichnis

[1] REUTER, G.: Kompostierung wirtschaftseigener Abfälle.
     Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin, Heft 45 (1954)

[2] KOCH, E.: Qualitätsprüfung für Kompost. UMWELT 3/1987, S. 75 – 76

[3] KOCH, E.: Schnelltests für die Umweltanalytik.
     CLB Chemie für Labor und Betrieb, 37. Jg. / Heft 12 (1986), S. 8 – 10

[4] KOCH, E.: Bodenuntersuchung, 2. Auflage 1986, 156 Seiten.
     VDSF- Verlags- und Vertriebs-GmbH, Offenbach/Main

[5] PEIFFER, E.: Anleitung für die Kompostfabrikation aus städtischen und industriellen Abfällen.
     Gustav Fischer Verlag,   Stuttgart 1957

[6] SPOHN, E.: Selber kompostieren für Garten und Feld.
     Schnitzer-Verlag, St. Georgen/Schwarzwald 1980
 

 

Energie sparen mit biologischen Methoden

von
Dr. Erich Koch,
Altshausen

 

Kurzfassung
Das vorliegende Projekt beschreibt ein natürliches Verfahren, welches energie-intensive Arbeitsprozesse in Kompostierungswerken ersetzt. Dadurch können jährlich mindestens 10 000 000 Liter Dieselöl allein in Deutschland eingespart werden und damit wird vermieden, dass mehr als 25 000 Tonnen klimaschädigendes Kohlenstoffdioxid unnötig in die Atmosphäre geblasen werden.


Einleitung
Zahlreiche Landkreise in Deutschland sind stolz auf ihre Kompostierungsanlagen. So auch der im Süden Hessens gelegene Landkreis Darmstadt-Dieburg mit seinen immerhin fünf Kompostierungsanlagen in Alsbach-Hähnlein, Groß-Umstadt/Semd, Pfungstadt, Reinheim und Weiterstadt. Im Jahr 2006 wurden in den fünf Anlagen beachtliche 53 000 Tonnen an Grün-Müll verkompostiert. Diese Bilanz ist sehr ermutigend, weil hier organische Siedlungsabfälle durch Kompostierung in Humuserde umgewandelt werden. Ein aktiver Beitrag zum Klima- und Umweltschutz, so schreiben die Kreisverwaltung, der ZAW (= Zweckverband Abfall- und Wertstoffeinsammlung für den Landkreis Darmstadt-Dieburg) sowie die DA-DI-Werke in verschiedenen Broschüren und Handzetteln. Auch die Lokalpresse, das Darmstädter Echo, berichtet regelmäßig über die umweltfreundlichen Kompostwerke des Landkreises.

Im Rahmen einer Exkursion wurde die Kompostierungsanlage in Groß-Umstadt/Semd besichtigt. Die Erläuterungen zum Umwelt- und Klimaschutz waren zunächst sehr beeindruckt.
Doch der Maschinenpark, angefangen von dem mit beachtlicher Geschwindigkeit umherfahrenden Frontlader mit seinem riesigen „Maul“ und dem lärmenden Großshredder, welcher kontinuierlich mit Holzmasse von einem Kran beschickt wurde, dann die stationären Maschinen, wie die Schneidwalzenmühle, die zahlreichen Siebanlagen, sowie die riesigen, sich stetig drehenden Rotte-Trommeln, all dies ließ einen doch nachdenklich machen. Soviel Mechanik, Groß-Geräte und schwere Motoren werden in einer Kompostierungsanlage eigentlich nicht erwartet. Vielmehr denkt man da an die vielen, vielen Kleinst-Lebewesen, an die Einzeller, an Stoffwechselprozesse, an biologische Systeme und an ruhig ablaufende Ab-, Um- und Aufbauprozesse, welche sich an der organischen Abfall-Masse vollziehen sollten. Doch die Praxis einer Kompostierungsanlage sieht ganz anders aus. Von Biologie und Natur, so wie man es einmal im Schulunterricht gelernt hat, war wenig zu sehen. Statt dessen schwerer Maschineneinsatz.
Der mächtige Frontlader sauste kreuz und quer über das Werksgelände, mal hier, mal dort, so ganz unkoordiniert. Aber mit hoher Geschwindigkeit und einer Präzision, derart, dass man richtig Herzklopfen bekam. Auffallend war stets die meterhohe Ruß- und Rauchfahne, welche dieser gelbe Koloss an Frontlader in den Himmel blies, wenn er vom Ort A zum Ort B mit hoher Beschleunigung sauste. Und die Maschine war zumindest so emsig wie eine Ameise.

Eine ewig dunkle Ruß- und Rauchfahne stieß auch der mobile Großshredder mit seinem 600 PS starken Motor aus. Eigentlich verständlich, denn diese Maschine musste Schwerstarbeit verrichten. Ein Kran hievte unentwegt Stubben, Baumwurzeln, Starkäste und komplette Sträucher in den Trichtermund des Shredders. Innerhalb von wenigen Sekunden wurde die voluminöse Holzmasse in handtellergroße Holz-Schnitzel zerkleinert oder in armlange Fasern zerspant.

 
 
Erkenntnis:
1. Ein Kompostierungswerk ist eine energieintensive Anlage.
2. Die Energiepreise sind in den letzten 10 Jahren um mehr als 100 % gestiegen und werden auch zukünftig stetig ansteigen.
3. Energie, gewonnen aus fossilen Rohstoffen, schadet der Umwelt und insgesamt unserem Planeten Erde.
 

Diese drei Tatsachen sind Grund genug, Alternativen zu entwickeln, um den für bestimmte Arbeitsprozesse hohen Energieeinsatz zu minimieren oder sogar gänzlich einzusparen.

Analyse:
Eine sehr energieintensive Maschine mit ca. 600 PS stellt der Großshredder dar. In dieser mobilen Anlage werden sämtliche Arten von Resthölzern aus den Bereichen Landschaft, Garten und Friedhof geshreddert. Dies sind im Allgemeinen:
Wurzelstöcke (Stubben), Starkäste, Baum-Kronen, kleine Bäume, Rinden und Sträucher.
Eine solche Maschine benötigt für einen Tageseinsatz, je nach Art des pflanzlichen Abraums und der Laufzeit, ca. 150 bis 300 Liter Diesel-Kraftstoff. Der geshredderte Holzabfall wird in der Regel in einer weiteren Anlage geraspelt, dann den Rotte-Trommeln zugeführt, zum Schluss gesiebt und das gesiebte Material zu Dreiecksmieten aufgesetzt. Diese Mieten werden in den folgenden 3 Monaten mehrfach mit dem Frontlader zur Belüftung umgesetzt. Danach erfolgt eine Feinsiebung des organischen Materials.
Es ist plausibel, hier von einem energieintensiven Prozess zu sprechen.


Alternative zur Energieeinsparung

Die bisherige Praxis ist, und das gilt für nahezu alle Kompostwerke in Deutschland, den gesamten Grün-Müll den Anlagen zur Entsorgung zuzuführen. Es wird bislang nicht differenziert zwischen dem „weichen“ Grün-Müll (= vegetabile Hausratsabfälle) und dem „harten“ Grün-Müll (= Resthölzer). Die Kompostwerke in Deutschland sind mit Anlagen für den „weichen“ Grün-Müll ausgelegt. Damit ist es erforderlich, den „harten“ Grün-Müll mit Hilfe sehr energie- und verschleißintensiven Maschinen in einen „weichen“ Grün-Müll umzuwandeln.
Deshalb ist die einfachste Lösung, den „harten“ Grün-Müll (= Resthölzer, Holzabraum) generell nicht zu shreddern und nicht dem üblichen Arbeitsprozess der „weichen“ Grünmüll-Kompostierung beizumischen.
Dies wäre mit Abstand die umweltfreundlichste und kostengünstigste Lösung.


Wege der alternativen Entsorgung
Der naheliegende Gedanke ist, die zu entsorgenden Resthölzer wieder in den biologischen Kreislauf zurückzuführen. Wie dies erfolgen kann, soll im Folgenden beschrieben werden.
Die Resthölzer werden zu einer Dreiecks- oder Trapezmiete abgeladen. Der Lkw oder der Traktor mit Anhänger fährt an einem „Stubben-Wall“ entlang und kippt am Ende des Walls den Holzabraum ab. Die Abbildungen Nr. 1, 2 und 3 zeigen schematisch das Anlegen und den Aufbau der „Stubben-Wälle“.
Auch schwache Hölzer wie Reisig, Äste, Rinden und Blätter können auf dem „Stubben-Wall“ abgeladen werden. Im Herbst soll nach Möglichkeit der gesamte Laub-Kehricht einer Gemeinde oder Stadt über den „Stubben-Wall“ verteilt werden. Nach dem Erreichen einer Endhöhe des „Stubben-Walls“ von ca. 1 – 2 Metern, wird er mit überschüssigem Bodenaushub übererdet. In der Abbildung Nr. 4 ist dieser beschriebene Aufbau schematisch skizziert.

Erreicht der Wall seine Endlänge, wird er von der anderen Seite beschickt (siehe Abbildung Nr. 2). Ist diese Seite des Walls auf seiner gesamten Länge mit Abraumholz verfüllt, so erfolgt eine erneute Beschickung auf der gegenüberliegenden Seite des „Stubben-Walls“. Damit baut sich der „Stubben-Wall“ streifenweise auf, weil der Wall sukzessive einmal von der linken und dann von der rechten Seite mit Abraumholz beschickt wird. Der Wall wird zunehmend breiter. Die Abbildung Nr. 3 zeigt schematisch den beschriebenen Ablauf.


Notwendige Voraussetzung
Eine notwendige Voraussetzung für die alternative Entsorgung ist eine geeignete Brachfläche. Im Landkreis Darmstadt-Dieburg fallen jährlich ca. 10 000 m³ solcher Resthölzer an. Um die Entsorgungswege für den Holzabraum möglichst gering zu halten, sollten sich die Entsorgungsflächen über den gesamten Landkreis annähernd gleichmäßig verteilen. Optimal wäre die Nähe zu den 5 bestehenden Kompostierungsanlagen. Benötigt werden pro Anlage ca. 1 Hektar Fläche, um den Holzabraum für die nächsten Jahrzehnte im Landkreis Darmstadt-Dieburg zu entsorgen und in den biologischen Kreislauf einzugliedern.
Eine landesweit durchgeführte Bestandsaufnahme des Hessischen Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt ergab, dass zahlreiche landwirtschaftliche Flächen brach liegen. So beträgt nach dieser Studie das Brachland der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche im ehemaligen Landkreis Dieburg 4,8 %, im Landkreis Offenbach 22,6 %, im Dillkreis sogar 36,1 %.
Hier bietet sich an, solche landwirtschaftlich nicht genutzten Flächen für eine biologische Kreislaufwirtschaft zu benutzen. Für die Ausweisung einer Fläche sind in der Regel keine Investitionskosten notwendig. Aufgrund der voluminösen Struktur des Holzabraumes liegt die mittlere Dichte bei 0,2 – 0,3 kg/dm³. Damit kann nahezu jeder einfach gebaute Feldweg mit einem Lkw oder einem landwirtschaftlichen Fahrzeug befahren werden. Entlang des „Stubben-Walls“ werden Äste und Zweige quer gelegt und es entsteht ein sog. „Knüppel-Weg“ als Fahrweg für die Fahrzeuge.
Energieanschlüsse sind nicht notwendig, bei dem hier vorgestellten Konzept der ökologischen Kreislaufführung sogar unerwünscht.


Wege der alternativen Entsorgung
Der naheliegende Gedanke ist, die zu entsorgenden Resthölzer wieder in den biologischen Kreislauf zurückzuführen. Wie dies erfolgen kann, soll im Folgenden beschrieben werden.
Die Resthölzer werden zu einer Dreiecks- oder Trapezmiete abgeladen. Der Lkw oder der Traktor mit Anhänger fährt an einem „Stubben-Wall“ entlang und kippt am Ende des Walls den Holzabraum ab. Die Abbildungen Nr. 1, 2 und 3 zeigen schematisch das Anlegen und den Aufbau der „Stubben-Wälle“.
Auch schwache Hölzer wie Reisig, Äste, Rinden und Blätter können auf dem „Stubben-Wall“ abgeladen werden. Im Herbst soll nach Möglichkeit der gesamte Laub-Kehricht einer Gemeinde oder Stadt über den „Stubben-Wall“ verteilt werden. Nach dem Erreichen einer Endhöhe des „Stubben-Walls“ von ca. 1 – 2 Metern, wird er mit überschüssigem Bodenaushub übererdet. In der Abbildung Nr. 4 ist dieser beschriebene Aufbau schematisch skizziert.

Erreicht der Wall seine Endlänge, wird er von der anderen Seite beschickt (siehe Abbildung Nr. 2). Ist diese Seite des Walls auf seiner gesamten Länge mit Abraumholz verfüllt, so erfolgt eine erneute Beschickung auf der gegenüberliegenden Seite des „Stubben-Walls“. Damit baut sich der „Stubben-Wall“ streifenweise auf, weil der Wall sukzessive einmal von der linken und dann von der rechten Seite mit Abraumholz beschickt wird. Der Wall wird zunehmend breiter. Die Abbildung Nr. 3 zeigt schematisch den beschriebenen Ablauf.


Notwendige Voraussetzung
Eine notwendige Voraussetzung für die alternative Entsorgung ist eine geeignete Brachfläche. Im Landkreis Darmstadt-Dieburg fallen jährlich ca. 10 000 m³ solcher Resthölzer an. Um die Entsorgungswege für den Holzabraum möglichst gering zu halten, sollten sich die Entsorgungsflächen über den gesamten Landkreis annähernd gleichmäßig verteilen. Optimal wäre die Nähe zu den 5 bestehenden Kompostierungsanlagen. Benötigt werden pro Anlage ca. 1 Hektar Fläche, um den Holzabraum für die nächsten Jahrzehnte im Landkreis Darmstadt-Dieburg zu entsorgen und in den biologischen Kreislauf einzugliedern.
Eine landesweit durchgeführte Bestandsaufnahme des Hessischen Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt ergab, dass zahlreiche landwirtschaftliche Flächen brach liegen. So beträgt nach dieser Studie das Brachland der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche im ehemaligen Landkreis Dieburg 4,8 %, im Landkreis Offenbach 22,6 %, im Dillkreis sogar 36,1 %.
Hier bietet sich an, solche landwirtschaftlich nicht genutzten Flächen für eine biologische Kreislaufwirtschaft zu benutzen. Für die Ausweisung einer Fläche sind in der Regel keine Investitionskosten notwendig. Aufgrund der voluminösen Struktur des Holzabraumes liegt die mittlere Dichte bei 0,2 – 0,3 kg/dm³. Damit kann nahezu jeder einfach gebaute Feldweg mit einem Lkw oder einem landwirtschaftlichen Fahrzeug befahren werden. Entlang des „Stubben-Walls“ werden Äste und Zweige quer gelegt und es entsteht ein sog. „Knüppel-Weg“ als Fahrweg für die Fahrzeuge.
Energieanschlüsse sind nicht notwendig, bei dem hier vorgestellten Konzept der ökologischen Kreislaufführung sogar unerwünscht.
Kompostierung des Holzabraumes
Der „Stubben-Wall“ kann mit einem Bioreaktor verglichen werden. Durch die voluminöse Struktur des Holzabraumes werden ideale Bedingungen für die Destruenten (Zersetzer) wie Bakterien, Pilze, Algen, Urtierchen, Asseln, Käfer, Ameisen, Milben, Regenwürmer und viele andere Kleinlebewesen geschaffen. Bekanntlich benötigen die Destruenten Luftsauerstoff, also aerobe Bedingungen, um eine Zersetzung des Holzabraumes einzuleiten.
Ausschließlich holzartige Materialien sind in der Regel schwer verrottbar. Deshalb ist es notwendig, im Herbst auf die „Stubben-Wälle“ Laub-Kehricht und Grasschnitt zu geben und das Ganze mit einer dünnen Bodenschicht abzudecken.


Kompostierung des Holzabraumes
Der „Stubben-Wall“ kann mit einem Bioreaktor verglichen werden. Durch die voluminöse Struktur des Holzabraumes werden ideale Bedingungen für die Destruenten (Zersetzer) wie Bakterien, Pilze, Algen, Urtierchen, Asseln, Käfer, Ameisen, Milben, Regenwürmer und viele andere Kleinlebewesen geschaffen. Bekanntlich benötigen die Destruenten Luftsauerstoff, also aerobe Bedingungen, um eine Zersetzung des Holzabraumes einzuleiten.
Ausschließlich holzartige Materialien sind in der Regel schwer verrottbar. Deshalb ist es notwendig, im Herbst auf die „Stubben-Wälle“ Laub-Kehricht und Grasschnitt zu geben und das Ganze mit einer dünnen Bodenschicht abzudecken.


Der „Stubben-Wall“ als Lebensraum für Pflanzen und Tiere

Der „Stubben-Wall“ soll bewusst bepflanzt werden, um einmal als Kohlenstoffdioxid-Absorber zu wirken, zum anderen soll er auch ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere werden. Als Bepflanzung eignen sich die folgenden Sträucher:
Holunder, Feld-Hasel, Hartriegel, Weide, Liguster, Sanddorn, Feld- und Hundsrose.
Als Bäume können gepflanzt werden:
Akazie, Feldahorn, Spitzahorn, Sommerlinde, Vogelbeere, Buche, Stiel- und Traubeneiche.
Stauden, Wildkräuter, Gräser und Moose siedeln sich durch Samenanflug von selbst an.
Die zunehmende Durchwurzelung des „Stubben-Walls“ durch die Kraut-, Strauch- und Baumschicht bewirkt einen höchst wünschenswerten Effekt:
 

die „biologische Verschmelzung“ des ehemaligen Holzabraumes.

Ein weiterer positiver Effekt des „Stubben-Walls“ ist seine erhöhte Lage gegenüber dem übrigen Gelände. Damit kann er mit einem Hügelbeet eines Kleingartens oder einer Gärtnerei verglichen werden. Dies kann für die Baum- und Strauchvegetation von Vorteil sein, falls das Gelände vernässt oder stark verdichtet ist.
Der fortgeschrittene „Stubben-Wall“ mit seinen Gehölzen und krautreichen Pflanzenbeständen bietet in der Feldflur Lebensraum für eine große Zahl von Tieren. Vornehmlich in den zahlreichen Hohlräumen des Stubben-Walles, den Spalten, Astlöchern, morschen Ästen finden alle möglichen Kleintiere eine Heimat.


Wirtschaftlichkeit
Ein marginales Beispiel soll verdeutlichen, um welches reale Einsparpotenzial es bei der Grünmüll-Entsorgung geht. In den vergangenen Jahren sind größere Mengen an Grünmüll aus dem Landkreis Darmstadt-Dieburg nach Thüringen transportiert worden. Die einfache Fahrtstrecke beträgt mehr als 200 Kilometer und es wurde dabei überwiegend gebundenes Wasser transportiert, da der Grünmüll einen Feuchtigkeitsgehalt von 50 – 95 % aufweisen kann.
Mehr als 20 000 Liter Diesel-Kraftstoff wurden pro Jahr unnötig verbraucht, um überwiegend im Grünmüll enthaltenes Wasser aus einem südhessischen Landkreis in das Bundesland Thüringen zu transportieren.

Die Entsorgung des sog. „harten“ Grünmülls ist für jede Gemeinde und Stadt sowie für jeden Landkreis in Deutschland relevant. Das durchschnittliche Einsparpotenzial an Diesel-Kraftstoff eines Landkreises liegt bei ca. 30 bis 40 000 Liter jährlich. Auf alle Landkreise in Deutschland hochgerechnet, würde sich eine jährliche Einsparung von mindestens 10 Millionen Liter Diesel-Kraftstoff ergeben, was einer Reduktion von ca. 25 000 Tonnen an Kohlenstoffdioxid entspricht.


Evaluation
Umwelt- und Klimaschutz sollten zu Hause anfangen, ebenso auch in der Schule. Es fehlt oft an Kenntnissen oder an der Lust, sich aktiv mit diesen Themen zu beschäftigen. Hat man die von den schweren Maschinen ausgestoßenen Rauchschwaden „fast vor der Haustüre“, so gibt dies sicherlich den Anstoß, über Verbesserungen der Grünmüll-Entsorgung nachzudenken.

Die Umwelt- und Klimaproblematik ist zur Überlebensfrage geworden. Wir können die Fortschritte unserer Zivilisation nur nutzen, wenn wir die Natur um uns, die uns am Leben erhält, ebenfalls am Leben erhalten. Mit dem vorliegenden Beitrag wurde ein einfacher und praktikabler Weg aufgezeigt, wie ein primär lästiger Grünmüll-Abfall durch die Rückführung in den biologischen Kreislauf in „lebendige Erde“ umgewandelt wird.
Die Gedanken zur Energieeinsparung mit biologischen Methoden sollen abschließend anhand zweier Kreislauf-Schemata verdeutlicht werden:
 

  • Abbildung Nr. 5: Offener Kreislauf (heute bestehender Zustand)
  • Abbildung Nr. 6: Geschlossener Kreislauf (zukünftiger Zustand)


Anlagen
Auf den folgenden Seiten sind vereinfachte Schema-Zeichnungen angefertigt worden, um die Projekt-Idee besser verständlich zu machen.

 
Abbildung Nr. 1: Anlegen des 1. Stubbenwalls
Abbildung Nr. 2: Anlegen des 2. Stubbenwalls
Abbildung Nr. 3: Alternierender Aufbau der Stubbenwälle
Abbildung Nr. 4: Schematischer Aufbau eines Stubbenwalls (Querschnitt)
Abbildung Nr. 5: Gegenwart: Entsorgung von Abraumhölzern (offener Kreislauf)
Abbildung Nr. 6: Zukunft: Entsorgung von Abraumhölzern im ökologischen Kreislauf (geschlossener Kreislauf)
 

Abb. Nr. 1 Anlegen des 1. Stubbenwalls

 

Abb. Nr. 2 Anlegen des 2. Stubbenwalls

 

Abb. Nr. 3 Alternierender Aufbau der Stubbenwälle

 

Abb. Nr. 4 Schemtaischer Aufbau eines Stubbenwälle im Endzustand (Querschnitt

 

Abb. Nr. 5 Gegenwart: Entsorgung von Abraumhölzern (offener Kreislauf)

 

Abb. Nr. 6 Zukunft:
Entsorgung von Abraumhölzern im ökologischen Kreislauf (geschlossener Kreislauf)